Selbstmordserien in Fabriken, Mineralien aus "Blutminen", Zwangsarbeit unter Studenten: Wenn es um den Bau unserer Handys geht, sind IT-Konzerne nicht zimperlich bei der Wahl ihrer Partner. Oberste Prämisse: geringe Kosten. Nachhaltigkeit und Arbeitsbedingungen sind zweitrangig. Dass es auch anders geht, zeigt das Start-up Fairphone aus Holland, das gerade die ersten Exemplare seines Fairphone 2 ausliefert. Doch wie gut ist es? krone.at hat den Test.
In der Smartphone-Industrie herrscht stetes technologisches Wettrüsten. Schneller, schärfer, dünner - so preisen die meisten Handyhersteller ihre teils im Halbjahrestakt veröffentlichten Neuheiten an. Bei Fairphone geht man einen anderen Weg.
Man versucht einerseits, das menschliche Leid in der Liefer- und Fertigungskette zu minimieren, andererseits möglichst haltbare und langlebige Geräte herzustellen, die mehr als zwei Jahre Nutzung überdauern. Mehr über die Fertigung des Fairphone 2, in dem sogar Komponenten aus Österreich stecken, lesen Sie am Ende des Tests. Hier konzentrieren wir uns zunächst auf das Gerät an sich.
Für den Endkunden ist ein Fairphone 2 naturgemäß teurer als ein "unfair" produziertes Handy. 525 Euro kostet ein Fairphone 2 im Online-Shop des Herstellers. Was man dafür bekommt, sehen Sie in der Leistungstabelle:
Fairphone 2 | |
CPU | Qualcomm Snapdragon 801; 4 x 2,26 GHz |
RAM | 2 GB |
Diagonale | 5 Zoll |
Auflösung | 1920 x 1080 Pixel |
Speicher | 32 GB |
microSD-Slot | Bis 128 GB |
Hauptkamera | 8 Megapixel, LED-Blitz |
Fronkamera | 2 Megapixel |
Funk | LTE, Gigabit-WLAN, Bluetooth 4.0, GPS, GLONASS |
Maße | 173 x 73 x 11 Millimeter; 148 Gramm |
Akku | 2420 mAh |
Extras | Dual-SIM |
Software | Android 5.1 |
Preis | 525 Euro |
Verglichen mit aktuellen Top-Smartphones großer Konzerne ist das Fairphone 2 von der Hardware-Power her nicht mehr ganz am neuesten Stand, die Komponenten sind aber auch nicht schlecht. Sie entsprechen über weite Strecken dem, was vor zwei Jahren als Oberklasse galt und sollten auch die nächsten Jahre noch ein flüssiges Bedienerlebnis gewährleisten. Die eine oder andere Schwäche - etwa die Kameras - gibt es zwar, insgesamt hat Fairphone aber ein rundes Paket geschnürt.
Genug Rechenpower, tadelloses Display
Prozessor und RAM gewährleisten ein flüssiges Bedienerlebnis. Apps starten flott genug, Multi-Tasking ist kein Problem, die Grafikpower des einstigen Oberklasse-Chips Snapdragon 801 reicht auch heute noch für anspruchsvollere Kost wie "Asphalt 8" oder "Beach Buggy Blitz". Jagt man das Fairphone 2 durch den AnTuTu-Benchmark, reiht es sich im Mittelfeld ein - gar nicht so weit hinter Geräten mit dem neueren Snapdragon 808, wie ihn etwa LG im G4 verbaut.
Das IPS-Display bietet keinen Anlass zur Kritik. Dank Full-HD-Auflösung stellt es Inhalte schön scharf dar, die seitliche Ablesbarkeit ist gut, die Farbdarstellung natürlich und die maximale Helligkeit hoch genug für den Außeneinsatz, auch wenn das Schutzglas darüber natürlich spiegelt. Beim Kontrast kann es zwar nicht mit AMOLED-Displays mithalten, generell ist es aber gut genug, um auch in zwei, drei Jahren noch zu überzeugen.
Kameraausstattung ausbaufähig
Die Kamera-Ausstattung des Fairphone 2 ist derweil ausbaufähig. Klar reicht die Acht-Megapixel-Hauptkamera für Schnappschüsse. Besonders bei guten Lichtverhältnissen gelingen scharfe und detailreiche Bilder, bis zu einem gewissen Grad verträgt das Gerät auch Dämmerlicht. Verglichen mit den Top-Kameras der Konkurrenz mit 16 und mehr Megapixeln und optischer Bildstabilisierung schlägt sich das Fairphone 2 aber nur mittelmäßig - auch, weil das Scharfstellen länger dauert als etwa bei Samsung oder Sony.
Wer großen Wert auf die Kamera legt, wird sich daran stören, für den Alltagsgebrauch reicht die Hauptkamera aber. Die Frontkamera ist für gelegentliche Videotelefonate ausreichend, aber kein Selfie-Monster. Kleines Manko: Die vorinstallierte Google-Kamera-App schöpft die verfügbare Auflösung nur im 4:3-Seitenverhältnis aus, in 16:9 sind maximal 2,1 Megapixel Auflösung drin. Dieses Problemchen lässt sich mit alternativen Kamera-Apps wie Camera MX aber lösen.
Software mit Kinderkrankheiten
Apropos Problemchen: Die Macher des Fairphone 2 haben Android 5.1 für ihr ethisches Handy stark angepasst und ein eigenes Interface darübergestülpt. Das erfordert etwas Eingewöhnungszeit, zudem beobachteten wir im Test gelegentliche Stabilitätsprobleme einzelner im Hintergrund laufender Google-Anwendungen - etwa Google Play Music. Es hilft aber, die instabilen Google-Apps zu deaktivieren und auf Alternativen aus dem Play Store zurückzugreifen.
Die Fairphone-Software hat aber auch ihre Vorteile. So zeigt Android am Fairphone etwa bei jeder neu installierten App potenzielle Datenschutz-Risiken auf und warnt den Nutzer beim ersten Start vor Privatsphäre-Sündern. So ein Feature würden wir uns auch von Smartphones der etablierten Hersteller wünschen.
Funk- und Speicherausstattung
In puncto Funk und Speicher gibt sich das Fairphone zukunftssicher. Mit 32 Gigabyte Flash-Speicher und microSD-Slot ist es selbst für größere MP3-Sammlungen und Vielfotografierer gerüstet, dank LTE und Gigabit-WLAN funkt es über die aktuell schnellstmöglichen Standards - bei Bedarf auch mit zwei SIM-Karten. Bluetooth ist auch in aktueller Ausführung vorhanden, der Kurzstreckenfunk NFC fehlt.
Akku Mittelmaß, aber austauschbar
Die Akkulaufzeit des Fairphone 2 ist mit einem 2420-mAh-Energielieferanten überschaubar. Einen Tag Betrieb übersteht das Gerät im Normalfall auch bei Intensivnutzern, nächtliches Aufladen ist aber fast Pflicht. Ein Vorteil gegenüber den allermeisten aktuellen Oberklasse-Geräten ist der austauschbare Akku. Wer viel reist und mit einer Akkufüllung nicht bis zur nächsten Steckdose durchhält, kann den Stromlieferanten einfach tauschen.
Apropos Tauschen: Das Fairphone 2 ist der Reparatur-Kaiser beim Vergleichsportal "iFixIt" und durch seine modulare Bauweise erfreulich einfach zu reparieren. Die fast schraubenlose Konstruktion mit Halteklammern sorgt dafür, dass selbst das Display beinahe ohne Werkzeug getauscht werden kann. Ersatzteile gibt's direkt beim Hersteller. Auch hier könnte sich manch ein etablierter Hersteller eine Scheibe abschneiden.
Cleveres Gehäusekonzept
Zur Langlebigkeit beitragen soll auch die Gehäusekonstruktion des Fairphone. Bei der Lieferung erhält der Käufer das Fairphone quasi nackt, kann direkt zum Akku und den Kartenslots vordringen. Erst, wenn das Gerät mit allem bestückt ist, kommt ein in verschiedenen Farben oder transparent verfügbares Plastik-Cover darüber, das gleichzeitig Akkuabdeckung und Schutzhülle ist. Es ragt leicht über das Display hinaus, was bei Stürzen Gold wert ist und einen Displaybruch abwenden kann.
Die Hülle macht das ganze Gerät aber auch etwas dicker als Konkurrenten, was sich im Test in puncto Handling aber nicht negativ bemerkbar machte. Im Gegenteil: Das matte Plastikgehäuse des Fairphone 2 ist griffig, bietet wenig Angriffsfläche für Fingerabdrücke und macht einen stabilen Eindruck. Lobenswert: Die Entsperr-, Kamera- und Lautstärketasten wurden sinnvoll platziert, sind gut zugänglich und bieten einen adäquaten Druckpunkt.
Fazit: Der Käufer entscheidet
Das Fairphone 2 glänzt nicht mit Superlativen, ist aber - mit Ausnahme der mittelprächtigen Kamera - ein rundes Gesamtpaket. Rechenpower, Speicher- und Funkausstattung sowie Display sollten auch in zwei, drei Jahren noch reichen. Der austauschbare Akku und das durchdachte Gehäusekonzept erfreuen Fans langlebiger Produkte. Die Software zeigt gute Ansätze, braucht aber noch Feintuning.
Ob das Fairphone 2 zum Erfolg wird, hängt aber vor allem von den Käufern ab. Wer bereit ist, 200 Euro mehr für faire Fertigung und Langlebigkeit zu bezahlen, bekommt mit dem Fairphone 2 ein solides Handy, mit dem er auch in zwei Jahren noch gut zurechtkommt. Wer dagegen nicht auf Nachhaltigkeit bedacht ist, wird sein Kaufverhalten wohl auch wegen des Fairphone 2 nicht ändern.
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