Korruption, Folter
Pussy Riot: Neuer Frontalangriff auf den Kreml
Seit ihrer Freilassung aus der Haft im Dezember 2013 ist es still geworden um die regierungskritische russische Punkband Pussy Riot. Zwar setzen sich die beiden eineinhalb Jahre eingesperrt gewesenen Mitglieder Nadeschda Tolokonnikowa und Marija Aljochina laufend für die Rechte von russischen Häftlingen ein, doch ihre öffentlichen Auftritte werden von den Medien ignoriert. Nun hofft Tolokonnikowa mit einem neuen Protestlied - ohne ihre beiden früheren Mitstreiterinnen - ein breiteres Publikum zu erreichen. Es ist ein musikalischer Frontalangriff auf das Russland Wladimir Putins.
Namensgeber für das viereinhalbminütige Rap-Video, das auf YouTube veröffentlicht wurde, ist Staatsanwalt Juri Tschaika, dem kriminelle Machenschaften, Korruption und Vetternwirtschaft vorgeworfen werden. Zuletzt hat der bekannte Oppositionspolitiker Alexej Nawalny mit einem Video, in dem er seine Recherchen zur Tschaika-Familie und ihren Verflechtungen mit kriminellen Netzwerken veröffentlichte, für Aufregung gesorgt. Diese Enthüllungen, die von Tschaika und der Regierung strikt zurückgewiesen wurden, dienten als Basis für Tolokonnikowas Clip.
Folterungen und Tanz mit vergoldetem Brot
Dieser unterscheidet sich von früheren Videos. Einerseits tritt nur noch Tolokonnikowa auf, andererseits ist der Auftritt nicht mehr so schrill - statt bunten Sturmhauben gibt es Make-up und schöne Kleidung. Tolokonnikowa schlüpft in die Rolle des Staatsanwalts und singt unter anderem: "Mein Seelenführer hat mir gesagt, Familienwerte gelten als heilig." Damit spielt die 26-Jährige auf die von Kremlchef Putin vertretene und bei öffentlichen Auftritten stets proklamierte Moral an. Während Tolokonnikowa tanzt, bei der Folterung von Häftlingen mitwirkt, sich in Uniform und Stöckelschuhen auf dem Schreibtisch des Staatsanwalts vor einem Putin-Porträt rekelt oder mit einem vergoldeten Stück Brot tanzt, hagelt es massive Kritik im Stakkato-Stil an der russischen Obrigkeit.
Unter anderem geht es dabei um den Zusammenhalt der Familie und die schützende Hand der Behörden über die Regierenden, solange man gegenüber dem Staat loyal bleibt. "Um kaltmachen zu können, ohne dass sie dich erwischen, sei treu der Obrigkeit", heißt es an einer Stelle. Im Refrain singt Tolokonnikowa immer wieder: "Ich liebe Russland. Ich bin Patriot."
"Schmiergeld nehmen, töten und stehlen"
Was für die Aktivistin zum russischen Patriotismus gehört, erklärt sie an anderer Stelle: "Für meine Heimat, Mütterchen Russland, werde ich mich entscheiden. Schmiergeld nehmen, töten und stehlen. In solchen Sachen bin ich ganz heimattreu, in meiner Heimat will ich das treiben."
"Spiegel Online" hat eine komplette deutsche Übersetzung veröffentlicht, die Sie hier nachlesen können.
Mit Protestlied in Kirche berühmt geworden
Anfang 2012 war Tolokonnikowa zusammen zwei weiteren Mitgliedern von Pussy Riot, Aljochina und Jekaterina Samuzewitsch, das erste Mal festgenommen worden. In einer Kirche hatten sie ein "Punk-Gebet" abgehalten, in dem sie Putin offen kritisierten. Während Samuzewitsch vor Gericht freigesprochen wurde, wurden die beiden anderen Frauen wegen "Rowdytums" und "Aufwiegelung zu religiösem Hass" zu zwei Jahren Arbeitslager verurteilt, kamen jedoch im Dezember 2013 nach einer Begnadigung durch Putin vorzeitig frei.
Tolokonnikowa saß den Großteil ihrer Haftstrafe in einer Strafkolonie für Frauen in der Region Mordowien ab. Wegen der von ihr als "Sklaverei" beschriebenen Haftbedingungen trat sie dort mehrfach in den Hungerstreik.
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