Eine geplante Reform des Tier-Arzneimittelrechts der EU sorgt für Aufregung: Während Tierschützer den Vorstoß begrüßen, dass der routinemäßige Einsatz von Antibiotika - vor allem in der Massentierhaltung durchaus üblich - künftig strikter geregelt werden soll, schießt der Entwurf für andere übers Ziel hinaus. Denn auch homöopathische und naturheilkundliche Arzneimittel für Tiere sollen schon bald nur noch eingeschränkt erhältlich sein.
Im Umweltausschuss des Europäischen Parlaments fand am Mittwoch eine Abstimmung über eine neue Tierarzneimittel-Verordnung statt, deren Ziel ein restriktiverer Umgang mit prophylaktischen und metaphylaktischen Antibiotika ist. Dabei geht es um den routinemäßigen Einsatz der Medikamente, der vor allem in der industriellen Landwirtschaft ein Thema ist. Eine Prophylaxe, also ein vorbeugender Einsatz von Antibiotika, sollte demnach nur mehr für Einzeltiere erlaubt sein, wenn ein Veterinär die Behandlung rechtfertigen kann.
Behandlung ganzer Gruppen soll seltener werden
Die Metaphylaxe, also die Behandlung einer gesamten Gruppe von Tieren, wenn ein Tier der Gruppe Krankheitsanzeichen zeigt, sollte in Zukunft nur mehr bei klinisch kranken Tieren und solchen Tieren erlaubt sein, bei denen ein hohes Risiko für eine Übertragung der Krankheit gegeben ist. Eine entsprechende Abstimmung im EU-Parlament ist für diesen Sommer geplant.
"Der hohe Antibiotikaeinsatz stellt ein Problem dar"
"Mit einer neuen Verordnung könnte in Zukunft die Anwendung von Antibiotika in der Tierhaltung geregelt werden", sagt Pierre Sultana, Leiter des Europabüros der Tierschutzorganisation "Vier Pfoten" in Brüssel. "Der derzeit hohe Antibiotikaeinsatz in der Intensivtierhaltung stellt ein großes Problem dar. Besonders die Metaphylaxe, die derzeit in der EU noch erlaubt ist, ist gefährlich für Mensch und Tier. Hier wird bei Erkrankung eines Tieres nicht das Einzeltier behandelt, sondern nach dem Gießkannenprinzip der gesamte Bestand flächendeckend mit Antibiotika versorgt. Dabei kommt es leicht zu missbräuchlichem Einsatz."
Antibiotika statt guten Haltungsbedingungen?
Der massenhafte Antibiotikaeinsatz in der Tiermast macht die generellen Probleme der Intensivtierhaltung deutlich: hohe Besatzdichte, geringe Wachstumszeiten und schlechte Haltungsbedingungen, die Krankheiten begünstigen. "Die Verwendung von Antibiotika sollte nie ein Ersatz für schlechte Haltungsbedingungen sein. Das Ziel der Landwirte sollte sein, die Tiere so zu halten, dass sie gar nicht erst krank werden", so Pierre Sultana.
Deutsche Tierheilpraktiker protestieren
Die Reform hat also ein durchaus erstrebenswertes Ziel. Doch über jenes schießt sie deutlich hinaus, zumindest wenn es nach den Berufsverbänden der deutschen Tierheilpraktikern geht. Denn mit dem Entwurf wird auch die Anwendung homöopathischer und naturheilkundlicher Arzneimittel durch Tierhalter und Tierheilpraktiker eingeschränkt. Das könnte bedeuten, dass auch Produkte zur Tierpflege und zur ergänzenden Fütterung künftig als Tierarzneimittel zugelassen werden müssen.
Tierheilpraktiker in Österreich nicht zugelassen
"Die Verordnung kann dazu führen, dass eine ganze Reihe von Medikamenten pflanzlichen Ursprungs, homöopathische Arzneimittel und handelsübliche Pflegemittel und Nahrungsergänzer vom Markt verschwinden und die wenigen verbleibenden allein auf Verschreibung des Tierarztes erhältlich sind", so der Text in einer Petition der Berufsverbände der Tierheilpraktiker und des Verbandes Artgerechte Tiergesundheit e.V.. Befürchtet wird auch das "Aussterben" des Tierheilpraktiker-Berufes - in Österreich ist diese Dienstleistung übrigens verboten, da Laien keine heilenden Tätigkeiten an Tieren ausüben dürfen. Lediglich sogenannte Tierenergetiker dürfen mit Bach-Blüten, Kinesiologie oder Bioresonanz Haustiere behandeln.
EU-Bürger können Petition unterschreiben
Die Verbände fordern nun EU-Bürger auf, sich gegen die Reform des Tier-Arzneimittelrechts auszusprechen und die Petition zu unterzeichnen. "Die Anwendung vorhandener homöopathischer und naturheilkundlicher Arzneimittel und traditioneller Produkte zur Pflege, Fütterung und Prophylaxe durch Tierhalter und Tierheilpraktiker muss möglich bleiben", heißt es online. Die Einschränkung würde der eigentlichen Absicht der Verordnung widersprechen, nämlich den Antibiotika-Einsatz einzudämmen.
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