"Zurück zu Schengen" - die letzten Worte von EU-Ratspräsident Donald Tusk nach seinem Kurzbesuch bei Bundeskanzler Werner Faymann am Dienstag, aber die wesentlichen: Nach ihrem Gespräch über Wege aus der Flüchtlingskrise gaben sich Tusk und Faymann einig darüber, dass nur die effiziente Kontrolle der EU-Außengrenzen den Weg zu einer gemeinsamen europäischen Lösung des Flüchtlingsproblems ebnen könne.
"Österreich befand sich während der letzten Monate im Auge des Orkans", räumte der EU-Ratspräsident ein. Es könne daher "kaum als Überraschung kommen, dass die Frustration steigt - die Geduld geht zu Ende, während populistische Kräfte in die erste Reihe drängen". Doch gerade in Zeiten wie diesen sei es wichtig, "die Ruhe zu bewahren und gemeinsam an einem europäischen Plan zu arbeiten - und das schnell". Nach dem Gespräch mit Faymann sei er überzeugt, dass Österreich daran mitarbeiten werde, so Tusk.
Faymann: "Österreich ist kein Wartezimmer für Deutschland"
"Österreich ist kein Wartezimmer für Deutschland", bekräftigte Faymann die Linie der Regierung gegen eine "Politik des Durchwinkens". "Weil uns Schengen wichtig ist, ist es uns wichtig, an den EU-Außengrenzen Klarheit zu schaffen, wer nach Europa darf, wer zurückgeführt werden muss und wer in Europa verteilt wird. Wenn diese Klarheit an den Außengrenzen nicht existiert, dann müssen Länder wie Österreich an ihren Grenzen agieren."
Faymann erinnerte daran, dass Österreich im Vorjahr 90.000 Asylanträge entgegengenommen und die Schutzsuchenden in die Grundversorgung übernommen habe. "Das ist pro Kopf mehr als Deutschland." Die nun festgesetzte Grenze von 37.500 pro Jahr würde dazu führen, dass, "würde Europa in ähnlicher Weise agieren, mehr als zwei Millionen Menschen Asyl in Europa bekommen würden", rechnete der Kanzler einmal mehr vor. "Nur die gemeinsame europäische Politik an den Außengrenzen kann erfolgreich sein." Faymann dankte Tusk für die bisherige Zusammenarbeit, "denn sie ist nötig - auch gegenüber jenen, die sich daran gewöhnt haben, einfach nach Österreich durchzuwinken".
Indirekte Kritik an Westbalkan-Konferenz ohne Griechenland
Beim letzten EU-Gipfel habe man Übereinkunft darüber erzielt, "dass wieder alle Mitgliedsstaaten ohne Ausnahme unsere gemeinsamen Regeln, das Schengen-Abkommen, erfüllen", erinnerte Tusk. Er räumte ein, "dass das nicht für alle einfach ist". Die Frage sei aber nicht ob, sondern lediglich wie die Schengen-Regeln wieder effektiv angewendet würden. "Die Wahrheit ist: Es gibt keine Alternative dazu." Darüber müsse gemeinsam beraten werden - "ohne dass jemand ausgeschlossen wird", fügte Tusk an, ohne konkret die Westbalkan-Konferenz in Wien zu erwähnen, zu der die österreichische Regierung Griechenland sehr zum Ärger Athens nicht eingeladen hatte.
Neben einem effektiven Grenzmanagement müsse die EU aber auch "gemeinsam die humanitären Konsequenzen unserer Entscheidungen bewältigen", sagte Tusk - vor allem Griechenland sei hier zu unterstützen. "Die Nagelprobe unseres 'Europäertums' wird einerseits darin bestehen, zum Schengen-Regime zurückzukehren, anderseits aber Athen während dieser schweren Zeit beizustehen."
"Stärkeres Engagement" von "Partner" Türkei gefordert
Leise Kritik ließ der EU-Ratspräsident am Verhalten der Türkei anklingen, die Tusk ebenfalls in den nächsten Tagen besuchen wird: "Europa ist, wie es bereits demonstriert hat, bereit, jenen Staaten, die an die vom Krieg zerrissenen Regionen angrenzen, substanzielle finanzielle Unterstützung zu geben. Gleichzeitig aber erwarten wir ein stärkeres Engagement von unseren Partnern als absolute Voraussetzung dafür, eine humanitäre Katastrophe zu verhindern."
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