Streit ums Geld
Orban lässt Türkei-Deal auf EU-Gipfel platzen
Der ungarische Premier Viktor Orban hat am Montag beim EU-Gipfel einen Deal mit der Türkei vorerst platzen lassen. Ankara forderte drei Milliarden Euro an zusätzlichen Hilfsgeldern bis 2018, die Aufhebung der Visapflicht für seine Staatsbürger bereits ab Juni sowie die Zusicherung zur verpflichtenden Aufnahme syrischer Kriegsflüchtlinge durch die EU - im Gegenzug für die Rücknahme aller in der Ägäis aufgegriffenen illegalen Migranten. Orban legte dagegen allerdings ein Veto ein, eine Entscheidung wurde somit vertagt.
Wie auf einem Basar und für viele unerwartet hatte der türkische Regierungschef Ahmet Davutoglu den Preis für die Rücknahme von Migranten am Nachmittag in die Höhe getrieben. Ankara fordert nun bis 2018 drei Milliarden Euro zusätzliche Unterstützung für syrische Flüchtlinge, also insgesamt sechs Milliarden. Zudem soll die frühestens für den Herbst vorgesehene Visa-Freiheit für türkische Bürger spätestens ab Juni kommen. Und in den Beitrittsverhandlungen sollen umgehend fünf neue Kapitel eröffnet werden.
"Resettlement" als Streitpunkt
Davutoglus Plan sieht vor, dass die Türkei ab einem bestimmten Zeitpunkt alle neuen Flüchtlinge aus Griechenland zurücknimmt. Die sogenannten Wirtschaftsflüchtlinge darunter will sie dann weiter in ihre Herkunftsländer abschieben. Für jeden Syrer, den Ankara aus Griechenland zurücknimmt, soll die EU im Rahmen eines "Resettlement" einen der 2,7 Millionen Syrer aufnehmen, die schon in der Türkei leben.
Doch wie jeder Teppichhändler, der zur Überraschung seines Gegenübers hoch pokert, könnte Davutoglu auf seinem "Angebot" sitzen bleiben. Für den Deal mit Ankara machte sich zwar die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel stark - für sie wäre eine Verlagerung der Flüchtlingskrise von der griechisch-mazedonischen zur griechisch-türkischen Grenze ein Befreiungsschlag, auch innenpolitisch kurz vor wichtigen Landtagswahlen. Doch Ungarns Ministerpräsident Orban legte in der Sitzung ein Veto ein - vor allem gegen die Aufnahme von Flüchtlingen per "Resettlement".
Veto von Orban, Entscheidung vertagt
Man werde nicht zustimmen, "Asylwerber direkt aus der Türkei umzusiedeln", sagte Orban. Ungarn lehnt seit Monaten strikt jede Aufnahme von Flüchtlingen im Rahmen europäischer Verteilungsmechanismen ab. Orban will seine diesbezügliche Politik auch mit einem Referendum einzementieren. Mit seinem Veto am Gipfel wurde die Entscheidung vertagt, nun soll in den nächsten Tagen weiterverhandelt werden.
Der beinharte Verhandlungspoker auf dem EU-Gipfel zum Nachlesen:
- 21.36 Uhr: "Er hat ein Veto eingelegt gegen den Plan, wonach Migranten und Asylwerber direkt aus der Türkei nach Europa umgesiedelt würden" - mit diesen Worten erklärt der ungarische Regierungssprecher Zoltan Kovacs der Nachrichtenagentur Reuters die Haltung seines Ministerpräsidenten.
- 21.25 Uhr: Laut neuesten Informationen scheiterte eine Einigung durch ein Veto von Ungarns Premier Viktor Orban.
- 21.01 Uhr: Bereits Ende nächster Woche kommen die EU-Staats- und Regierungschefs zu einem weiteren Gipfel in Brüssel zusammen. Spätestens bei diesem Treffen soll dann weiter über den Deal mit der Türkei beraten werden.
- 20.53 Uhr: So interpretiert der englische Journalist James Mates die Vertagung der Entscheidung: Die Türkei könnte sich mit ihren Forderungen zu weit aus dem Fenster gelehnt haben.
Merkel lehnt Schließung der Balkanroute ab
Vor dem Gipfel hatte sich Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel gegen eine Schließung der Balkanroute ausgesprochen. Die Zahl der Flüchtlinge müsse laut Merkel nicht nur für einige Länder, sondern für alle verringert werden. Dazu sei eine "nachhaltige Lösung" gemeinsam mit der Türkei erforderlich. Die deutsche Kanzlerin wandte sich damit gegen eine Formulierung im Entwurf der Schlusserklärung des Gipfels, wonach die Balkanroute für Flüchtlinge aus Syrien nun "geschlossen" sei. Österreichs Außenminister Sebastian Kurz hatte zuvor eine Schließung der Balkanroute verteidigt.
Diese Formulierung entspreche faktisch nicht den Tatsachen, auch wenn die Zahlen erheblich zurückgegangen seien, hieß es. Schon auf dem Flüchtlingsgipfel vor zwei Wochen war allerdings erklärt worden, die Politik des "Durchwinkens" Hunderttausender Flüchtlinge von Griechenland nach Mitteleuropa müsse ein Ende haben.
Merkel fordert besseren Schutz der EU-Außengrenze
Merkel forderte ferner die Verringerung der Zahl der illegalen Flüchtlinge - "und zwar nicht nur für einige wenige Länder, sondern für alle, auch für Griechenland. Deshalb brauchen wir eine nachhaltige Lösung, bei der der Schutz der Außengrenze, der Voraussetzung für Schengen ist, realisiert wird." Das alles müsse verbessert werden, "nicht durch wenige bilaterale Maßnahmen", sagte Merkel, ohne die jüngsten Schritte Österreichs mit der Obergrenze namentlich zu erwähnen.
Faymann für Schließung "aller Flüchtlingsrouten"
Österreichs Kanzler Faymann hingegen forderte, "alle Flüchtlingsrouten" zu schließen. "Ich bin sehr dafür, mit klarer Sprache allen zu sagen: Wir werden alle Routen schließen, die Balkanroute auch. Schlepper sollen keine Chance haben", so Faymann. Er zeigte sich auch skeptisch zu einer nachhaltigen Lösung mit der Türkei. Es sei zwar gut, wenn man mit dem Nachbarn etwas ausmachen könne, aber: "Ob es hält, wird die Zukunft zeigen", so der Kanzler. "Alles, was herauskommt, ist gut. Darauf verlassen soll man sich nicht, man soll die Außengrenzen auch alleine schützen können."
Wenn die Türkei akzeptiere, dass die Flüchtlinge gar nicht erst nach Griechenland kommen sollten, sondern die Verteilung in der Türkei stattfinde, "dann wäre das diese Ordnung, die wir immer verlangt haben".
Mikl-Leitner bezog auf CNN Stellung
Innenministerin Johanna Mikl-Leitner bezog am Abend in der CNN-Sendung "Amanpour" Stellung zur aktuellen Flüchtlingskrise. Sie verteidigte einmal mehr den österreichischen Standpunkt und forderte die internationale Gemeinschaft zu mehr Hilfe auf. "Was tut der Rest der Welt?", war ihre Frage.
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