Live im Gasometer

The Sisters Of Mercy demontierten eigene Legende

Musik
14.03.2016 09:09

Wenn die legendären Sisters Of Mercy auf Konzertreise gehen, erwartet die treuen Fans bekanntermaßen ein Auftritt, der zwischen durchschnittlich und schlecht pendelt - die wenigen Ausreißer nach oben nicht inbegriffen. Sonntagabend wurde ca. 1100 Leuten im Wiener Gasometer eine mehr als biedere Vorstellung einer Legende geboten, die sich still und leise selbst demontiert.

(Bild: kmm)

Stellen Sie sich vor, Sie sind Josef Hickersberger und nominieren Toni Polster, Peter Artner und Robert Pecl für das nächste Fußball-Großereignis. Stellen Sie sich vor, Sie wären am Berliner Potsdamer Platz und Pink-Floyd-Legende Roger Waters zelebriert vor Ihren Augen mit "The Wall" das bislang größte Rockkonzert der Geschichte. Stellen Sie sich vor, Franz Vranitzky startet kurz vor Weihnachten in seine dritte Amtszeit als österreichischer Bundeskanzler. Und jetzt stellen Sie sich vor, all das würde in der Gegenwart passieren. So oder so ähnlich müssen sich die Rocklegenden The Sisters Of Mercy fühlen, die seit mittlerweile 1990, dem Jahr, in dem oben angeführte Ereignisse passierten, kein neues Album mehr veröffentlicht haben.

Ausnahmen und Regeln
Der exzentrische Frontmann Andrew Eldritch tingelt seitdem mehr oder weniger erfolgreich mit seiner eigenen Legende durch Europa, vertraut dabei wechselnden Mitstreitern und lässt die 15 Jahre, die einst Guns N' Roses zwischen zwei Studioalben verstreichen ließen, lächerlich erscheinen. Treue Fans sind das große Leiden mittlerweile gewohnt, denn von zehn Livegigs gehen neun in die Hose, wie der langjährige Anhänger Georg im Wiener Gasometer sinngemäß erklärt. Die eine große Ausnahme, und da sind sich überraschend viele Sisters-Lunatics einig, war der letzte Auftritt im Mai 2014, wo von Setlist über Performance bis hin zum Sound eigentlich alles passte.

(Bild: Andreas Graf)
(Bild: Andreas Graf)
(Bild: Andreas Graf)

Da die Ausnahme von der Regel eben doch immer nur die Ausnahme ist, hat sich der Sonntagabendauftritt dann doch wieder würdig in die Riege der "gängigen" Sisters-Konzerte eingereiht. Kurz zusammengefasst bedeutet das: Miserabler Sound, schlechte Tonabmischung, kaum bis nicht vorhandene Bühnenpräsenz und gesangliche Mängel. All das im Übermaß. In einem weißen Hoodie und mit einer neongelb-getapten Hand auf die Bühne schreitend, passt sich Eldtritch mit außerirdisch-wankelmütigen Bewegungen den dubiosen Weltuntergangstexten an. Beim ersten Song "More" hört man kaum seine Stimme, ab "Ribbons" und "Crash And Burn" wird der Frontmann zwar besser ins Bild gerückt, doch der Bass und die hämmernden Beats von Drumcomputer Dr. Avalanche zermatschen den ohnehin sehr dürftigen Gasometer-Sound zu einem einzigen Klangbrei.

Verwaschene Songs
Hinter üppigen Nebelschwaden, flankiert von Stroboskop-Licht und grellen Spots, schreitet Eldritch die Bühne auf und ab, gibt nur zu gerne den leidenden Erzählpapst, wirkt mit seinem eigenwilligen und ganz und gar nicht zum Sound passenden Outfit aber eher wie ein Hip-Hop-Veteran, der in einer Art Zwangsjovialität feststeckt. Die meisten Songs plätschern nichtssagend oder verwaschen aus den Boxen, selbst Kultnummern wie "Dominion/Mother Russia" oder "Flood I" werden vom unzulänglichen Klanggebilde ruiniert. Chris Catalyst und Ben Christo bemühen sich mit metallisch angehauchten Gitarrenriffs ab, werden aber ebenso brutal in den Hintergrund gemischt wie Eldritch selbst.

In diesen Momenten der Unzulänglichkeit wird so manch langjährigem Fan klar, dass die Weiterentwicklung der Band vor fast drei Dekaden stehen blieb und sich die Nostalgie nicht immer als süße Frucht offenbart. Vor allem dann nicht, wenn der größte Band-Hit "Temple Of Love" so grauenhaft verstümmelt und verformt wird, dass sich unweigerlich schockiert wirkende Fragezeichen auf den Gesichtern der Anwesenden türmen. Relativ ansprechende Versionen von "Vision Thing" und dem Abschlusssong "The Corrosion" können zumindest marginal versöhnen, doch in seiner Ganzheitlichkeit ist das Gothic/Dark Wave-Stelldichein kein Kult, sondern ein Schlag ins Wasser. Eine emotional-musikalische Bankrotterklärung einstiger Genrehelden. Geschichte wiederholt sich eben doch und das tut manchmal weh.

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