Molenbeek-Razzia

Paris-Terrorist Salah Abdeslam in Belgien gefasst

Ausland
18.03.2016 22:10

Der wegen der Pariser Attentate gesuchte Salah Abdeslam ist bei einer Razzia im berüchtigten Brüsseler Stadtteil Molenbeek gefasst worden, wie der belgische Staatssekretär für Asyl und Einwanderung, Theo Francken am Freitagabend bestätigte. Bei dem Großeinsatz wurden auch vier weitere Personen verhaftet, Abdeslam wurde bei einem Schusswechsel am Bein verletzt. Seine Ergreifung ist ein großer Erfolg für die Ermittler. Doch zugleich drängt sich die Frage auf, ob und warum sich der Terrorist monatelang in Belgien verstecken konnte...

Am Freitagnachmittag hatte die belgische Polizei unter Beteiligung zahlreicher Spezialeinheiten einen Großeinsatz in Molenbeek gestartet. Dabei stießen sie auf den gesuchten Terroristen Salah Abdeslam, der bei einer Schießerei mit den Einsatzkräften am Bein verletzt wurde, wie mehrere belgische und französische Medien unter Berufung auf Polizeikreise berichteten.

Medienberichten zufolge wurde Abdeslam angeschossen und in ein nahegelegenes Krankenhaus gebracht. Vier weitere Verdächtige wurden ebenfalls festgenommen, von ihnen wurde einer ebenfalls verletzt. Unter den Festgenommenen soll sich auch ein Komplize von Abdeslam befinden.

Der belgische Sender RTL zeigte TV-Bilder, welche die Verhaftung von Salah Abdeslam zeigen sollen. (Bild: APA/AFP/RTL BELGIQUE)
Der belgische Sender RTL zeigte TV-Bilder, welche die Verhaftung von Salah Abdeslam zeigen sollen.

Polizeieinsatz bis in die Abendstunden
Der Polizeieinsatz hatte sich bis in die späten Abendstunden gezogen, zwischendurch war sogar eine spezielle Hotline für die Anrainer in Molenbeek eingerichtet worden. Zahlreiche Bewohner wurden von den Einsatzkräften aus der Gefahrenzone evakuiert, immer wieder waren Schüsse zu hören. Detaillierte Informationen gegenüber der Presse waren mit Hinweis auf den laufenden Einsatz lange verweigert worden.

Am Abend waren in dem Stadtteil Medienberichten zufolge zwei Explosionen zu hören gewesen. Ob sie von Spezialeinheiten der Polizei oder von Terroristen verursacht wurden, wurde nicht bekannt gegeben. Auch von der Staatsanwaltschaft gab es dazu keine Angaben. Aufnahmen des belgischen Fernsehens zeigten maskierte Spezialkräfte, die den Eingang zu einer Straße in Molenbeek bewachten. Reporter berichteten, über dem Dach eines Gebäudes in der abgesperrten Zone sei weißer Rauch aufgestiegen. Gegen 21 Uhr wurde der Einsatz schließlich beendet und die Straßensperren wieder aufgehoben, wie vor Ort befindliche Journalisten auf Twitter berichteten. Lediglich das Gebäude, in dem sich Abdeslam aufgehalten hatte, blieb weiter abgesperrt.

Der Polizeieinsatz in Molenbeek am vergangenen Freitag (Bild: APA/AFP/JOHN THYS)
Der Polizeieinsatz in Molenbeek am vergangenen Freitag

Ein Video zeigt die Festnahme eines Verdächtigen. Unbestätigten Meldungen zufolge soll es sich dabei um Salah Abdeslam handeln:

Anrainer in Molenbeek wurden von den Einsatzkräften evakuiert. (Bild: AP)
Anrainer in Molenbeek wurden von den Einsatzkräften evakuiert.
(Bild: AP)
Bilder vom Anti-Terror-Einsatz in Molenbeek (Bild: AP)
Bilder vom Anti-Terror-Einsatz in Molenbeek
(Bild: AP)
(Bild: AP)
(Bild: AP)
(Bild: APA/AFP/JOHN THYS)
(Bild: AP)
Ein Rettungswagen verlässt den Einsatzort mit Blaulicht. (Bild: AP)
Ein Rettungswagen verlässt den Einsatzort mit Blaulicht.
(Bild: APA/AFP/BELGA/DIRK WAEM)
(Bild: APA/AFP/BELGA/DIRK WAEM)
(Bild: APA/AFP/JOHN THYS)
(Bild: AP)
Journalisten sind zwar vor Ort, das Gebiet ist aber großräumig abgeriegelt. (Bild: AP)
Journalisten sind zwar vor Ort, das Gebiet ist aber großräumig abgeriegelt.

Obama gratuliert Belgiens Premier
Bereits kurz nach Beginn des Einsatzes hatte sich Frankreichs Staatschef François Hollande in das Büro des belgischen Regierungschefs Charles Michel begeben. Hollande hielt sich wegen des EU-Gipfels zur Flüchtlingskrise in Brüssel auf. US-Präsident Barack Obama gratulierte Michel telefonisch am Freitagabend zur Verhaftung von Abdeslam, wie der Premierminister via Twitter mitteilte.

Charles Michel (li.) und Francois Hollande bei der Pressekonferenz nach der Festnahme. (Bild: APA/AFP/BELGA/THIERRY ROGE)
Charles Michel (li.) und Francois Hollande bei der Pressekonferenz nach der Festnahme.

Frankreich erwartet Auslieferung "so bald wie möglich"
Ab Freitagabend gaben Hollande und Michel zusammen eine Pressekonferenz, bei der Belgiens Premier zunächst die Verhaftung von drei Verdächtigen, einschließlich Abdeslam, bestätigte: "Dieser Abend ist ein Erfolg im Kampf gegen den Terrorismus." Hollande betonte, man erwarte, dass Belgien Salah Abdeslam "so bald wie möglich" nach Frankreich ausgeliefere. Die Zahl derjenigen, die sich an der Vorbereitung der Anschläge in irgendeiner Art und Weise beteiligt hätten, sei größer als zunächst angenommen.

Aufgabe der Ermittler sei es, alle zu identifizieren. "Diese Arbeit muss fortgeführt werden", sagte Hollande. "Wir sind mit extrem großen Netzwerken konfrontiert." "Diese Verhaftung ist ein wichtiger Schritt, aber nicht die endgültige Lösung", sagte der französische Staatschef im Bezug auf die Terrorismus-Problematik in Europa: "Unser Kampf ist noch nicht vorbei." Für Samstag kündigte er eine Sitzung des französischen Sicherheitsrats an.

Fingerabdrücke in Wohnung entdeckt
Ein Anti-Terror-Einsatz vor wenigen Tagen in Brüssel hatte die belgische Polizei auf die Spur des Islamisten geführt. In der durchsuchten Wohnung im Brüsseler Vorort Forest seien Fingerabdrücke von Abdeslam entdeckt worden, sagte ein Sprecher der belgischen Generalstaatsanwaltschaft am Freitag der Nachrichtenagentur AFP.

Schwer bewaffnete Polizisten in Molenbeek (Bild: APA/AFP/BELGA/JAN NAGELS)
Schwer bewaffnete Polizisten in Molenbeek
(Bild: APA/AFP/JOHN THYS)
(Bild: APA/AFP/BELGA/JAN NAGELS)
(Bild: APA/AFP/BELGA/JAN NAGELS)
(Bild: APA/AFP/BELGA/JAN NAGELS)
(Bild: APA/AFP/BELGA/JAN NAGELS)

Abdeslams Bruder unter Selbstmordattentätern von Paris
Abdeslam ist einer der Hauptverdächtigen der Anschläge vom 13. November in Paris. Er ist der Bruder des Selbstmordattentäters Brahim, der ebenfalls bei den Anschlägen dabei war. Er wurde am Donnerstag in einer zurückgezogenen Zeremonie in Brüssel beigesetzt. Abdeslam soll die Attentäter, die sich vor dem Stade de France in die Luft sprengten, mit einem Auto zu dem Stadion gefahren haben.

Womöglich sollte er sich auch selbst in die Luft sprengen: Im Pariser Vorort Montrouge wurde ein Sprengstoffgürtel gefunden, der ihm zugeordnet wurde. Nach den Bluttaten von Paris und Saint Denis gelang es Salah Abdeslam, mit zwei Begleitern auf dem Weg nach Belgien unbehelligt eine Polizeikontrolle zu passieren.

Salah Abdeslam steht derzeit wegen der islamistischen Terroranschläge 2015 in Paris vor Gericht. (Bild: AP)
Salah Abdeslam steht derzeit wegen der islamistischen Terroranschläge 2015 in Paris vor Gericht.


Versteckte sich Abdeslam monatelang in Brüssel?
Wie andere berüchtigte Islamisten auch ist Abdeslam im Brüsseler Stadtteil Molenbeek aufgewachsen. Er war der Polizei wegen Drogendelikten bekannt. Nach den Anschlägen von Paris wurde er per internationalem Haftbefehl gesucht. Fahnder beschrieben ihn als "gefährlich" und möglicherweise "schwer bewaffnet". Zwischenzeitlich war auch über einen Aufenthalt in Syrien spekuliert worden.

Seine Ergreifung ist ein großer Erfolg für die Ermittler. Doch zugleich werden sich die bereits in der Vergangenheit viel kritisierten belgischen Behörden unangenehme Fragen stellen lassen müssen. Denn sollte sich herausstellen, dass Abdeslam sich tatsächlich seit vier Monaten in Brüssel verstecken konnte, wäre das ein gewaltiges Versagen der Geheimdienste. So fragt etwa Twitter-User "Steven" anhand einer Karte von Molenbeek: "Ist das etwa die Route, die Salah Abdeslam in drei Monaten zurücklegte?"

Getöteter Verdächtiger half bei Anschlagsvorbereitung mit
Belgische und französische Polizisten hatten bereits am Dienstag im Zuge der Ermittlungen zu den Pariser Anschlägen eine Wohnung in Forest durchsucht. Dabei gerieten sie unter Beschuss. Vier Polizisten wurden verletzt, einer von ihnen schwer.Ein Verdächtiger wurde bei dem Schusswechsel am Dienstag getötet. Es handelte sich um den 35-jährigen Algerier Mohamed Belkaid, der sich illegal in Belgien aufhielt und den Behörden nicht bekannt war. Er soll gut zwei Monate vor den Anschlägen in Paris mit Abdeslam in Ungarn gewesen sein. Sie wurden damals auf dem Weg nach Österreich kontrolliert.

Neben der Leiche des Algeriers fand die Polizei eine Kalaschnikow samt Munition, eine Fahne der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat sowie ein Buch über den Salafismus. Belkaid habe sich unter dem falschen Namen Samir Bouzid an der Vorbereitung der Anschläge vom 13. November beteiligt, teilte die belgische Staatsanwaltschaft mit. Der belgische Sender VRT berichtete am Freitag, Belkaid habe auf Listen von Rekruten der IS-Miliz gestanden. Er habe sich als Selbstmordattentäter freiwillig gemeldet.

Video: So lief die Razzia am Dienstag in Brüssel ab

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