Der Fall Natascha Kampusch ist um ein brisantes Detail reicher: Wie ein deutscher Ex-Kriminalist in einem Buch enthüllt, habe ihr Entführer Wolfgang Priklopil den Alltag mit seinem Opfer, das acht Jahre in seiner Gewalt war, auf mehreren Videos festgehalten. Abschriften der Dialoge sollen demnach viele Gerüchte - etwa über angebliche Sexvideos - widerlegen. Die Inhalte wurden offenbar doch nicht - wie zuvor behauptet - mit Kampuschs Einverständnis verwendet.
Der Hamburger Autor und ehemalige Kriminalbeamte Peter Reichard hat einem Bericht der "Welt" zufolge ein Buch über Kampuschs Entführung 1998 und ihre 3096 Tage im Verlies geschrieben. Darin ist die Rede von umfangreichen Videoaufnahmen im Horror-Haus und dem Keller, wohin Priklopil Kampusch im Jahr 1998 als Zehnjährige entführte.
Aufnahmen von Weihnachten, Ostern und Geburtstage
Wie erst jetzt bekannt wurde, stießen die Tatortbeamten bei Durchsuchungen im Haus von Priklopil nach seinem Selbstmord am 26. August 2006 auf mehrere Videokassetten, die den Entführer mit Kampusch zeigen. Dabei soll es sich um Aufnahmen von Weihnachts- und Osterfeiern sowie Geburtstagen handeln. Auch eine Szene mit Turnübungen habe es laut Reichard gegeben. Die Filme seien dabei immer in den Räumlichkeiten im Haus gedreht worden.
"Demütig gehorchen. Immer lieb sein"
Sie würden aber auch den autoritären Umgang von Priklopil mit dem jungen Mädchen dokumentieren. So soll er die "Sklavin", wie er sie in den Videos nennt, die Stiegen rauf und runter gescheucht haben, oder er habe sie bis zur Erschöpfung Kniebeugen und Kopfstände machen lassen. "Demütig gehorchen. Immer lieb sein. Immer lieb gehorchen. Demütig sein", soll Priklopil in den Videos sagen und Kampusch öfters auch als "fett" bezeichnen.
Die "Welt" veröffentlichte mehrere Dialoge. Hier ein Beispiel: "Stell den Teller ordentlich ab. Abspülen! Die Eier!", befiehlt er. Sie hat Schnupfen, ihre Nase läuft. "Stopf die Nosn mit den Fingern zua. Rechts eine, links ausse." Sie bittet um ein Taschentuch. Er geht nicht darauf ein. Sie setzt sich und isst einen Teller mit Milch und Joghurt und abgezählten Körnern. Sagt etwas. "Red net so vül beim Essen. Das Essen muss man essen", belehrt er sie. Es klingelt an der Tür. Er reagiert nicht. Sie löffelt den Teller leer.
Bilder aus dem Kellerverlies:
Das Material ist noch streng unter Verschluss. Die mittlerweile 28-Jährige soll aber ihre Zustimmung, das Material öffentlich zu machen, gegeben haben. Dem widersprach Kampuschs Anwalt, Gerald Ganzger, am Montag. Demnach habe es "weder eine schriftliche noch eine mündliche" Erlaubnis von seiner Mandantin gegeben. Laut Ganzger hat Reichard Kampuschs "Vertrauen missbraucht".
Die Inhalte des Videos widerlegen laut Reichard alle bisher aufgetauchten (Verschwörungs)theorien im "Fall Kampusch". Mutmaßungen wie der Dreh von Sexvideos, oder Aufnahmen von Sadomaso- oder Vergewaltigungsszenen sollen nichts als Phantasien gewesen sein. Auch einen möglichen Komplizen Priklopils soll es nie gegeben haben.
"Sie hat immer die Wahrheit gesagt"
Ebenso wurde Priklopils Freitod immer wieder infrage gestellt. Im polizeilichen Endbericht von April 2013 wurde dazu jedoch festgehalten, es bestünden keine Zweifel am Suizid. Auch immer wieder behauptete Verstrickungen des Entführers in die Rotlicht- bzw. Pädophilenszene konnten nie nachgeweisen werden. Dagegen bestätigt Reichard, dass Kampusch bisher immer die Wahrheit über ihre Gefangenschaft gesagt habe.
"Das neue Buch zeigt, wie Kampusch vom willelosen Opfer zum stärkeren Part in diesem Zweikampf wurde", schreibt "Welt-Chefredakteur Stefan Aust im Vorwort des Buchs, das am 21. März im Riva Verlag erscheint.
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