Ein verstörender Beat, herunterhängende Zöpfe und gerappte Glorifzierung für Black-Metal-Bands - fertig war das Video zu "Metalkutte" und der Berliner Romano war plötzlich Gesprächsthema Nummer eins zwischen Boulevard und Feuilleton. In der Wiener Arena performte er unlängst vor ausverkauftem Haus, davor stand uns der stolze Köpenicker für ein sympathisch-lockeres Gespräch zur Verfügung, bei dem er durchaus klare Standpunkte vertrat.
"Krone": Romano, mit deinem neuen Album "Jenseits von Köpenick" startest du gerade überall durch. Deine ersten Texte schriebst du im zarten Kindesalter 1982, etwa zehn Jahre später hast du regelmäßig getextet.
Romano: Etwa 1990 habe ich viel zu texten begonnen und bereits 1996 für sechs Jahre meine erste Rockband gehabt, mit Plattenfirma und allem drum und dran. Ich hatte das Gefühl, die wollten uns damals in die Boygroup-Ecke drücken, aber wir wollten das nicht. Unser Sound war ein bisschen Alice In Chains, ein bisschen Suicidal Tendencies und auch etwas Rage Against The Machine. Das Label griff sich dann einen sanfteren Song, aber der hat uns als Band nicht wirklich wiedergespiegelt. Damals schrieb ich noch sehr viel auf Englisch.
"Krone": Von dir weiß man mittlerweile, dass du niemals Berührungsängste mit anderen Musikstilen hattest.
Romano: Genau. Als Kind war das schon noch so, aber als ich zur Wendezeit 1989/1990 sozialisiert wurde, saugte ich extrem viele verschiedene Sachen auf. Das war wie ein Kochtopf, der kochte und dann flog der Deckel weg. Die ganze Kreativität war so hoch und die jungen Leute im Osten waren einfach heiß auf neue Dinge. Gerade zu dieser Zeit entstand der Techno, der Black Metal erlebte seine zweite Welle, aus Schweden kam Death Metal und Thrash Metal aus Florida. Public Enemy revolutionierten den Hip Hop. Ich hatte einen sehr offenen Freundeskreis und daher war das total unkompliziert. Teilweise ging ich wirklich auf Techno-Partys und Metalkonzerte und habe gleichzeitig im Walkman Hip Hop gehört.
"Krone": Doch gerade in der Jugend sind die Menschen oft am Engstirnigsten. Da gibt es die Hip-Hop-Kids, die Heavy Metaller, die Techno-Jünger…
Romano: Das gab es natürlich auch, keine Frage. Erik, ein guter Freund von mir, hat 1988 einen Ausreiseantrag aus der DDR gestellt. 1990 habe ich ihn in Berlin-Spandau wiedergetroffen und da begann er bereits, die ersten Techno-Sachen aufzulegen. Er war eben DJ und nahm mich in die ganzen Clubs wie etwa den Tresor mit. Ich war eigentlich zu jung, aber die ganze Lack- und Latexfraktion war da drinnen und das hatte einen totalen Reiz. Techno hatte so einen bedrohlichen Maschinenlärm, der mich total faszinierte. Ganz besonders war damals der Bunker. Im ersten Stock waren die Uniformen- und Gasmaskenträger, riesige Waschmaschinen wurden umgebaut und als Heizung verwendet. Im ersten Stock war Gabber und ganz oben die Gangbang-Partys. Mit 14 oder 15 stand ich da irgendwo dazwischen und habe die Welt nicht mehr verstanden. Dieses leicht Bedrohliche hatte aber seinen Reiz.
Dann gab es die ganzen besetzten Häuser in Berlin - die Mainzer Straße, wo Nazis, Punks und Polizei aufeinandertrafen und alles eskalierte. Jedenfalls habe ich über Erik damals Henrik kennengelernt, der ein Metaller war. Ich kam in seine Wohnung und sah plötzlich Totenschädel als Aschenbecher, riesengroße Poster von Iron Maiden und Manowar und kam über seine Kassetten mit dem schwedischen Death Metal in Berührung, der auch einen Reiz für mich hatte. Erik und Henrik waren auch Freunde, also war das auch okay. Es gab dann noch die Hip-Hop-Jungs und in der Schule welche, die Rolling Stones hörten. Wir waren auf Entdeckungsreise und hatten einfach Bock auf alles. Natürlich haben sich Metaller mit Hip Hoppern geprügelt, aber mein Umfeld war extrem offen und locker drauf.
"Krone": Mit deinem Hit "Metalkutte" musstest du aber fast Angst haben, die verschiedenen Fronten gegen dich aufzubringen.
Romano: Eigentlich muss einem das doch scheißegal sein. Wenn man jetzt permanent denkt, dass man von Metal und Hip Hop angefeindet wird, dann kann man sich einschließen und die Genres 1:1 zu bedienen. Mir war immer schon egal, was die Leute von mir denken, weil ich nur über mich selbst sang. Ich zähle in dem Song Bands auf, die ich sehr gerne höre und mag und der Gedanke war so, dass mein Kumpel Siriusmo, den ich etwa 1996 kennen lernte, 2014 den Beat zu diesem Track schickte. Ich hatte da gerade eine alte Satyricon-Scheibe im Player und dachte dann, dass die Rapper doch immer gerne über Leute rappen, die sie gerne hören, sie beeinflusst haben. Ich wusste dann, dass ich das mit Metal mache. Es gab ja auch Bands wie Aerosmith mit Run DMC, Anthrax oder Body Count, die Stile vermischten. Damit konnte ich zwei Fliegen mit einer Klappe verbinden, ich fand das perfekt. Ich bin zudem großer Tanzfanatiker und habe dann zu den Tänzern im Video gesagt, dass sie nicht nur headbangen, sondern richtig choreografisch tanzen sollen. Ich stieß damit verschiedenste Welten auf und bin sehr zufrieden damit.
"Krone": Du stößt textlich sehr viele Welten auf. Es geht um Kapitalismuskritik, um Beziehungen und es gibt unter anderem den "schönen General". Hast du die Themen bewusst so breitflächig angelegt?
Romano: Ich bin einfach am Leben interessiert. Wenn du durch die Straße läufst, rennst du ja nicht immer an derselben Mülltonne und derselben Bank vorbei, sondern entdeckst auch neue Sachen. Ich wäre gelangweilt, würde ich vier- oder fünfmal dasselbe Thema besingen, immer die gleichen Metal-Boots anziehen oder mir eine 80er-Dauerwelle verpassen. Ich interessiere mich für dunkle Literatur und Romantik und "Metalkutte" war einfach eine Welt, die für mich abgeschlossen ist. Genauso wie "Brenn die Bank ab", da war ich einmal politisch und dann war es das. Was mir gerade zufliegt, das verpacke ich dann als Song. Bei den 13 Songs auf dem Album gibt es wirklich eine bunte Mischung. Da haben wir vom Schlageresken bei "Romano & Julia", wo es um kurzlebige Beziehungen geht, bis hin zu "Immun", wo es um mein Leben geht und die Zeit keine Rolle spielt, alle möglichen Themenkomplexe. Heute ist alles so gehetzt und man muss auch mal zur Ruhe kommen. Geht es wirklich nur um Geld? Oder steckt tief im Inneren noch etwas anderes in dir?
"Krone": "Brenn die Bank ab" ist eine klare Kritik an das kapitalistische System. Kann man das glaubhaft rüberbringen, wenn man selbst recht erfolgreich ist und gut Geld verdient?
Romano: Man hat die Möglichkeit als Sprachrohr zu agieren und erreicht mit der Message mehr Leute. Ich bin in Köpenick auf die Straße gegangen und sehe Rentnerinnen im Alter von 65 bis 70, die mit ihren Enkeln abends in der Dunkelheit zu den Mülltonnen gehen, um nach Pfandflaschen zu suchen. Die haben nach dem Krieg als Trümmerfrauen die Häuser wieder aufgebaut, sich den Arsch abgearbeitet und sich eine ordentliche Rente verdient. So etwas regt mich einfach auf, gerade wo erzählt wird, dass Deutschland so ein reiches Land ist. Auf der anderen Seite haben wir die Bankenblase mit Zahlen, die man nicht begreifen und die die Erde gar nicht erwirtschaften kann. Bei diesen Themen fiel mir einfach der Slogan "Brenn die Bank ab" ein.
Das ist auch ein Gedanke, der vom Black Metal geprägt ist. Oben in Norwegen ist es natürlich so, dass damals ein Widerstand da war aus alten Konventionen auszubrechen und zu sagen: "Moment mal! Hier werden auf heidnischen Plätzen, die damals heilig waren, Kirchen draufgebaut". Diese schönen Stabkirchen sind ja 1000 Jahre alt und man denkt schon, die kann man nicht abfackeln. Aber andererseits wollte man auch ein Zeichen setzen. Auch wenn irgendwo der erste McDonalds aufmacht und die Bude abgebrannt wird oder man Steine wirft - dieses Rebellische, das der Mensch in sich trägt, das trage ich als Kind der Wende auch in mir. Durch die zwei Gesellschaftsformen, die ich erlebt habe, bin ich dadurch geprägt. Mein eingeheirateter Opa, der 101 wurde, hat die Kaiserzeit, die Weimarer Zeit, die Nazizeit, die DDR-Zeit und die jetzige Gesellschaft erlebt. Der sagte immer, dass ich mich nicht von der Gesellschaft um mich herum abhängig machen, sondern lieber meinen eigenen Weg finden soll.
"Krone": Ist das auch s bist du eben der "schöne General", der sehr maskulin auftreten kann, andererseits bist du Hobby-Ballettänzer. Du spielst mit den unterschiedlichsten Rollen.
Romano: Der General ist jemand, der adrett gekleidet ist. Ich liebe Parfum, das Tanzen und ein schönes Äußeres. Andererseits geht es darum, alle Facetten abzudecken - charmant, dominant, markant. Er hat eine weibliche Art und Weise, mit den Dingen umzugehen, ist andererseits aber auch Mann. Wir alle haben weibliche und männliche Hormone in uns und machen viele Sachen aus Klischeegründen nicht. Ich gehe aber seit zwei Jahren zum Ballett, weil es mir Spaß macht. Ein anderer macht eben Kraftsport, geht zum Reitunterricht oder lernt Tauchen. Wenn jemand mit 60 noch Klavier lernen will, warum denn nicht? Wir probieren alle immer, uns zu begrenzen, aber wenn uns morgen ein Ziegel auf den Kopf fällt und wir haben Dinge nicht gemacht, die wir machen wollten, was ist dann? Das will auch keiner.
"Krone": Gerade im Hip-Hop- und Rap-Bereich, in dem du zu verorten bist, gibt es die männliche Klischeerolle zuhauf. Kämpfst du da auch bewusst dagegen an?
Romano: Überhaupt nicht. Ich bin bloß gelangweilt, wenn jemand ein Album mit 15 Songs rausbringt und immer nur die gleiche Thematik darauf zu hören ist. Dann hast du noch mehr Geld verdient, noch mehr Autos geleast und fährst noch einmal quer durch die Welt. Was ist die Aussage? Natürlich kannst du einen Song darüber machen und das Leben so feiern wie es ist, aber wenn du permanent diese Leier hörst, entfremdest du dich von deinen Mitmenschen. Du willst damit nur zeigen, was du hast. Mir geht es um die Nächstenliebe, zu sehen, wie man mit dem Menschen auskommt und einen gemeinsamen Nenner finden. Die Gesellschaft ist schon untereinander immer so auf Feindbild und Abgrenzen aus, da muss ich nicht mitmachen. Bei meinen Konzerten hast du Metaller, Hip-Hopper, Gothic-Girls, Heterosexuelle, Homosexuelle und Familienväter mit Kindern. Wenn ich es bloß für zwei Stunden schaffe, eine verbindende Wirkung heraufzubeschwören, habe ich schon eine Menge geschafft.
"Krone": Jeder kriegt momentan mit, wie die Rechtslastigkeit in Deutschland und Österreich steigt und das es aufgrund der Flüchtlingssituation in unseren Ländern rumort. Ist das auch ein Themenbereich, den du aufgreifen würdest?
Romano: Ich habe dieses Thema in den ganzen Songs schon mit drinnen. Der Punkt ist folgender - die Menschen zeigen immer auf den anderen. Das sind die Bösen. Das ist das Feindbild. Links, rechts, egal was und wir vergessen dabei die Basis. Wir können nicht mehr zuhören, weil wir das nicht wirklich gelernt haben. Wir sind nicht in der Lage, miteinander zu kommunizieren. Es gibt genügend Leute, die sich falsch verstanden und nicht gehört fühlen und daher in die Extreme abdriften. Dann gibt es natürlich die Rattenfänger, die nur auf solche Leute warten. Deutschland ist ein Riesen-Waffenexporteur und liefert gerade in alle Krisenländer Waffen und auf der anderen Seite wird die heile Welt vorgespielt. Auch hier muss man hinterfragen, was gerade abläuft. Ich bin jemand, der einfach versucht keine Feindbilder zu sehen, sondern verstehen will, warum sich gewisse Dinge entwickeln, wie sie sich eben entwickeln. Wenn der Staat nicht in der Lage ist, den Menschen zuzuhören und Bürgern keine Perspektive gibt, driften die leider oft genau in ein Extrem ab, wo die Demagogen ansetzen. Das ist schade, weil man es vermeiden kann, aber wahrscheinlich gibt es auch genügend Politiker, denen schon die Bevölkerung scheißegal ist.
"Krone": Du hast unter anderem als Cornerboy, Left Coast oder Dayton The Fox schon mehrere Alter Egos gehabt - ist das derzeitige quasi der Endpunkt? Hast du hier deine persönliche Heimat gefunden?
Romano: Ob es das Ende ist, weiß man ja nicht. Eigentlich geht immer alles weiter. Wer weiß schon, was in zwei Jahren ist? Ich versuche das zu verbildlichen. Jedes Projekt ist ein eigenes Schiff. Es gibt verschiedene Größen, je nachdem, wie viel Zeit man für eines aufgewendet hat. Und dann gibt es einen Hafen und der heißt Romano. Da findet derzeit eine Megaparty statt und vielleicht fahren ein oder zwei Schiffe von dort wieder los, vielleicht wird auch mal ein neues gebaut. Der Romano ist aber derzeit der Hafen, wo das feiern Spaß macht.
"Krone": 2009 hast du mit "Blumen für dich" eine Schlager-EP veröffentlicht und gehst sehr offen damit um.
Romano: Wie bescheuert wäre es denn, würde ich es verleugnen und dann kommt es raus? Mit allen Dingen, die ich im Leben gemacht habe, bin ich fein raus. Das sind alles Teile von mir. Auch bei Romano habe ich Momente auf dem Album, wo der alte Schlagersänger wieder mal ausbricht und vielleicht kommt auf dem nächsten Album eine komplette Schlagernummer - wer weiß? Ich werde die Fühler weiter ausstrecken, interessiert sein am Leben und Nächstenliebe aussenden. Das ist meine Aufgabe.
"Krone": Den Schlager würdest du wieder unter dem Namen Romano machen?
Romano: Schon, zumindest ein, zwei Songs, wie die Laune gerade ist. Ich bin selber gespannt, weil ich noch nicht weiß, wohin der Weg führt.
In erster Linie noch einmal nach Österreich, denn Romano wird im Juni auch beim Nova Rock Festival auf der Bühne stehen. Tickets für die Veranstaltung erhalten Sie unter www.novarock.at.
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