"Krone"-Interview

The Lumineers: “Obama ist unser größter Fan”

Musik
04.04.2016 10:56

Die Single "Hey Ho" landete in Österreich auf Platz fünf der Charts, das nachfolgende "Stubborn Love" rotiert noch heute im iPod des US-Präsidenten Barack Obama. Den US-Folk-Rockern The Lumineers gelang vor vier Jahren ein Kickstart in die Musikwelt. Für den nun erscheinenden Nachfolger "Cleopatra" hat sich das Trio lange Zeit gelassen und viel reflektiert. So wie auch im ausführlichen Gespräch mit der "Krone".

(Bild: kmm)

"Krone": Wesley, schreibt ihr konstant an den Songs? Wann kommen euch die Ideen zu den Texten?
Wesley Schultz: Die Ideen kommen einem schubweise, glücklicherweise immer dann, wenn man sie braucht. Ich schreibe eigentlich den ganzen Tag vor mich dahin, aber das muss nicht immer zwingend mit Musik zusammenhängen - ich liebe es einfach, zu schreiben.

"Krone": Die Lyrics wirken bei euch so natürlich und glaubhaft - fließt das automatisch so locker aus euch raus, oder ist dafür eine gewisse Anstrengung notwendig?
Schultz: Auf "Cleopatra" haben wir anders als auf dem Debüt gearbeitet. Ich muss immer an Leonard Cohen denken, der gesagt hat, dass man oft Monate für einen einzelnen Satz braucht - damit kann ich mich ziemlich gut identifizieren. Die Single "Ophelia" war einfach nur ein Demo, wo wir dann einen Text draufpressten, der dann auch gleich saß. Man kann durchaus sagen, dass das in diesem Fall eine Art von Magie hatte. "My Eyes" verlief ähnlich, wohingegen mich der Song "Cleopatra" bereits seit 2012 in Anspruch nahm.

"Krone": Bei euch hat man auch auf der Bühne das angenehme Gefühl, dass alles seinen Platz hat, nichts zu viel ist und euch überbordender Pathos fremd ist. Wollt ihr bewusst so wahrgenommen werden?
Schultz: Es kommt schon vor, dass bei uns die sogenannten "großen Momente" nahen, aber ich bin eigentlich kein großer Fan davon. Ich selbst will Sänger hören und sehen, die keine bloße Show abziehen, sondern Ehrlichkeit und Ernsthaftigkeit transportieren. Der Ausdruck muss einfach passen und die Stimme unterstützt den Song.

"Krone": Kommen wir zu einzelnen Songs - handelt die Nummer "Sleep On The Floor" etwa von euren frühen Erfahrungen? Dass ihr etwa ohne Geld auf schäbigen Böden übernachten musstet, wenn ihr auf Tour wart?
Schultz: (lacht) Das kommt durchaus hin. Dieser Song hat stark damit zu tun, als ich damals ein Jahr lang in Brooklyn lebte. Diese Erfahrung war ziemlich frustrierend, weil die meisten Gleichaltrigen um mich herum volle Bankkonten hatten, was mir immer fremd war. Das lag wohl mehr an deren Eltern als ihnen selbst. Ich habe nebenher immer gearbeitet und führte das Leben meiner musikalischen Helden. Die haben auch alle normal gejobbt und wenn ein gutes Tourangebot kam, dann kündigte man dafür eben. Die Zeit war einfach irre. Ich hatte drei Jobs und war in sechs Bands und hatte keine Ahnung, wie ich dort überleben sollte - das hat irgendwie keinen Sinn gemacht. Der Song ist im Prinzip zweigeteilt. Einerseits geht es eben um die Leute, die ihren Eltern auf der Tasche liegen und prahlen und andererseits darum, dass man dort weg möchte, weil die Gegend deine Träume tötet. Für uns als Band war dann eben der Wechsel nach Denver notwendig, doch auch das ist zu überdenken, weil dort immer alles teurer wird. (lacht) So wie eben damals in Brooklyn.

"Krone": Ist der "Gun Song" explizit politisch?
Schultz: Durchaus, ja. Das vergangene Jahr war nicht nur in den USA, sondern auch im Rest der Welt wahnsinnig wegbereitend. Präsident Obama musste unzählige Begräbnisse für Menschen ausrichten, die aufgrund von Waffengewalt verstarben. Der Titel sollte bereits genug Interpretationsspielraum geben, auch wenn sich der Inhalt nicht unbedingt darauf bezieht.

"Krone": Obama ist einer eurer größten Fans, weil er eure alte Hit-Single "Stubborn Love" auf seinem iPod hat. Seid ihr stolz darauf, ist euch so etwas wichtig?
Neyla Pekarek: Auf jeden Fall. (lacht) Wir hatten in den letzten Jahren so viele Höhepunkte und jeder einzelne ist für uns immer noch total surreal. Die Grammys, Saturday Night Live und dann auch noch Obama, das ist sicher unser coolster Fan. Zudem ist das auch dadurch ein großes Kompliment, dass Obama eine verdammt gute Playlist auf seinem iPod hat. (lacht)

"Krone": Ist das neue Album eigentlich nach der legendären Kleopatra, einer der majestätischsten Figuren der menschlichen Geschichte, benannt?
Schultz: Als ich den Charakter erstmals genauer sah und für das Album und den gleichnamigen Song verwendete, wusste ich sofort, dass ich ihn auf meine eigene Art und Weise zum Leben erwecken müsste. Einerseits ist sie aus der Historie so eine starke, bewaffnete Frau, die ihren Weg beschritt und keine Kompromisse einging, andererseits war ihr immer klar, dass nicht alles perfekt und märchenhaft ist. Ihre Rolle konnte eben auch ein Fluch sein und nicht nur Segen. Die Person, um die sich der Song tatsächlich dreht, habe ich aber persönlich getroffen und sie ist sehr ebenfalls stark und mächtig.

"Krone": Angenehmerweise ist euer Album im Gegensatz zu den meisten Alben der Gegenwart alles andere als überproduziert.
Schultz: Wir hatten rund um Simon Felice ein tolles Produzententeam und mit Ryan Hewitt einen hervorragenden Engineer. Ryan erfüllte die Rolle des Wissenschaftlers, Simon war eine Art Magier und wir streuten unsere Ideen rein - offensichtlich hat die Kombination geklappt. Dass das Album so reduziert klingt, liegt wohl auch an uns als Persönlichkeiten. Wäre es anders, dann auch nur aus Zufall.

"Krone": Gibt es eine bestimmte Botschaft, die ihr mit dem Gesamtpaket aus Musik, Artwork, Produktion, Texten und Performing auf der Bühne abliefern wollt?
Jeremiah Fraites: Wir wollen das Album natürlich verkaufen, es aber auch als kompakte Form der Musik wieder populärer machen. Du sollst es am besten auf einer längeren Autofahrt am Land hören können, der Fokus ist nicht wirklich auf Singles und schnöde Verkaufszahlen gelegt. Wir haben lange und hart daran gearbeitet, uns so zu präsentieren, wie wir eben sind. Das gleiche gilt für die Livekonzerte, denn unsere Fans sind nicht für ein oder zwei Songs da, sondern für das ganze Erlebnis. Wir überlegen uns wirklich immer lange und akribisch, was auf unsere Setlist kommt und wie sie arrangiert ist.

"Krone": Gibt es so etwas wie einen roten Faden, ein zusammenhängendes Ganzes, das durch alle Texte läuft?
Schultz: Ich habe die letzten Wochen oft darüber gesprochen und es gibt wohl mehrere solcher Fäden. Einer der stärksten, der bei "Ophelia" beginnt und sich in Songs wie "My Eyes" weiterzieht, ist jener, der sich mit unserer eigenen, natürlichen Veränderung befasst. Unsere Umwelt hat sich in den letzten Jahren verändert und das beeinflusst dich unweigerlich. Wir mussten uns erst an diese neue Umgebung und den Weg, wie uns die Menschen nun behandeln, akklimatisieren. Das klingt jetzt vielleicht etwas bizarr, aber wir müssen aus künstlerischer Sicht auch um unsere Identität kämpfen. Es ist manchmal so, als ob du in einem wilden Whirlpool wärst, dich aber nicht von deiner Grundstellung wegbewegen möchtest.

"Krone": War die Zeit für euch als Band nach dem unerwarteten Riesenerfolg des Debütalbums denn schwieriger?
Pekarek: Wir haben auf jeden Fall mehr Zeit miteinander verbracht, als wir geahnt haben. (lacht) Es ist aber egal, mit wem du 300 Tage des Jahres verbringst, hie und da kann es da immer mal etwas krachen. Wir haben im Laufe der letzten Jahre viele Bands getroffen und ich bin mir sicher, dass wir zu der Garde der Besonnenen zählen, die auch miteinander reden kann. (lacht) Nach dem großen Erfolg war es so, als ob wir in einem Tunnel wären und jetzt für immer touren müssten. Wir benötigten dann dringend Zeit für uns alleine, bei uns zuhause und unseren Familien. Das war unerlässlich, um wieder zurückzukommen.

"Krone": Dass ihr damals nach Denver gezogen seid, ist immer noch sehr außergewöhnlich. Wäre es nicht logischer gewesen, nach Kalifornien zu gehen, wo das ganze Musikgeschäft sein Zuhause hat?
Schultz: Nein, das denkst du oder? Kann ich auch nachvollziehen, aber so toll ist es auch nicht. Die ganzen Filmemacher und Schauspieler leben alle an den schönen Küsten zum Ozean, aber Musiker sind nicht so ortsgebunden wie die Hollywood-Stars, wir können unserer Kunst überall nachgehen. Denver liegt so zentral, dass du gleichzeitig zur West-, als auch zur Ostküste fahren kannst und wir sahen uns schon immer als Band, die nicht einer Küste zugerechnet werden soll, sondern von einer guten Basis aus überall hingehen kann. Dass wir einfach weg mussten, um irgendwo aufzutreten, hat uns auch geformt - viele andere Künstler brauchen ja nur in den Laden ums Eck. In New York hast du Boston, Philadelphia etc. und du kommst nie aus deinem natürlichen Habitat raus, das war mir zu wenig. Wie viele andere habe auch ich die Erfüllung meiner Träume in New York gesucht, nur um draufzukommen, dass sie dort nicht realisierbar sind. Manchmal wünschte ich mir, jemand hätte mir das schon früh genug gesagt, andererseits habe ich aber auch viel daraus gelernt. Jeremiah und ich sind vor etwa sechs Jahren nach Denver gezogen, die Mieten sind seither auch gewaltig angezogen und von den einstigen Vorteilen ist wenig übrig. Du findest dort aber immer noch viele großartige Künstler und das Leben dort ist einfach etwas ungezwungener und freier.

"Krone": Bemerkt ihr geografische Unterschiede als Musiker auch bei euren Fans? Dass etwa Europäer stärker in eurem Sound verhaftet sind als Amerikaner oder umgekehrt?
Pekarek: Das unterscheidet sich eigentlich von Konzert zu Konzert. Wirklich verrückt war für mich, dass die Fans in Japan unsere Songs Zeile für Zeile mitsingen konnten, obwohl die Sprache so anders ist als unsere. Die Städte unterscheiden sich für gewöhnlich aber immer.

"Krone": Dass die Leute eure Songs mittlerweile auswendig können, ist das für euch ein Zeichen, dass ihr es damit endgültig geschafft habt?
Schultz: Wenn du so etwas erlebst ist es sicherlich etwas schwieriger, wieder so richtig hungrig zu sein. Die Medien haben uns nach dem Debütalbum überall hochgehoben und wir bekamen oft schon vor unseren allerersten Auftritten in diversen Ländern riesige Vorschusslorbeeren. Die Leute waren teilweise so dankbar, dass wir kommen und wir fühlten uns dadurch extrem geehrt. Wir haben aber damals so viel getourt, dass wir irgendwann ausgebrannt waren und unbedingt auch neues Material schreiben mochten. Jetzt sind wir hoffentlich im richtigen Rhythmus angekommen, dass sich beides gut verbinden lässt. Diese Band zu gründen und auf diesem Niveau zu halten, ist wirklich verdammt viel Arbeit, aber ich denke, wir sind heute wesentlich nachhaltiger. Es ist aber manchmal wie ein Bootcamp. Du weißt, dass du das in dieser Intensität nicht für immer machen kannst, außer du bist vielleicht Bob Dylan. (lacht)

"Krone": Was ist die Essenz eines Songs der Lumineers? Was ist entscheidend dafür, dass ihr alle in der Band am Ende happy seid?
Fraites: In einer perfekten Welt würden die Leute einfach genau verstehen, warum wir einen Song genau so arrangiert haben und weshalb wir welche Instrumente verwendet haben. "Ophelia" zum Beispiel ist ein klarer Piano-Song, der von dieser Emotion lebt. Mir wäre einfach wichtig, dass die Leute vom Album und der Gesamtheit ebenjenes reden würden. Natürlich wird es Leute geben, die sich über die Singles unterhalten und uns damit definieren, das ist auch okay, aber glücklich wäre ich, wenn man uns und unser Gesamtwerk schätzen würde. Wenn jemand die gleiche Schönheit wie du selbst im Produkt sieht, dann ist das ein rarer, aber umso schönerer Moment.

Wer die Lumineers mit ihrem großartigen neuen Album "Cleopatra" live sehen möchte, der sollte heuer das traditionsreiche Frequency Festival von 18. bis 20. August in St. Pölten besuchen. Tickets und Infos gibt es unter www.frequency.at.

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