Rund 40 Identitäre haben am Donnerstag gegen 21 Uhr eine Aufführung des Elfriede-Jelinek-Stücks "Die Schutzbefohlenen" im Audimax der Wiener Universität gestört. Sie stürmten die Bühne und entrollten Transparente und Fahnen, wie der frühere Wiener Grün-Politiker Klaus Werner-Lobo berichtete. Nach einem Gerangel sei es gelungen, sie wieder hinauszudrängen - und die darstellenden Flüchtlinge entschlossen sich, weiterzuspielen.
Der Saal des Audimax war laut Werner-Lobo mit 700 Personen voll besetzt. Wie Polizeisprecher Thomas Keiblinger am Freitag erklärte, habe die Aktion sieben Minuten gedauert, dabei sei es zu einem Handgemenge gekommen. Beim Eintreffen der Polizei war die Aktion bereits vorbei, seither läuft die Suche nach den 40 Personen, von denen laut den Ermittlern inzwischen vier identifiziert sind. In acht Fällen wurde Anzeige wegen Körperverletzung erstattet, in vier weiteren Fällen wegen "Störung einer Versammlung".
Die Identitären warfen bei ihrer Aktion auch Flugblätter mit dem Text "Multikulti tötet" ins Publikum und verspritzten Kunstblut. Nach einem Gerangel gelang es einigen Zusehern, die Rechtsextremen hinauszudrängen. Diese erklärten, ihre Aktion habe sich gegen "Heuchler im Publikum und in der Politik gerichtet". Auch die Autorin des Stückes, Elfriede Jelinek, "und ihre scheinheiligen Theaterstücke, die niemals die Opfer auf europäischer Seite zeigen", wurden verbal angegriffen.
Am Freitag kündigten die Identitären weitere Aktionen an: "Es gibt keine ruhige Minute für die Profiteure des Bevölkerungsaustausches mehr! Identitäre bleiben solange aktiv, bis sie aus den Parlamenten, Redaktionen und Fernsehstudios verschwunden sind!"
Polizei blieb bis zum Ende der Vorstellung im Audimax
Im Zuge der Alarmfahndung waren elf Funkstreifen der Wiener Polizei und der WEGA im Einsatz. Drei Personen seien im Bereich der Universität angehalten und ihre Identität festgestellt worden, außerdem werte die Polizei zahlreiche Handyvideos des Vorgangs aus, so Keiblinger. Bis zum Ende der Vorstellung, die nach der Unterbrechung fortgesetzt wurde, seien Polizisten im Saal geblieben.
Flüchtlinge als Darsteller
Die Darsteller des mit dem Nestroypreis ausgezeichneten Stücks "Die Schutzbefohlenen" waren Migranten aus Syrien, Afghanistan und dem Irak. So wurde das Drama auch nach einem Konzept und unter der Regie von Tina Leisch und Bernhard Dechant unter dem Titel "Schutzbefohlene performen Jelineks Schutzbefohlene" gegeben.
Politiker über Bühnensturm empört
Mit Entsetzen reagierten politische Vertreter auf den Bühnensturm. Kulturminister Josef Ostermayer "lehnt den Übergriff zutiefst ab" und ist "schockiert". Er erwartet sich nun von allen Parteien "eine klare Haltung und Positionierung". Es dürfe "kein Wegschauen, kein Akzeptieren und kein Verharmlosen" geben. Auch die Grünen zeigten sich empört. "Die rechtsextremen Provokationen der sogenannten Identitären werden immer mehr zum Problem", sagte der stellvertretender Klubobmann Albert Steinhauser. Gezielte Aktionen wie Saalstürmungen seien Methoden, die man aus der Zeit des Nationalsozialismus kennt. "Alarmiert" zeigte sich auch die Klubchefin der NEOS Wien, Beate Meinl-Reisinger: "Dieser Vorfall ist inakzeptabel und weckt beängstigende Assoziationen."
Auch SPÖ-Präsidentschaftskandidat Rudolf Hundstorfer reagierte empört auf den Bühnensturm. Solche Aktionen seien ein "Alarmzeichen", sagte er. Mitverantwortlich machte er die FPÖ, die mit ihrer Politik den Nährboden für solch rechtsextreme Gruppen bereite. Die Stadt Wien lud als Reaktion auf den Vorfall das Ensemble der "Schutzbefohlenen" zu einer Aufführung ins Wiener Rathaus ein. Bürgermeister Michael Häupl und Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou sprachen die Einladung gemeinsam aus.
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