Friedensvertrag naht
In Kolumbien sollen nun die Waffen schweigen
Im südamerikanischen Kolumbien bahnt sich nach 50-jährigem Blutvergießen ein Wunder an: Der Friedenvertrag zwischen der Regierung und der Terrorgruppe FARC steht kurz vor dem Abschluss. Bisher forderte der Bürgerkrieg im Land mehr als 220.000 Todesopfer. Ein Lokalaugenschein von "Krone"-Redakteur Christian Hauenstein.
Chile, Brasilien, Argentinien, Uruguay, Peru - es ist noch nicht lange her, dass in weiten Teilen Lateinamerikas fast immer rechtsgerichtete Militärdiktaturen an der Macht waren, die mit tödlicher Gewalt gegen Andersdenkende vorgingen. Linksextreme Terrorgruppen wie etwa der extrem brutale "Leuchtende Pfad" in Peru oder die FARC in Kolumbien waren in der Wahl ihrer Mittel aber ebensowenig zimperlich.
Gewalt, Drogenhandel, Entführungen
Gewalt einzusetzen, um politische oder wirtschaftliche Ziele zu erreichen, hat in Südamerika eine sehr lange Tradition. Sie kommt noch aus der Zeit der spanischen und portugiesischen Conquistadores, die in ihrer Gier nach Gold und anderen Bodenschätzen die Indios wahllos abschlachteten. Bis heute verschwimmt die Grenze zwischen politischer und krimineller Gewalt, zwischen Drogenhandel, Entführungen und angeblich hehren politischen Zielen.
Einer der Gründe für die teils bis heute verbreitete Gewaltbereitschaft - man sehe sich nur die Brutalität der mexikanischen Drogenkartelle oder die Situation in der gefährlichsten Stadt der Welt, Venezuelas Hauptstadt Caracas, an - liegt im Erbe der Kolonialzeit, sowohl in der Gewalttradition, als auch in der Tatsache, dass in den meisten Ländern eine kleine Schicht von Großgrundbesitzern über die landlose Bevölkerung herrschte. Um sich abzusichern, hielten sich die Herrschenden Milizen, die sich aber oft gegenseitig bekriegten.
In Kolumbien etwa, wo bis heute nur etwas mehr als ein Prozent der Bevölkerung mehr als 50 Prozent des Landes besitzt, gab es in den ersten 50 Jahren nach der Unabhängigkeit rund zwei Dutzend Putsche und Gegenputsche.
Hoffnung nach 50 Jahren Blutvergießen
Trotz dieser Geschichte haben sich in den vergangenen Jahrzehnten in (fast) ganz Lateinamerika wirklich demokratische Systeme etablieren und festigen können - auch im wirtschaftlich aufstrebenden Kolumbien. Dort allerdings schien der Bürgerkrieg mit der marxistisch-leninistischen FARC kein Ende nehmen zu wollen. Doch jetzt, nach 50 Jahren mit mehr als 220.000 Todesopfern und bis zu acht Millionen Vertriebenen im eigenen Land, scheint es endlich so weit zu sein.
Der Friedensvertrag, den Präsident Juan Manuel Santos mit der Führungsriege der FARC in dreijährigen Geheimverhandlungen in Kubas Hauptstadt Havanna ausgehandelt hat, ist so gut wie unter Dach und Fach - auch dank Vermittlungsbemühungen von Papst Franziskus sowie eines international angesehenen indischen Gurus. Nach mehr als 50 Jahren des Blutvergießens hat die Guerilla offenbar eingesehen, dass ihr Krieg nicht zu gewinnen ist.
FARC will auch Entschädigungen zahlen
Auch will die FARC ihr bedeutendes, mit Drogenhandel und Entführungen erwirtschaftetes Vermögen für die Entschädigung von Opfern zur Verfügung stellen. Dafür sollen die bis zu 15.000 Kämpfer der Guerilla nach ihrer Entwaffnung straffrei davonkommen und in die Gesellschaft integriert werden.
Bauern, die in den oft unzugänglichen Teilen des Landes bisher vom Koka-Anbau gelebt und so der FARC ein sicheres Einkommen aus dem Drogenhandel garantiert haben, sollen mit finanziellen Anreizen dazu gebracht werden, auf weit weniger einträgliche Früchte wie Bananen, Kakao oder anderes umzusteigen. Zu Recht besteht in diesem Zusammenhang die Sorge, dass kriminelle Banden das Vakuum, das eine abziehende FARC hinterlassen würde, nützen und den Drogenhandel an sich reißen könnten.
Der Friedensvertrag mit der FARC wird nach seiner schon bald geplanten Unterzeichnung also noch viele Probleme nach sich ziehen. Er zeigt aber auch, dass sich sogar langjährige blutige Konflikte mit gutem Willen auf beiden Seiten lösen lassen können. Und dass man die Tradition der Gewalt brechen kann.
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