Gewalt, Pornographie, verschiedenste Formen der "Perversion" - in den großen sozialen Netzwerken im Internet sind solche Bilder so gut wie nie zu finden. Verantwortlich dafür zeichnen weder eine Bilderkennungssoftware noch ein intelligenter Algorithmus, sondern Billiglohnnehmer auf den Philippinen. Die Arbeit in den "digitalen Sweatshops" bleibt für sie nicht ohne Folgen, wie der deutsche Theatermacher Moritz Riesewieck und die amerikanische Medienwissenschaftlerin Sarah T. Roberts recherchierten.
"Perverses" Bildmaterial von tolerierbarem zu unterscheiden, ist im Zweifel eine knifflige Angelegenheit, die von keinem Algorithmus erfüllt werden kann. Outgesourct wird dieser Job daher in eine Vorstadt von Manila auf den Philippinen. Als Christen sollen Philippinerinnen und Philippiner den Konzernen zufolge westliche Moralvorstellungen gut einschätzen können, wie Riesewieck und Roberts bei einer Veranstaltung der Heinrich-Böll-Stiftung mit dem Titel "Die Müllabfuhr im Internet" berichteten.
Zum Schweigen verpflichtet
Acht Stunden täglich sichten die sogenannten Content Moderators demnach Tausende Videos und Fotos von Sodomie, Pornographie, Vergewaltigungen oder Verstümmelungen, die weltweit hochgeladen werden, und sortieren diese aus, bevor wir, die Nutzer, sie zu Gesicht bekommen.
Welchen Regeln die Philippinerinnen und Philippiner, die ihren Daumen über die Fotos und Videos heben oder senken, zu befolgen hätten, das versuchten die amerikanischen Auftraggeber laut Riesewieck und Roberts so undurchsichtig wie möglich zu halten. Die Mitarbeiter selbst seien zum Schweigen verpflichtet, dürften nicht einmal ihren Partnern davon berichten, was sie tagsüber sehen müssen.
Verstörende Bilder und ihre Folgen
Für viele der jungen Menschen bleibt diese Flut verstörender Bilder nicht ohne Folgen. Einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" zufolge reichen die Leiden der jungen Menschen "von Libidoverlust über Schlafstörungen zu Depressionen, Alkoholismus und paranoidem Misstrauen gegenüber anderen Menschen."
Um die Folgeschäden von täglich zehn Stunden Schocksortieren, so Riesewieck und Roberts in ihren Vorträgen, kümmerten sich die Subunternehmer der Internetkonzerne in der Regel nur, indem sie diejenigen, die nicht vorher schon gekündigt hätten, nach spätestens zwei Jahren entließen. Schweigen müssten sie dem Bericht nach weiterhin.
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