132 Jahre alt musste der Leicester City Football Club werden, um seinen ersten englischen Meistertitel zu feiern - und damit für die wohl gewaltigste Sensation in der Geschichte des englischen Klub-Fußballs zu sorgen. Der große Wurf gelang den "Foxes" schon zwei Runden vor Schluss, weil der einzige verbliebene Rivale Tottenham auswärts gegen Chelsea nur ein 2:2 erreichte. Wie Fuchs und Co. den Titel bejubleten, sehen Sie im Video oben.
Jahrzehntelang galt Leicester City aus der rund zwei Autostunden nördlich von London gelegenen Provinzstadt als graue Maus, in den vergangenen Monaten aber lehrte der frischgebackene Meister die Glamourklubs aus London und Manchester das Fürchten. Gelungen ist das mit Spielern zum Schnäppchenpreis und einem Coach, der schon als gescheitert galt.
Claudio Ranieris Trainerkarriere schien im November 2014 bereits beendet, als er nach einer 0:1-Heimniederlage gegen die Färöer von seinem Amt als griechischer Teamchef entbunden wurde. Nach einem Zerwürfnis von Manager Nigel Pearson mit Vereins-Eigentümer Vichai Srivaddhanaprabha bekam der Italiener aber noch eine Chance - und er nützte sie.
Ranieri hielt sein Team mit unorthodoxen Maßnahmen wie der Einladung zum gemeinsamen Pizza-Essen oder einem einwöchigen Urlaub mitten in der Saison bei Laune und lehrte es obendrein typisch italienische Tugenden. Christian Fuchs und Co. stehen in der Defensive äußert kompakt, setzen auf schnelles Umschaltspiel und verfügen in Jamie Vardy und Riyad Mahrez über zwei in dieser Saison überragende Offensiv-Akteure. Für Mahrez, erst kürzlich zum besten Spieler der Saison gewählt, zahlte Leicester im Jänner 2014 rund 500.000 Euro an Le Havre, Goalgetter Vardy kostete den neuen Champion im Juli 2012 knapp 1,3 Millionen Euro.
Auch weitere Leistungsträger wie N'Golo Kante (9 Millionen) und Robert Huth (3,7) gab es im vergangenen Sommer in Relation zum englischen Transfersummen-Wahnsinn zum Billigtarif, Fuchs kam überhaupt ablösefrei von Schalke. Im Vergleich dazu überwies etwa Manchester City vor Saisonbeginn 72 Millionen Euro für Kevin de Bruyne und 60 Millionen Euro für Raheem Sterling.
Dennoch hatten die mit Scheich-Millionen aufgepäppelten "Citizens" im Endeffekt ebenso das Nachsehen wie das vom russischen Oligarchen Roman Abramowitsch unterstützte Chelsea oder Manchester United und Liverpool, beide im Besitz von US-Milliardären. Dafür durfte sich ein schwerreicher Thailänder ins Fäustchen lachen: Leicesters Clubchef Srivaddhanaprabha, der sein Geld mit dem Duty-Free-Handelsunternehmen "King Power" machte, erfreut sich bei den Fans großer Beliebtheit.
Das liegt nicht nur an seinem Faible für theatralische Auftritte - der 59-Jährige landet zu Heimspielen gerne per Hubschrauber auf dem Rasen des "King Power Stadiums". Zuletzt wurden die Ticketpreise für die kommende Saison trotz der jüngsten Erfolge auf dem Stand von 2014 eingefroren, außerdem gab es Freibier und Gratis-Doughnuts für alle Leicester-Fans, die zum Match an Srivaddhanaprabhas Geburtstag am 3. April gegen Southampton in die Arena kamen.
Die Party-Stimmung von damals war aber wohl nichts im Vergleich zu den Szenen, die sich am Montagabend in den Pubs von Leicester abspielten. Voller Freude war auch Edelfan Gary Lineker, obwohl der frühere Weltklasse-Stürmer nun sein Versprechen einlösen und die erste BBC-Sendung "Match of the Day" in der kommenden Saison in Unterhose moderieren muss. "Ich bin gut in Form", witzelte Lineker schon vor einigen Tagen.
Weniger zum Lachen ist den englischen Buchmachern zumute. Wie "William Hill" bekannt gab, werden wegen der Leicester-Sensation insgesamt rund zehn Millionen Pfund (12,82 Mio. Euro) an glückliche Gewinner ausbezahlt. Vor Saisonbeginn war die Meisterquote des als Abstiegskandidat gehandelten Klubs, der im April des Vorjahres noch Tabellenletzter war, bei 5.000:1 gelegen.
Die Meister in der englischen Premier League seit 1991:
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