Christian Kern kann reden. Sein rhetorisches Talent hat der neue Bundeskanzler bei seiner Regierungserklärung im Parlament am Donnerstag (siehe Video oben) erneut unter Beweis gestellt. Wohin Österreichs politische Reise mit ihm jedoch führen soll, ist auch nach seiner ersten offiziellen Ansprache nur ansatzweise zu erkennen. Vor allem einmal versucht der am Dienstag angelobte Kanzler Aufbruchsstimmung zu vermitteln. Konkrete Pläne sollen später kommen. Eine Analyse von "Krone"-Redakteur Claus Pándi.
21 Minuten und 20 Sekunden - so kurz hielt sich Bundeskanzler Christian Kern bei seiner mit Spannung erwarteten Antrittsrede im Parlament.
"Macher-Image": Kern knüpft an Vranitzky und Klima an
Wie bereits bei seiner Antrittspressekonferenz wiederholt Kern seine "Jetzt geht's los!"-Parole. Der neue Kanzler will damit vermitteln, dass jetzt alles anders und besser werden soll. Der ehemalige Politiker-Sekretär und ÖBB-Chef versucht damit, die seit Langem herrschende Stimmung an den Stammtischen aufzunehmen. Kern knüpft dabei vor allem an das "Macher"-Image der sozialdemokratischen Bundeskanzler Franz Vranitzky und Viktor Klima an.
Zwischen Tradition und Fortschritt
Mit der zu Beginn seiner Rede eingestreuten Bemerkung, dass er bereits beim gemeinsamen Frühstück mit seiner Frau über seine Fans auf Facebook redet, will Kern den Eindruck von Familiensinn und Modernität, also Tradition und Fortschritt, vermitteln. Zugleich verrät er aber über sich, dass er sehr genau verfolgt, was über ihn geschrieben wird, welche Meinung man von ihm hat, dass er sich freut, von einer Million Menschen gemocht zu werden.
Wenn Kern auf die hohe Erwartungshaltung nach dem Wechsel an der Regierungsspitze eingeht, versucht er diese Erwartungen gleich einmal zu dämpfen. Nach dem Abgang von Werner Faymann ist Christian Kern für viele Menschen eine Projektionsfläche für große Hoffnungen. Das kann allerdings sehr rasch in eine allgemeine Frustration umschlagen, wenn der neue Kanzler die in ihn gesetzten Erwartungen nicht erfüllen kann.
Zugleich geht Kern darauf ein, dass Veränderungen in Österreich schwer umzusetzen sind. Der Kanzler spricht von Lobbys, Föderalismus und Interessenslagen. Übersetzt könnte das auch eine Kampfansage an die seit Jahrzehnten das Land beherrschenden Machtfaktoren sein. Realpolitisch sind das die Wirtschaftskammer, die Arbeiterkammer, der Bauernbund, die Gewerkschaften und vor allem die Landeshauptleute. Kern gesteht aber auch gleich ein, dass es sehr schwer sein wird, hier etwas in Bewegung zu bringen.
Kern genießt das Rampenlicht
Christian Kern sagt, er werde nicht in jedes Mikrofon hineinsprechen. Damit nimmt der neue Kanzler eine Anleihe bei dem früheren ÖVP-Bundeskanzler Wolfgang Schüssel. Auch der hatte sich in seiner Amtszeit der Öffentlichkeit immer mehr verweigert. Zuletzt wurde Schüssel deshalb auch als "Schweigekanzler" bezeichnet. So drastisch wird das bei Kern jedoch nicht werden. Der penibel auf sein Äußeres achtende 50-Jährige genießt das Rampenlicht durchaus. Allerdings sucht er die Nähe nur zu ausgewählten Medien - und hat auch dort viele Fans, die ihn aus unterschiedlichen Motiven unterstützen.
Kern stellt politische Visionen in Aussicht. Damit bricht der neue Kanzler bewusst mit der Methode seines Vorgängers Faymann, der sich stark an tagespolitischen Notwendigkeiten orientiert hatte. Zugleich ist es ein kleiner Seitenhieb auf Ex-Kanzler Vranitzky, dem der Spruch unterstellt wurde, dass jemand mit Visionen einen Arzt brauche.
Alte SPÖ-Vorstellung im Bildungssystem
Mit seiner Vision von fairen Chancen für alle Kinder aus allen Schichten kokettiert Kern mit seiner eigenen Herkunft aus einfachen Verhältnissen in Wien-Simmering - und dass man dennoch den Aufstieg in eine elitäre Gesellschaft schaffen kann. Zugleich ist es die Wiederholung einer alten sozialdemokratischen Vorstellung im Bildungssystem.
Kerns Hinweis auf einen respektvollen Umgang mit Flüchtlingen bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Ordnung zeigt, dass er den von Faymann vorgeführten Spagat in der Asylpolitik auch üben will. Also eine ähnliche Politik, aber mit schöneren Worten.
"New Deal": Reformen in Wirtschaftsfragen und der Sozialpolitik
Zum wiederholten Mal spricht Kern von einem "New Deal". Damit bezieht er sich auf eine ganze Reihe von Reformen in Wirtschaftsfragen und der Sozialpolitik in den USA unter Präsident Franklin D. Roosevelt. Das war in den 1930er-Jahren nach der Weltwirtschaftskrise. Wie schon vor einem Jahr ÖVP-Außenminister Sebastian Kurz erwähnt auch Kern häufig das Silicon Valley. Aus Kaliforniens Wüstenregion kommen seit Jahrzehnten die wichtigsten Impulse für die Hightech-Industrie.
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