150 Seiten Vorwürfe

FPÖ bringt Hofburg-Wahl vor Verfassungsgericht

Österreich
08.06.2016 16:05

Die Freiheitlichen fechten "wegen einer Unzahl an Pannen" die Bundespräsidentenwahl an - konkret die Stichwahl, in der ihr Kandidat Norbert Hofer knapp gegen Alexander Van der Bellen unterlag. Die Anfechtung ist bereits beim Verfassungsgerichtshof eingelangt, bestätigte Sprecher Christian Neuwirth am Mittwoch.

Sie ist sehr umfangreich: 150 Seiten hat Parteichef Heinz-Christian Strache als Zustellungsbevollmächtigter eingereicht. Darin finden sich teils bekannte, teils unbekannte Vorwürfe betreffend Unregelmäßigkeiten vor allem beim Umgang mit den Wahlkarten, so Neuwirth. "Wir sind keine schlechten Verlierer, da geht es um die Grundfesten der Demokratie. Ohne diese Pannen und Unregelmäßigkeiten hätte Hofer Präsident werden können", sagte Strache. Man sei dem Rechtsstaat und der Demokratie verpflichtet. "Ich fühle mich aus diesem Grund heraus verpflichtet, die Wahl anzufechten", sagte der FPÖ-Chef. Dazu hätten ihm auch Juristen wie etwa Ex-Justizminister Dieter Böhmdorfer geraten.

570.000 Wahlkarten betroffen
Insgesamt wurden drei Anfechtungen beim VfGH eingebracht - eine von Strache als Zustellungsbevollmächtigtem, eine von Hofer und eine von einem "Wähler und Bürger". Strache sagte, es seien in 94 der 117 Bezirkswahlbehörden Gesetzwidrigkeiten festgestellt worden. So seien etwa in 82 Bezirkswahlbehörden Briefwahlkarten vor Eintreffen der Wahlkommission vorsortiert worden - das betreffe mehr als 570.000 Wahlkarten. Außerdem weist die FPÖ auf andere Unregelmäßigkeiten hin, etwa auf Hinweise, dass "nicht österreichische Staatsbürger" an der Wahl teilgenommen oder Unter-16-Jährige ihre Stimme abgegeben hätten.

Rechtsanwalt Dieter Böhmdorfer und FPÖ-Bundesparteiobmann Heinz-Christian Strache (Bild: APA/GEORG HOCHMUTH)
Rechtsanwalt Dieter Böhmdorfer und FPÖ-Bundesparteiobmann Heinz-Christian Strache

"Wir fechten die Wahl nicht um der Anfechtung Willen an", sagte Strache. "Wenn es durch unzählige Hinweise zu so einem Ergebnis kommt, dass wir so ein Desaster feststellen müssen, können wir das nicht hinnehmen." Derartige Vorkommnisse könnten nicht "als irrelevant für den Wahlausgang vom Tisch gewischt werden. Wer darüber hinwegsieht und zur Tagesordnung übergeht, der hat kein ausreichendes Demokratieverständnis."

Innenministerium erstattete Anzeige
Zur Prüfung, ob die Wahlbehörden in einem steirischen (Südoststeiermark), einem niederösterreichischen (Wien-Umgebung) und vier Kärntner Wahlbezirken (Villach-Land, Villach-Stadt, Hermagor und Wolfsberg) durch die vorzeitige Öffnung bzw. Auszählung von Wahlkarten Amtsmissbrauch begangen haben, hat das Innenministerium die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft eingeschaltet. Die Ermittlungen laufen, Ergebnisse gibt es noch nicht.

Van der Bellen (li.) setzte sich in der Hofburg-Stichwahl knapp gegen Hofer durch. (Bild: APA/Herbert Neubauer)
Van der Bellen (li.) setzte sich in der Hofburg-Stichwahl knapp gegen Hofer durch.

VfGH "macht sich sofort an die Arbeit"
Damit die Anfechtung vom Verfassungsgerichtshof geprüft wird, müssen die behaupteten Fehler geeignet sein, das Ergebnis der Stichwahl zu verändern - also deren Behebung dazu führen können, dass letztlich Hofer statt Van der Bellen Erster ist. Van der Bellen lag am 22. Mai um 30.863 Stimmen - und damit in Summe 50,35 Prozent - vorne. Dieses amtliche Endergebnis wurde am 1. Juni verlautbart, die FPÖ hatte eine Woche Zeit für die Anfechtung. Der VfGH will bis zum 8. Juli - also noch vor der geplanten Angelobung Van der Bellens - Ergebnisse vorlegen. Eine Garantie dafür gebe es wegen der umfangreichen Vorwürfe allerdings nicht, sagte Neuwirth. Jedenfalls "machen wir uns sofort an die Arbeit".

Liegen tatsächlich relevante Verstöße gegen die Wahlordnung vor, hat der VfGH das ganze Wahlverfahren oder genau bezeichnete Teile nichtig zu erklären, also aufzuheben. Jener Teil der Wahl, der rechtswidrig war, müsste dann wiederholt werden. Das bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass die Abstimmung (auch nur in einzelnen Wahlbezirken oder etwa der Briefwahl) wiederholt werden muss. Möglich ist auch, dass andere Teile des Wahlverfahrens - also etwa die Stimmenauszählung - wiederholt werden müssen.

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