Die FPÖ hat am Mittwoch wegen einer "Unzahl von Unregelmäßigkeiten und Pannen" die Stichwahl der Bundespräsidentenwahl angefochten. Der Chef der Freiheitlichen, Heinz-Christian Strache, betonte, kein schlechter Verlierer zu sein, er habe sich aber zu diesem Schritt gezwungen gesehen, da "die Grundfesten der Demokratie gesichert sein müssen. Ein jeder hat ein komisches Gefühl bei diesem knappen Ausgang." Im Team von Wahlsieger Alexander Van der Bellen bleibt man hingegen gelassen.
Nun ist der Verfassungsgerichtshof am Zug. Die Anfechtung wird geprüft, Ergebnisse sollen bis zum 8. Juli Vorliegen. "Wir machen uns umgehend an die Arbeit", sagte VfGH-Sprecher Christian Neuwirth. Strache erklärte dazu: "Ob der Verfassungsgerichtshof dann zur Ansicht gelangen wird, ob das zur Wiederholung der Wahl oder zur teilweisen Wiederholung der Wahl führen wird, ist offen."
"Man nimmt das fassungslos zu Kenntnis"
Kernpunkt der Anfechtung sind jene Unregelmäßigkeiten, die die Auszählung der Briefwahlstimmen betreffen. Dabei geht es um zu frühe Vorsortierung der Wahlkarten, zu frühe Öffnung der Kuverts oder eine zu frühe oder von nicht berechtigten Personen durchgeführte Auszählung der Briefwahlstimmen. In weiteren Bezirkswahlbehörden seien falschfarbige Stimmkuverts an die Wähler verschickt worden, die dann bei der Stimmabgabe zum Teil als nichtig bzw. ungültig oder aber auch als gültig gewertet wurden. Insgesamt kommt man so auf 94 Bezirkswahlbehörden, wo Unregelmäßigkeiten verzeichnet wurden.
Strache: "Man nimmt das mit offenem Mund und fassungslos zur Kenntnis." Gefragt, für wie realistisch er die Wiederholung der Wahl halte, sagte Strache: "Für sehr realistisch, weil bei so einer dramatischen Situation kann man nicht zur Tagesordnung übergehen."
Hofer zur Anfechtung: "Mir bleibt nichts anderes über"
Der gescheiterte FPÖ-Kandidat Norbert Hofer hält die Wahrscheinlichkeit, dass seine Wahlanfechtung erfolgreich sein wird, für "exorbitant hoch". Die aufgezeigten Missstände dokumentierten einen "eklatanten Rechtsbruch", sagte er am Mittwoch vor Journalisten. "Es geht um eine halbe Million Stimmen, die nicht ordnungsgemäß erfasst worden sind." Mit der Anfechtung habe er keine große Freude, so Hofer, "aber mir bleibt nichts anderes übrig". Was die Konsequenz aus einer erfolgreichen Anfechtung wäre, müsse der Verfassungsgerichtshof entscheiden. "Eine Neuauszählung allein wird es nicht sein", sagte er. Und: "Wenn man das anerkennt, was vorgefallen ist, dann dreht es das Ergebnis."
Tschürtz: "Ich erwarte mir nur Gerechtigkeit"
Zu Wort gemeldet hat sich am Mittwoch auch Burgenlands FPÖ-Landesparteiobmann Johann Tschürtz. "Ich erwarte mir nur Gerechtigkeit - sonst nix. Dieses Briefwahlsystem birgt so viele Unsicherheiten in sich. Das demokratische Wahlrecht ist aus meiner Sicht nicht mehr gegeben. Mir geht es gar nicht darum, ob Hofer Präsident wird oder nicht. Sondern diese Aufzählung, die wir bekommen haben, ist aus meiner Sicht wirklich sehr, sehr, sehr bedenklich", sagte er. Zur Anfechtung der FPÖ äußerte sich auch SPÖ-Soziallandesrat Norbert Darabos: Generell sei die Briefwahl über die Post "etwas schwierig", er persönlich sei "ein Verfechter, dass man persönlich ins Wahllokal geht".
Van der Bellens Team unbeeindruckt
Das Team von Wahlsieger Alexander Van der Bellen gibt sich unbeeindruckt von der Wahlanfechtung: "Wir sehen dem gelassen entgegen. Es ist zulässig, rechtliche Schritte zu ergreifen. Jetzt ist es Aufgabe des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu entscheiden", sagte Lothar Lockl, der Obmann des Vereins "Gemeinsam für Van der Bellen".
Grüne: "Hofer ist ein schlechter Verlierer"
Nicht überrascht von der Wahlanfechtung zeigen sich die Grünen: Die Freiheitlichen hätten "wochenlang Weltverschwörungstheorien gezielt verbreitet", so Grün-Parlamentarier Dieter Brosz. Hofer zeige sich damit als "schlechter Verlierer". Strache habe "bewusst wiederholt von Wahlbetrug gesprochen, ohne auch nur einen einzigen konkreten Fall aufzeigen zu können, bei dem eine Stimme unrichtig gewertet worden wäre". Formale Abweichungen vom Wahlprozedere in einzelnen Wahlbehörden seien selbstverständlich in Zukunft abzustellen, aber kein Wahlbetrug, so Brosz.
Fischer hofft auf Einhaltung des Terminplans
Der noch amtierende Bundespräsident Heinz Fischer hofft, dass trotz der Anfechtung der Präsidentenwahl der Fahrplan mit der Angelobung des neuen Staatsoberhaupts am 8. Juli eingehalten wird. Bei seiner Rede anlässlich des Städtetags in Innsbruck wandte er sich weiters gegen die von der FPÖ betriebene Abschaffung der Briefwahl.
Natürlich könne ein Wahlergebnis angefochten werden, meinte Fischer. Man könne aber nicht das Kind mit dem Bade ausschütten und gleich die Briefwahl abschaffen: "Denn es hat eine lange und demokratische Entwicklung gegeben." Durch die Briefwahl sollte die Wahlbeteiligung erhöht werden, indem allen, die auch nicht zu Hause seien, die Möglichkeit gegeben werde, ihr Wahlrecht auszuüben, gab der Bundespräsident zu bedenken: "Wenn die Spielregeln von einzelnen nicht eingehalten wurden, ist das kein Grund, die Briefwahl abzuschaffen."
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