Wer immer die Verantwortlichen des Nachrichtenkanals Amaq auch sind, sie dürften sich in den vergangenen Tagen über einen doppelten Propagandacoup gefreut haben. Nach den Attentaten von Orlando und Paris veröffentlichten die Dschihadisten zweimal die Nachricht, dass Kämpfer der Terrormiliz Islamischer Staat für die Gewaltakte verantwortlich seien. Auch ein Video des Paris-Attentäters verbreiteten sie via Internet über den Globus. Die Nachrichtenagentur hat sich längst zu einem wichtigen Baustein der IS-Propagandastrategie entwickelt.
Beobachtern der Dschihad-Szene im Internet fiel Amaq erstmals im Jahr 2014 auf, als Kämpfer der Extremisten die kurdische Stadt Kobane in Nordsyrien angriffen. Mittlerweile verbreitet die Agentur rund um die Uhr Nachrichten aus IS-Sicht vor allem über das Kriegsgeschehen in Syrien und im Irak, wo die Miliz noch immer große Gebiete beherrscht.
Aber auch bei Terroranschlägen ist Amaq häufig das erste Medium, das ein Bekenntnis der Terrormiliz vermeldet. So verkündete die Nachrichtenagentur etwa in diesem Jahr kurz nach dem Attentat in der indonesischen Hauptstadt Jakarta und nach der Terrorserie in Brüssel, IS-Anhänger seien für die Gewalt verantwortlich.
"Die Propagandisten manipulieren ein globales Publikum"
Unabhängig überprüfen lassen sich solche Behauptungen - wie auch nach den Attentaten in den vergangenen Tagen - meistens nicht. Amaq und dem IS spielt das in die Hände. Ihnen geht es darum, sich vor Sympathisanten mit Terrorakten zu brüsten und unter "Ungläubigen" Schrecken zu verbreiten. Mit jeder dieser Meldungen lenken die Extremisten die weltweite Berichterstattung in ihre Richtung.
"Sei es durch Schlagzeilen oder Tweets, die Propagandisten manipulieren ein globales Publikum, Gegner wie Sympathisanten, um ihre Botschaft der Einschüchterung zu verbreiten und die Wahrnehmung des IS als Bedrohung zu fördern", schrieb der IS-Kenner Charlie Winter im US-Magazin "The Atlantic".
Über Hinterleute ist wenig bekannt
Über Amaq und die Hinterleute ist wenig bekannt. Experten sind sich nicht sicher, ob die Agentur direkt zum IS gehört oder im Umfeld der Terrormiliz agiert. Aus ihren Nachrichten lässt sich aber schließen, dass sie gute Drähte in die Organisation hat, denn häufig folgt den Amaq-Meldungen eine Erklärung der Dschihadisten selbst.
Auffällig ist dabei die zurückhaltendere Sprache, die Amaq verwendet. Wo der IS seine Anhänger als "Soldaten des Kalifats" verherrlicht, spricht Amaq von "Kämpfern". Während die Terrormiliz Attentäter mit religiösen Formeln preist und Gott für deren "Märtyrertod" dankt, verzichtet die Nachrichtenagentur auf solche Propaganda - und gibt sich so den Anschein, ein neutrales Medium zu sein.
Professionalisierte Propaganda
So übernimmt Amaq die Funktion, so etwas wie die zumindest halb-offizielle Nachrichtenagentur des "Islamischen Kalifats" zu sein, das der IS ausgerufen hat. Damit ist sie ein weiterer Beleg dafür, wie sehr die Dschihadisten ihre Propaganda professionalisiert haben. Keine andere Organisation verstehe die Medien so gut wie der IS, meint Winter.
Multimedial
Neben Amaq existieren weitere Einheiten, die in der Medienarbeit der Extremisten andere Aufgaben übernehmen. So ist etwa "Al-Furkan Media" dafür zuständig, Audiobotschaften von IS-Chef Abu Bakr al-Bagdadi und anderen Anführern der Terrormiliz zu verbreiten. Das "Al-Hayat Media Center" produziert unter anderem in Hollywood-Manier Filme, die den Kampf der IS-Anhänger gegen die "Ungläubigen" verherrlichen. Mit "Al-Bayan" betreiben die Extremisten eine eigene Radiostation. Das englischsprachige Online-Magazin "Dabiq" wiederum wendet sich an Leser außerhalb der arabischen Welt.
Kaum zu stoppen
Als erfolglos haben sich bisher die Versuche erwiesen, die Verbreitung der IS-Propaganda im Internet zu stoppen. Amaq etwa nutzt vor allem den verschlüsselten Dienst Telegram, um seinen Anhängern Neuigkeiten aus der Dschihad-Welt zu schicken. Wird dort ein Nachrichtenkanal geschlossen, taucht innerhalb kurzer Zeit ein neuer unter anderem Namen auf. Auch beim Kurznachrichtendienst Twitter melden sich IS-Anhänger immer wieder mit neuen Synonymen an.
Je mehr der IS in Syrien und im Irak militärisch unter Druck gerät, desto wichtiger wird die Propagandaarbeit - und desto mehr dürften die Extremisten sie verstärken. Dass sie dabei etwa wegen ihrer Brutalität in den Medien weltweit ein negatives Echo finden, mache keinen Unterschied, warnt IS-Experte Winter: Für den IS sei jede Berichterstattung eine gute Berichterstattung.
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