Gespräche vor Ende?

Erdogan beschimpft EU: “Hässlich, islamfeindlich”

Ausland
23.06.2016 12:02

Recep Tayyip Erdogan hat die EU erneut scharf angegriffen und erstmals ein Referendum über die Fortsetzung der Beitrittsgespräche seines Landes mit der Union ins Spiel gebracht. Der türkische Staatspräsident warf der EU vor, die Türkei im Beitrittsprozess hinzuhalten, weil sie ein mehrheitlich muslimisches Land sei. "Ihr haltet eure Versprechen nicht. Eben das ist euer hässliches Gesicht. Weil ich dieses hässliche Gesicht entlarve, dreht ihr durch", wetterte Erdogan am Mittwochabend in Istanbul.

Der Streit um das Flüchtlingsabkommen und die Visumfreiheit für Türken habe gezeigt, dass die Europäer nicht vertrauenswürdig seien. Erdogan warf EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker vor: "Du kennst das türkische Volk nicht." Die Türken seien nicht auf eine EU-Visumfreiheit oder das Rücknahmeabkommen angewiesen. "Ihr seid im Moment im wahrsten Sinne des Wortes hinter der Türkei her. Ihr denkt: Wenn die Türkei ihre Türen öffnet und diese Flüchtlinge in Richtung Europa marschieren, was wird dann aus uns?"

EU löst Zusage an Türkei ein
Kurz vor Erdogans Ansprache zum abendlichen Fastenbrechen hatte es aus der EU geheißen, am 30. Juni solle ein neuer Verhandlungsbereich mit dem Kandidatenland Türkei eröffnet werden. Dabei gehe es um das Kapitel 33, das "Finanz- und Budgetbestimmungen" regelt, berichtete ein EU-Diplomat in Brüssel. Damit löst die Union eine Zusage des Gipfels der Staats- und Regierungschefs von Mitte März ein, diesen Bereich bis Ende Juni zu öffnen.

Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan (Bild: APA/AFP/TOLGA BOZOGLU)
Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan

Laut der EU-Kommission wird bisher in 14 Bereichen verhandelt. Die Türkei ist offiziell seit 1999 Kandidat für einen EU-Beitritt, seit 2005 wird darüber verhandelt. Die Beitrittsgespräche sind thematisch in 35 Kapitel unterteilt.

Massive Spannungen wegen des Flüchtlingspaktes
Der Flüchtlingspakt führt zu massiven Spannungen zwischen der EU und Ankara. Für die versprochene EU-Visumfreiheit für Türken fordert Brüssel das Erfüllen noch verbliebener Bedingungen. Ankara weigert sich, heimische Anti-Terror-Gesetze zu entschärfen - was aber zu den Bedingungen der Europäer gehört.

Referendum in den Raum gestellt: "Wir könnten fragen"
Erdogan sprach am Mittwoch zudem über die Möglichkeit einer Volksabstimmung nach dem Beispiel Großbritanniens, bei dem die Türken über eine Fortsetzung der Beitrittsgespräche mit der EU abstimmen könnten. "Wir könnten fragen: Sollen die Gespräche mit der Europäischen Union fortgesetzt werden oder nicht?", sagte Erdogan.

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