Referendum kommt

Nun klare Mehrheit der Schotten für Unabhängigkeit

Ausland
26.06.2016 13:57

Eine deutliche Mehrheit der Schotten ist einer Umfrage zufolge nach dem Brexit-Votum für ein neues Referendum zur Abspaltung von Großbritannien. 59 Prozent der Befragten sind jetzt für die Unabhängigkeit, wie aus der Erhebung für die schottische Zeitung "Sunday Post" hervorgeht. Regierungschefin Nicola Sturgeon hält eine zweite Volksabstimmung für "höchst wahrscheinlich". Das Vereinigte Königreich, für das Schottland in einem ersten Referendum 2014 gestimmt habe, "existiert nicht mehr", sagte sie am Sonntag.

"Das wird keine Wiederholung des Referendums von 2014. Der Kontext und die Umstände haben sich dramatisch verändert. Ich werde alles tun, um die Interessen der Schotten zu schützen", meinte Sturgeon gegenüber der BBC. Ihr Land, das sich in dem EU-Referendum am Donnerstag klar für einen Verbleib in der Europäischen Union ausgesprochen hat, wolle auch Mitglied derselben bleiben. Schottland profitierte wie auch Nordirland bisher stark von EU-Geldern.

Bei dem ersten Referendum über die Unabhängigkeit Schottlands von Großbritannien hatte sich im September 2014 eine Mehrheit von 55 Prozent für den Verbleib in Großbritannien ausgesprochen. Eine Sorge war damals, dass Schottland sonst nicht mehr Teil der Europäischen Union sein könnte.

62 Prozent der Schotten stimmten gegen Brexit
Nachdem Großbritannien am Donnerstag aber mit einer Mehrheit von rund 52 zu 48 Prozent für einen EU-Austritt votierte, hat sich die Stimmung in Schottland geändert. Dort hatten 62 Prozent der Bürger für den britischen EU-Verbleib gestimmt, in jedem einzelnen der 32 schottischen Wahlkreise waren die Europa-Freunde in der Mehrheit. Bleiben sie im Vereinigten Königreich, müssen sie die Union aller Voraussicht nach trotzdem verlassen. Sollte sich Schottland aber tatsächlich von Großbritannien abspalten, könnte man wieder der EU beitreten.

Eine Schottin plädiert nach dem Brexit-Voting für die Abspaltung ihres Landes von Großbritannien. (Bild: APA/AFP/Justin Tallis)
Eine Schottin plädiert nach dem Brexit-Voting für die Abspaltung ihres Landes von Großbritannien.

Resolute Sturgeon: "Demokratiepolitisch inakzeptabel"
Bereits am Samstag war das schottische Kabinett zu einer Dringlichkeitssitzung zusammengekommen, um über die Folgen des Brexit-Votums zu beraten. Im Anschluss daran sagte Sturgeon, es sei vereinbart worden, "die rechtlichen Voraussetzungen" für ein mögliches neues Referendum zu schaffen. Denn die nunmehrige Situation sei "demokratiepolitisch inakzeptabel", so die resolut auftretende Chefin der Scottish National Party (SNP).

Nicola Sturgeon (Bild: APA/AFP/Jane Barlow)
Nicola Sturgeon

Weiters erklärte Sturgeon, man werde sofort in Diskussionen mit den EU-Institutionen und einzelnen Mitgliedsstaaten eintreten, "um alle möglichen Optionen auszuloten, Schottlands Platz in der Europäischen Union zu beschützen". Sie kündigte an, ein Gremium einzusetzen, das die Regierung in rechtlichen, finanziellen und diplomatischen Fragen rund um die Bewahrung der EU-Mitgliedschaft beraten soll. "Meine Aufgabe ist nun, herauszufinden, wie ich die Interessen Schottlands am besten schützen kann, wie ich verhindern kann, dass wir gegen unseren Willen aus der EU ausgeschlossen werden."

Zahlreiche Hürden auf dem Weg zur Unabhängigkeit
Doch es gibt auch viele Hürden auf dem Weg zu einer Unabhängigkeit Schottlands vom Vereinigten Königreich: Die SNP hat seit Mai keine absolute Mehrheit mehr in Edinburgh und müsste Parlamentarier anderer Parteien überzeugen. Damit das Votum auch rechtlich bindend wäre, müsste zudem London der Volksabstimmung den Segen geben. Und: 2014 hatte die SNP noch mit Schottlands Ölvorkommen argumentieren können, die das Land finanzieren könnten. In Zeiten niedriger Ölpreise fiele das nun aber kaum mehr ins Gewicht.

Einen groben Zeitplan entwarf Sturgeon trotzdem schon mal. Wenn Großbritannien etwa in drei Monaten den Ausstiegs-Mechanismus in Gang setzen würde, dann blieben bis zum Austritt aus der EU noch etwa zwei Jahre. Sollte es das erwartete Referendum geben, so die Regierungschefin, dann sicher innerhalb dieses Zeitraums.

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