Juncker zu Farage:

“Warum sind Sie hier? Sie haben gelogen!”

Ausland
28.06.2016 13:27

In einer Sondersitzung des EU-Parlaments in Brüssel sind am Dienstag die Wogen hochgegangen. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker stichelte in einer emotionalen Rede gegen den anwesenden britischen Brexit-Befürworter und EU-Mandatar Nigel Farage: "Ich bin in gewissem Sinne überrascht, dass Sie hier sind. Sie haben doch für den Austritt gekämpft, und das Ergebnis der Abstimmung verlangt doch Respekt. Warum sind Sie also hier?" Gleichzeitig verwies Juncker darauf, dass die EU mit Großbritannien eine neue Beziehung herbeiführen müsse. Aber: "Wir bestimmen die Tagesordnung, nicht die, die die EU verlassen."

Juncker warf Farage zudem unter Hinweis auf Budgetaussagen des Briten vor: "Sie haben gelogen! Man sollte nicht den Eindruck erwecken, dass es ein Europa der Sparpolitik gibt."

"Nationalisten sind keine Patrioten, das sind Nicht-Europäer"
Laut Juncker haben die Briten nicht über die Sparpolitik abgestimmt, auch nicht über unzureichende Grenzkontrollen. "Die Briten haben keinen Euro. Die ganzen Euro-Probleme betreffen die Briten nicht. Großbritannien ist auch nicht in der Schengenzone und bewacht bereits selbst seine Grenzen. Man sollte nichts durcheinanderwerfen - aber solche Geschichten erzählt Farage", kritisierte der Kommissionspräsident. Man dürfe eine Nation nicht den Nationalisten überlassen. Man müsse die Nationen respektieren, aber nicht die Nationalisten. "Das sind keine Patrioten, das sind Nicht-Europäer", so Juncker.

(Bild: APA/AFP/JOHN THYS)

Farage: "Großbritannien nicht das letzte Land, dass die EU verlässt"
Farage hatte zuvor - unterbrochen von Zwischenrufen anderer EU-Abgeordneter - über den Patriotismus der Briten gejubelt. Farage prophezeite, Großbritannien werde nicht das letzte Land bleiben, das die EU verlasse. Seine Rede hatte er gleich mit einer Provokation eröffnet: "Ist es nicht lustig, dass Sie mich ausgelacht haben, als ich meine Kampagne für einen EU-Austritt meines Landes gestartet habe? Nun, jetzt lachen Sie nicht mehr." Nach einem Brexit könnten die EU und Großbritannien aber trotz allem durch einen Freihandelsvertrag "die besten Freunde" sein. Besonders hoch schlugen die Emotionen, als er den EU-Abgeordneten schließlich noch vorwarf, dass die Mehrheit von ihnen noch nie einer regulären Arbeit nachgegangen sei.

Nigel Farage (Bild: AFP)
Nigel Farage

Juncker fordert Briten erneut zu rascher Klärung ihrer Position auf
Juncker betonte, dass die Brexit-Entscheidung Folgen haben müsse. "Die Stunde ist ernst." Er sei zwar ein "sehr besonnener Mensch", doch wolle er keine Unsicherheiten. Er forderte die Briten erneut dazu auf, ihre Position nach dem Brexit-Votum so schnell wie möglich zu klären. "Nicht heute, nicht morgen - aber doch recht schnell." Es sei notwendig, dass die Briten jetzt konsequent reagieren, anstatt sich in "Katz- und Mausspiele" zu verstricken. Das sei nicht die Interpretation des Wählerwillens, denn der sei klar und deutlich: "Die Briten möchten raus aus der EU, dementsprechend sollte man handeln."

Er habe seiner Behörde allerdings jegliche Vorverhandlungen mit der britischen Seite über einen EU-Austritt verboten. "Solange es keine Notifizierung gibt, gibt es auch keine Verhandlungen", sagte der Kommissionschef mit Blick auf die Aktivierung von Artikel 50 des Lissabon-Vertrags (Mechanismus zum Austritt, Anm.), die von Großbritannien ausgehen müsste.

(Bild: AP)

"Werden den Weg der Modernisierung Europas weiter beschreiten"
In seiner kämpferischen Rede erklärte Juncker auch, mit dem Austritt Großbritanniens sei zwar "ein Flügel verloren", aber "unser Flug hält an. Es ist kein Flug ins Ungewisse, sondern zu einem vorher in den Verträgen festgelegten Ziel". Auch Forderungen, wonach sich die EU ändern müsse, relativierte Juncker. "Nein, wir werden den Weg der Modernisierung Europas weiter beschreiten, den wir mit Zustimmung des EU-Parlaments begonnen haben. Alle sagen, es muss was geändert werden, ohne zu sagen was. Es wird nicht das Wesentliche geändert: Das ist das Europa als Friedensprojekt und als Zukunftsprojekt. Das bleibt".

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