Eine Unbekannte ist Rebekka Bakken hierzulande schon längst nicht mehr. Bevor sie 2003 mit einem äußerst charmanten Debütalbum aufhorchen ließ, hatte sie sich schon als Vocalistin im Jazz-Bereich bei heimischen Größen wie Wolfgang Muthspiel einen Namen gemacht. Die Kategorie „irgendwie Jazz“ blieb dadurch bis jetzt an ihr haften, obwohl sie es schlicht und einfach nicht ist. Oder zumindest nicht nur.
Jazz sagt nicht „Fuck“ im Interview, sitzt nicht so locker-lässig auf der Couch und schreibt schon gar kein nahezu komplettes Album über this thing called love und was es da sonst noch drumherum zu sagen gibt. „Ich bin meine eigene Definition“, sagt Rebekka Bakken. Wenn überhaupt, dann sei das, was sie macht „Singer/Songwriter-Music“.
Die Spannweite von „I Keep My Cool“ reicht stilistisch von der Klavierballade mit den Wiener Symphonikern über funk-rockige Kracher, die irgendwie auch an Prince erinnern, bis hin zum Life-Ball-Song „Everything can change“, bei dem Rebekka von einem kompletten Chorensemble unterstützt wird. Musikalisch blieb sie auch beim dritten Album ihren bewährten Musikern treu, nur der Pianist ist neu. „Es wird ohnehin alles von den Songs bestimmt“, erklärt Rebekka Bakken. Deswegen klingt „I Keep My Cool“ manchmal auch opulent und es wird mit Streichern dick aufgetragen, an manchen Stellen bleibt Bakkens Musik wiederum sehr subtil und naturbelassen. Vielseitig, eben. Oder einfach ihr Stil, den sie bisher mehr als beharrlich gegenüber allen Plattenfirmen und Produzenten durchgesetzt hat: „Wenn es um Musik geht, lasse ich mich auf keine Kompromisse ein.“
Musikalisch geht’s Rebekka Bakken aber durchwegs ruhig an. Nicht zuletzt weil ihre Lyrics gefühlsmäßig von sich aus moderate Tempi fordern und vielleicht auch weil ihre durchaus ernst gemeinten Songs über die Liebelei so dargebracht werden wollen. Beim ersten Track „We Hit It Again“ sing sie über das Verliebtsein: „Du musst zuerst erkennen, dass es ein Spiel ist. Zumindest musst du damit klar kommen, dass es ein Spiel ist und es mitspielen.“ Zwischen der lieben Liebe und dem Sich-Verlieben zieht Rebekka Bakken aber scharfe Grenzen: „Wir glauben, dass Liebe vieles ist. Aber es ist ganz sicher kein Gedanke, keine Erklärung oder eine Form von Gemütszustand.“
Als musikalische Gerti Senger, also als Liebesexpertin, sieht sich aber trotzdem nicht. Für ihre Freunde darf sie auch selten Kummertante spielen, weil die „mit meinen Ansichten sicher nicht immer übereinstimmen“. Woher sie diese Weisheiten hat? „Beobachtung! Man beobachtet sich selbst und seine Umwelt. Ich habe eigentlich immer nur zugsehen, bloß ohne zu urteilen“, sagt Rebekka. Sie wollte schon als Kind wissen, was dieses Wort bedeutet, gab sich aber mit keiner Definition zufrieden. Also suchte sie danach: „Was ich im Prinzip gemacht habe, war jede einzelne Definition von Liebe zu hinterfragen.“ Ein paar Stationen dieser Suche haben auch den Weg in die Songs auf „I Keep My Cool“ gefunden. Mit „What Love Is Not“ oder auch dem Piano-lastigen „Love May Seem Hard“ erklärt Rebekka ihre Standpunkte, oft auch anhand von Geschichten. Bemerkenswert ist, dass sie dabei kein einziges Mal in die Herz-Schmerz-Schmalz-Schiene abdriftet. Eine Tränendrüsen-Ausdrückerin vom Kaliber einer Celine Dion ist Rebekka Bakken ganz sicher nicht.
Zumal sie auch etwas pikantere Themen sympathisch findet. Den Text von „Hard To Be A Looser“, ein Song, der nur Rache im Sinn hat, hat sie aus dem Norwegischen ins Englische übersetzt. „Es sind die einzigen Lyrics, die nicht von mir sind. Aber ich liebe diesen Song, weil er einfach so wahnsinnig komisch ist!“ Begleitet von einer kräftigen Slide-Gitarre sinnt ihre Songfigur drei Minuten lang grausamst nach Rache, weil sie sitzengelassen wurde. Der echten Rebekka würde das nie passieren: „Sich an jemandem rächen, weil man verlassen wurde? Ich kann mir nichts Dümmeres vorstellen!“ Lachend fügt sie hinzu: „Aber grausam ist so etwas schon...“
In Wien zu leben, das hat für sie eigentlich nur Vorteile. Für Politik interessiert sie sich ohnehin nicht, und das einzige, worüber sie sich wirklich einmal geärgert hat, war eine pedante Billa-Kundin, die sie im Supermarkt fürs mangelhafte Zurückstellen eines Einkaufswagerls lautstark in die Mangel genommen hat: „Es war so furchtbar, ich zitterte noch eine Stunde danach. Ich fühlte mich, als hätte ich das schlimmste Verbrechen, dass man in dieser Welt begehen kann, verbrochen!“
Leben in Wien hat für Rebekka vorallem den Aspekt der Inspiration und des Erholens. Auf die Frage ob sie sich, so wie Opernfee Anna Netrebko, die dadurch allerdings zum Großteil Visa-Problemen aus dem Weg ging, einmal eine österreichische Staatsbürgerschaft wünschen würde, entgegnet sie verdutzt: „Äh... warum sollte ich das tun? Ich hab doch eine norwegische.“
Zuhause fühlt sie sich hier aber allemal: „Austria made me fall in love with it“, schwärmt sie von ihrer Wahl-Heimat. Aber immer schön den Einkaufswagen zurückstellen...
9 von 10 Coolen aus dem coolen Norden
Rebekka Bakken live gibt's übrigens am
07.10.2006 im ORPHEUM GRAZ, am
08.10.2006 im POSTHOF Linz und am
10.10.2006 im KONZERTHAUS Wien
Christoph Andert
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