Gelände-Legende

Honda Africa Twin: Mit Doppelkupplung ins Gebüsch

Motor
24.07.2016 18:47

Bei den Autos geht eine Legende gerade in Pension, der Landrover Defender geht ein in die ewigen Jagd- und Offroad-Gründe. Bei den Motorrädern feiern wir die Wiederauferstehung der Legende namens Honda Africa Twin - 13 Jahre nach dem letzten verkauften Original. Dementsprechend heiß ersehnt war die Japanerin - und mit ihrem optionalen Doppelkupplungsgetriebe hat sie ein absolutes Alleinstellungsmerkmal.

(Bild: kmm)

Die neue Africa Twin (mit vollem Namen CRF1000L Africa Twin, so viel Zeit muss sein) ist auf den ersten Blick als Nachfahrin zu erkennen, auch wenn sie sich deutlich gereift präsentiert: Die Speichenräder mit goldfarbenen Felgenbetten, aber auch die Fahrzeugproportionen orientieren sich stark an den Ur-Modellen, deren Bau im Jahr 2000 eingestellt wurde; bis 2003 gab’s noch Restbestände. Und sie wirkt schlank, auch auf der Waage kann man ihr nicht allzu viel nachsagen. Mit 228 kg (232 kg mit ABS) bei vollem 18,8-Liter-Tank ist sie alles andere als übergewichtig.

Ein paar Kilo leichter wäre sie natürlich mit einem Alurahmen, aber Honda hat sich ganz bewusst für einen aus Stahl entschieden. Die Modelle RD04 und RD07 waren unter Globetrottern nicht zuletzt wegen ihrer Robustheit und Zuverlässigkeit hoch geschätzt, und im Fall des Falles lässt sich ein Stahlrahmen leichter zurechtdengeln bzw. -schweißen. Die Twinny ist eben kein Lifestylemoped, sondern ein ernsthaftes Langstreckenwerkzeug.

Statt eines 750 ccm-V-Motors mit 60 PS weist die aktuelle Africa Twin einen 1000er-Paralleltwin mit 95 PS auf (dieses Jahr noch nach Euro 3 homologiert). Damit ist klar, dass sie nicht mit der Reiseenduro-Spitzenklasse konkurrieren will: KTM und Ducati liegen bei bis zu 160 PS, Triumph bei 139, BMW und Aprilia bei 125 PS. In der gegnerischen Ring-Ecke stehen eher BMW F 800 GS, KTM 1050 Adventure, Triumph Tiger 800 XC & Co. Die Honda hat damit, was sie braucht, der Africa-Twin-Twin fühlt sich bestens an, zieht sauber und kräftig von unten heraus und klingt dabei auch noch sehr ansprechend, auch weil er mit 270 Grad Hubzapfenversatz einen V2-Charakter aufweist. Zwei Ausgleichswellen sorgen für hervorragende Manieren. Testverbrauch: 5,5 l/100 km.

Fahren und Bedienen
Es lässt sich gut weit reisen, man sitzt gut auf der straffen, 850 bis 870 mm hohen Sitzbank, bequem, aber nicht zu passiv. Einziges Manko ist der zu knapp bemessene Platz für den rechten Fuß, dessen Ferse am Auspuff anliegt, wenn man die Fußraste am Fußballen hat. Beim Fahren im Stehen passt aber alles. Schalter und Hebel sind hochwertig ausgeführt, das große Anzeigeinstrument ist gut ablesbar, drei Bereiche lassen sich mehr oder weniger frei konfigurieren (ohne vorher die Bedienungsanleitung studieren zu müssen). Besonders angenehm fallen die riesigen Blinkerkontrollleuchten auf. Der Windschild ist zwar nicht verstellbar, spart sich aber jegliche Verwirbelungen - und für ganz groß Gewachsene bietet das Zubehörprogramm eine größere Version (148 Euro). Für die Rückspiegel gibt es das leider nicht.

Einmal in Bewegung wirkt die Twinny leichter, als sie ist, obwohl das 21-Zoll-Vorderrad und die stabilitätsorientierte Geometrie im Onroad-Betrieb ihren Tribut verlangen. Ein Wiesel ist sie nicht, aber eben auch kein unhandliches Trumm, und mit dem breiten Lenker hat man sie stets gut im Griff. Mit Anlauf schafft sie 199 km/h, wobei ihr wiederum die Geometrie guttut.

Die Showa-Upside-Down-Gabel ist voll einstellbar, die Bremsanlage ist mit radial verschraubten Nissin-Vierkolbenzangen und schwimmend gelagerten 310-mm-Wave-Bremsscheiben bestückt. Sie verzögert gut, erfordert aber beherztes Zupacken. Beim Showa-Hinterraddämpfer der 655 mm langen ProLink-Schwinge kann die Federvorspannung per Drehknopf eingestellt werden. Zusätzlich sind Zug- und Druckstufe der Dämpfung einstellbar.

Federverstellung hinten (Bild: Stephan Schätzl)
Federverstellung hinten

Exklusiv: Das Doppelkupplungsgetriebe
In der Basis kommt die Twinny ohne alle Fahrhilfen. ABS und Traktionskontrolle kosten zusammen 900 Euro, viel mehr Elektronik gibt es nicht, weil man auf Ride-by-Wire verzichtet hat. So what. Dafür hat die Honda gegen einen Aufschlag von weiteren 1300 Euro sowie 10 kg das erneut weiterentwickelte Doppelkupplungsgetriebe DCT.

Grundsätzlich ist Automatik am Motorrad nicht jedermanns Sache, nach Auskunft des Herstellers ordert jedoch bereits jeder zweite Kunde das DCT. Der jeweils passende Gang wird automatisch eingelegt, auf Knopfdruck kann man sein Schicksal aber auch selbst in Daumen und Zeigefinger der linken Hand nehmen. Im Automatikmodus hat man die Wahl zwischen D und S, wobei S noch dreifach unterteilbar ist (einfach länger auf den D/S-Schalter drücken). Schaltet man im Automatikmodus manuell rauf oder runter, unterbricht ihn das nur kurzzeitig. Zusätzlich gibt es einen G-Modus (G = Gravel, also Schotter), der für Geländefahrten gesonderte Einstellungen hinsichtlich des Schaltverhaltens trifft.

Auf der Straße überlässt man der Automatik die Wahl des jeweiligen Ganges aus Bequemlichkeit, ihre Vorteile spielt sie aber vor allem im Gelände aus, etwa grundsätzlich beim Fahren im Stehen oder bei haarig-gerölligen Bergaufpassagen. Da ist das Schalten mit dem Fuß manchmal umständlich oder verlangt dem Fahrer alles ab - hier kann man sich das sparen. Außerdem rasten die Gänge stets sicher ein und man kann den Twin unmöglich abwürgen. Langsames Balancieren ist aber gewöhnungsbedürftig.

Die DCT-Version der Twinny hat statt des Kupplungshebels einen Feststellbremshebel. Der ist beim Fahren nicht im Weg, im angezogenen Zustand aber so nah am Lenkergriff, dass man die Bremse löst, wenn man zum Motorstarten automatisch quasi "die Kupplung zieht". Praktisch.

Der Handbremshebel ist nicht im Weg, aber bei Bedarf gut zu erreichen. (Bild: Stephan Schätzl)
Der Handbremshebel ist nicht im Weg, aber bei Bedarf gut zu erreichen.
(Bild: Stephan Schätzl)
(Bild: Stephan Schätzl)
(Bild: Stephan Schätzl)

Gut gerüstet fürs Gelände
Die Bodenfreiheit von 25 Zentimetern ist beträchtlich, die Federwege von 230 (vorn) bzw. 220 mm (hinten) auch. Dementsprechend weit taucht die Gabel beim kräftigen Bremsen ein. Das ABS regelt gut, aber nicht superfein, hinten lässt es sich deaktivieren (bis zum nächsten Motorneustart). Die Traktionskontrolle lässt sich dreistufig verstellen.

Für den Offroadeinsatz gibt es Schutzbügel im Zubehörprogramm, für die Koffer braucht man keine, weil die Kofferrasten integriert sind. Handguards sind bei der ABS-Version serienmäßig. Nicht zufriedenstellend ist die maximale Zuladung von 195 Kilogramm; ist reichlich Zubehör wie Stahl-Schutzbügel, Motor-Unterschutz, Zusatzbeleuchtung, Seitenkoffer (673 Euro), Top Case (474 Euro) etc. (oder alles und noch mehr um 3000 Euro Paketpreis montiert, wird’s im Soziusbetreib schnell eng.

(Bild: Stephan Schätzl)
(Bild: Stephan Schätzl)

Unterm Strich
Gut Ding will Weile haben. Honda hat die Aufgabe offenbar ernst genug genommen, die sich mit der Neuauflage der Legende gestellt hat Operation geglückt. Die Kunden reißen den Japanern die Africa Twin geradezu aus den Händen, die wenigsten allerdings zum Basispreis von 13.990 Euro. ABS muss schon sein und ein wenig Zubehör kann man sich schon gönnen. Immerhin sind LED-Doppelscheinwerfer serienmäßig - und permanent leuchtende Frontblinker. Auch da ist Honda der Konkurrenz voraus.

Warum?

  • Ausgewogenes Paket
  • LED-Scheinwerfer Serie
  • Optionales DCT

Warum nicht?

  • Nichts für Leistungsfetischisten
  • Magere Serienausstattung

Oder vielleicht …

… BMW F 800 GS, KTM 1050 Adventure, Triumph Tiger 800 XC …

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(Bild: KMM)



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