Burn-out! Erwin weiß, wie sich totale Erschöpfung anfühlt. Rund um die Uhr war der Wirt für seine Gäste da. Bis er zusammenbrach. Lesen Sie das Protokoll seiner Krankheit - und des Neustarts.
Der Schlüsselmoment meines Lebens war ein Sonntagmittag. Ausgerechnet. Unser Restaurant war brechend voll, Gäste warteten schon ungeduldig auf einen freien Tisch, das Telefon klingelte im Minutentakt. Und was macht der Wirt? Ich habe meine Schürze in eine Ecke geworfen, bin in den Garten gestürzt und habe mich auf ein Bankerl gesetzt. Da saß ich dann eine Stunde. Regungslos, starrte ins Leere.
Der pflichtbewusste "Filzi", so nennt man mich hier in Mitterbach am Erlaufsee: nur noch ein Häufchen Elend. Normalerweise erledige ich meine Arbeit gewissenhaft. Aber normal war in diesem Augenblick nichts mehr. Denn ich war krank. Und in diesem Moment wusste ich: Wenn ich mir nicht helfen lasse, dann geht alles den Bach hinunter, der Gasthof Filzwieser, die Beziehung zu meiner Frau, meine Freundschaften. Denn über meine Gefühle hatte ich schon lange mit niemandem mehr gesprochen.
Das Burn-out schleicht sich langsam in dein Leben. Fast heimtückisch. Es fängt damit an, dass dir der Alltag immer mehr zusetzt. Kamen Gäste unangemeldet oder wollten Anrufer nur bei mir reservieren, zitterte ich nervös. Reparaturen, mühsame Verhandlungen mit Lieferanten - das laugte mich immer mehr aus.
Ich spürte eine tiefe Leere in mir
Dann die Schlafstörungen. Stundenlang habe ich mich hin und her gewälzt. Auch unhöfliches Verhalten hat mir zu schaffen gemacht. Mich hat gekränkt, wenn Jugendliche zum Beispiel beim Bestellen in ihr Handy tippten, anstatt mir in die Augen zu schauen.
Lange habe ich es geschafft, die Fassade aufrechtzuerhalten. Freilich hat meine Frau gespürt, dass es mir nicht gut ging. Aber ich habe in dieser Zeit niemanden mehr an mich herangelassen. In mir drin spürte ich eine tiefe Leere. Ich hatte einfach keine Kraft mehr, empfand an nichts Freude.
Doch was an jenem Sonntagmittag im Herbst 2015 passiert ist, hatte doch etwas Gutes. Ich bin endlich zu meiner Hausärztin gegangen. Sie wusste gleich, was los ist, und hat mir zu einer Therapie geraten. Ich stimmte zu. Ich hatte nichts mehr zu verlieren. Dass mir die Kur in der Klinik Pirawarth helfen könnte, daran habe ich allerdings nicht geglaubt.
Wie falsch ich lag! Innerhalb weniger Wochen veränderte sich mein Leben. Ich habe dort gelernt, achtsamer mit mir umzugehen. Da geht es um Kleinigkeiten. Ich esse jetzt bewusster, nicht mehr nebenbei. Und ich halte mich körperlich fit.
Die Kur veränderte alles
Man hat mir auch beigebracht, zu delegieren. Ich weiß nun: Ohne mich geht es auch. Und ich sage jetzt "Stopp", wenn jemand Negatives bei mir abladen will. Darauf bin ich stolz.
Vor einer Woche bin ich zum ersten Mal Opa geworden. Ich habe fest vor, meine süße Enkeltochter Eva oft spazieren zu fahren. Ich weiß ja jetzt, was wirklich zählt im Leben!
Tipps und Infos:
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