Wenn sich ein Staat kurzfristig Geld borgt, zahlt er dafür nichts, sondern bekommt etwas - für Private undenkbar. Wenn eine Privatperson einen Kredit aufnimmt, muss sie dafür zahlen, Zinsen und Gebühren. Zwar sind erstere so niedrig wie noch nie, doch umsonst gibt es das Geld nicht. Anders sieht es bei Staatsanleihen aus, die begeben werden, wenn sich ein Land verschuldet.
Dort sind die Zinsen mittlerweile in großen Bereichen "negativ", man bekommt also noch Geld dafür, wenn man einen Kredit aufnimmt. Diese groteske Situation führt dazu, dass im Euroraum aktuell ca. 50 Prozent aller gehandelten Staatsanleihen eine negative Rendite haben. Weltweit sind es 32 Prozent, das entspricht einem Wert von über 8000 Milliarden Dollar (siehe Grafik).
Vor allem Anleihen mit kurzen Laufzeiten betroffen
Es trifft vor allem Anleihen mit kurzen Laufzeiten. Österreich zum Beispiel braucht für neue Schuldverschreibungen mit bis zu acht Jahren Laufzeit keine Zinsen zu zahlen, darüber sind es auch nur 0,2 Prozent. "Das führt dazu, dass wir trotz gestiegener Staatsverschuldung unterm Strich heute weniger Zinsen zahlen als vor Jahren", erklärt Bernhard Felderer, oberster "Schuldenhüter" beim Fiskalrat.
Je besser die Bonität eines Landes, desto billiger kann es sich verschulden. Im Fall von Deutschland gibt es bis zu einer Laufzeit von zwölf Jahren Negativzinsen, bei Italien oder Spanien sind es nur bis zu zweieinhalb Jahre. Möglich ist das nur durch die niedrige Inflation, die in der Eurozone um 0,1 Prozent liegt. Es findet keine Geldentwertung statt, daher nehmen es manche Investoren in Kauf, dass ihr Kapital eine negative Rendite hat, zum Beispiel bei heimischen Staatsanleihen aktuell 0,54 Prozent. Dafür sind Staatsanleihen dieser Länder extrem sicher, während zum Beispiel griechische Papiere zwar bis zu acht Prozent Zinsen bringen, dafür aber ist das Ausfallsrisiko höher.
Felderer: Pensionskassen und Versicherungen bedroht
Wer kauft etwas mit einer negativen Rendite? Viele große Fonds, Lebensversicherungen oder Pensionskassen nehmen monatlich Millionen ein, die sie veranlagen müssen. Sie haben strenge Vorschriften, zum Beispiel müssen sie einen bestimmten Prozentsatz in (sicheren) Staatsanleihen veranlagen. Felderer: "Das große Problem dabei ist, dass dadurch für die Anleger keine vernünftigen Renditen mehr zu erzielen sind. Das bedroht das ganze Geschäft."
Manche Banken verlangen sogar von Firmen, die große Beträge verlangen, Negativzinsen. Die Alternative, Milliarden in "Cash" liegen zu lassen, funktioniert in der Praxis nicht, weil auch das etwas kostet. Für Private sind Negativzinsen zum Beispiel am Sparbuch allerdings undenkbar, versichert die Nationalbank immer wieder.
"Die EZB scheint überfordert zu sein"
Verursacher des Ganzen ist die Europäische Zentralbank, die durch die extrem niedrigen Leitzinsen die Kreditvergabe ankurbeln will und den verschuldeten Staaten das Leben leichter macht. Felderer begründet: "Die EZB glaubt, dass sie nicht nur für Stabilität sorgen muss, sondern gleichzeitig auch für die Konjunktur zuständig ist. Damit scheint sie aber überfordert zu sein."
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