Pflanzen sind Nahrungslieferanten und deshalb überlebenswichtig für uns Menschen. "Bisher verstehen wir nur ansatzweise, wie Pflanzen wachsen. Eines ist jedoch klar: Vieles läuft anders als bei tierischen Organismen", weiß Dr. Jürgen Kleine-Vehn (Bild) vom Institut für Angewandte Genetik und Zellbiologie der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU). "Pflanzliche Zellen sind nämlich in einer Matrix, der Zellwand, miteinander verbunden und können daher nicht 'wandern'."
Aber wie errichtet eine Pflanze dann ihre Form, ohne ihre "Steine" (Zellen) bewegen zu können? Dieser Frage geht das internationale Forscherteam um Kleine-Vehn nach und durchleuchtet pflanzliches Wachstum mittels molekular- und zellbiologischer Methoden. Ihre Arbeiten an Pflanzenhormonen zeigen, wie diese die Teilungs- und Wachstumsrate der Zellen bestimmen. Das Hormon Auxin bindet im Zellkern an seiner sogenannten Andockstelle (Rezeptor), und dieses Signal bestimmt, welche Wachstums-Gene von der Erbsubstanz (DNA) abgelesen werden.
Die BOKU-Forscher haben dabei erkannt, dass Pflanzenzellen selbst entscheiden können, wie viel sie Auxin-abhängig wachsen. Ein Transporteiweiß kann das Hormon binden und in einen anderen "Raum" in der Zelle (ein sogenanntes Zellorganell) transportieren. Damit gelangt es nicht zu seinem Rezeptor in den Kern. Dieser Mechanismus kann in ausgewählten Zellen das Wachstumsprogramm einfach ausschalten.
In Zukunft könnte ein solcher Wachstumsschalter auch dazu genutzt werden, um Nutzpflanzen sozusagen zellgenau zu beeinflussen. Eine neuartige "Gen-Schere" (das sogenannte CRISPR/CAS9) erlaubt es nämlich mittlerweile, klassische Züchtungsmethoden mit molekularbiologischen Methoden zu ergänzen. Die so entstandene Pflanze unterscheidet sich letztendlich nicht mehr von traditionell gezüchteten Sorten.
Zur Person:
Der Pflanzenforscher Jürgen Kleine-Vehn wurde im niederrheinischen Wesel geboren. Als Stipendiat der Friedrich Ebert Stiftung hat er Zellbiologie, Genetik und Biochemie an den Universitäten Tübingen und Stanford studiert. Dort erwachte auch sein besonderes Interesse für Pflanzen, dem er zunächst in Tübingen und Gent wissenschaftlich nachging. 2011 lotste ihn der Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds (WWTF) nach Wien, um an der Universität für Bodenkultur eine Vienna Research Group (VRG) aufzubauen. Der Europäische Forschungsrat (ERC) hat den Wahlwiener unlängst mit einem hochdotierten "ERC Starting Independent Researcher Grant" ausgezeichnet.
In der Serie "Krone der Wissenschaft" stellen wir Projekte von Spitzenforschern und -forscherinnen in Österreich vor. Ausgewählt werden sie von Prof. Dr. Georg Wick, dem Leiter des Labors für Autoimmunität an der Medizinischen Universität Innsbruck.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.