Man verrät nicht zu viel, wenn man sagt, dass die am 2. September startende, zweite Staffel der Netflix-Serie "Narcos" Wagner Mouras letzte ist. "Wir alle wissen, dass Pablo Escobar sterben wird", sagt der brasilianische Schauspieler, der mit seiner Darstellung des Drogenbarons außerhalb seiner Heimat bekannt wurde und sich nun "mit gemischten Gefühlen" von der polarisierenden Figur verabschiedet.
Verschmitzt-diabolisch legte der 40-Jährige seine Version jenes Mannes an, der Anfang der 80er-Jahre die erste direkte Drogenroute von Kolumbien in die USA etablierte und Kokain im großen Stile in den Markt einführte. Zwar wird die Geschichte aus Sicht des Ermittlerduos Steve Murphy (Boyd Holbrook) und Javier Pena (Pedro Pascal) erzählt - Moura, in Brasilien nicht zuletzt dank der "Tropa de Elite"-Filme von Jose Padilha ein Filmstar, war und ist aber klar die Lichtgestalt der Produktion.
Staffel startet nach Gefängnisausbruch
Die zweite Staffel knüpft nun nahtlos an das Finale aus dem Vorjahr an, in dem Escobar aus dem eigens für ihn errichteten Gefängnis La Catedral flüchtete. "In der ersten Staffel haben wir 15 Jahre von Pablos Leben beleuchtet, vom ersten Tag, wo er Kokain sieht, bis zu dem Tag seiner Flucht", sagte Moura im Interview mit internationalen Medienvertretern in London. "Von seiner Flucht bis zu seinem Tod liegen nur elf Monate - da hätten wir nicht mehr als eine weitere Staffel daraus machen können."
Die Jagd auf Escobar durch die Behörden und die Unterstützung für "El Patron" vonseiten der Bevölkerung sind Themen in der abermals aus zehn Folgen bestehenden zweiten Staffel. "Jeder von uns ist allen voran ein Mensch", erläutert Moura die Faszination mit dem brutalen Drogenhändler. "Glauben Sie es oder nicht, aber auch Osama bin Laden war ein Mensch, den viele interessant, lustig, cool oder sexy fanden. Es kommt auf die Perspektive an, aus der man ihn betrachtet."
Jener ärmeren Bevölkerung, der Escobar mit seinem illegal verdienten Vermögen Häuser gebaut hat, könne man die Liebe zu ihm nicht vorwerfen. "Klassenunterschiede sind eine riesige Sache in Südamerika, Regierungen scheren sich nicht darum und kommen erst gar nicht bis in die armen Viertel." Escobar sei gefährlich, aber "ein guter Vater, ein guter Freund" gewesen.
Moura ist "erleichtert" über Projektende
Er selbst fühle sich zwar "erleichtert", das Projekt nun beendet zu haben. "Zugleich aber war 'Narcos' ein sehr wichtiger Teil meines Lebens. Ich habe dieser Serie so viel gegeben und so viel dafür bekommen", so Moura, der damit nicht seine Karriere, sondern sein Leben meint. "Das Wort 'Karriere' bedeutet mir nichts. Es war einfach eine richtig coole Sache für mich persönlich: Ich habe eine neue Sprache gelernt, habe zwei Jahre in einem anderen Leben gelebt und meine Kinder dorthin mitgenommen - sie sind dort zur Schule gegangen."
Gedreht wurde an Originalschauplätzen in Kolumbien, darunter in Medellin, der Heimatstadt von Escobar. "Wir Brasilianer fühlen uns sehr isoliert in Südamerika, weil wir Portugiesisch sprechen. Durch die Arbeit in Kolumbien mit Schauspielern aus Chile, Argentinien, Kolumbien und Mexiko habe ich mich erstmals als Teil von etwas Größerem als nur Brasilien gefühlt."
Moura plant sein Regiedebüt in Brasilien
Und dennoch: Nach dem Erfolg mit "Narcos" hält es Moura vorläufig in seiner Heimat. Im Jänner will er in Brasilien sein Regiedebüt drehen, eine Biografie über Carlos Marighella, den brasilianischen Revolutionär und Mitbegründer der Stadtguerilla. "Ich war schon immer fasziniert von ihm und dieser Zeit in Brasilien", so Moura über die ab 1964 herrschende Militärdiktatur. "Das ist eine Zeit, über die wir Brasilianer nicht reden, zu der wir keine gesunde Beziehung haben."
Noch in der Schule habe er gelernt, dass der Militärputsch 1964 "das Land vor dem Kommunismus gerettet hat". "Das ist eine Geschichte, die ich richtigstellen wollte, seitdem ich ein Bub war." Nicht zuletzt, weil das Militär aufgrund eines Amnestie-Erlasses für "sein Morden und Foltern" nie belangt wurde.
Unterstützung vom "City of God"-Produzenten
Seit vier Jahren arbeitet Moura daran, den Film finanziell auf die Beine zu stellen, wobei ihm der renommierte brasilianische Regisseur Fernando Meirelles ("City of God") als Co-Produzent zur Seite steht. "Es ist ein schlechter Moment, um in Brasilien einen Film über einen Kommunisten zu produzieren", so Moura, der das unter einer schweren Rezession und politischen Krise leidende Brasilien in der "vermutlich schlimmsten Krise seit dieser Diktatur" sieht. Als Filmemacher wie auch als Bürger fühle er sich verpflichtet, politische Projekte zu verwirklichen. "So wie ich auch 'Narcos' für eine sehr politische Serie halte."
Moura hofft auf eine Verlängerung der Serie, wenn auch ohne ihn. "Die Idee war, die Geburtsstunde des Drogenhandels zu untersuchen und weiterzuverfolgen", so der Brasilianer, der das Thema "stark genug" findet, "um es weiterzuführen" - etwa mit der Geschichte des Cali-Kartells oder der Drogenhochburg Mexiko. "Mexiko ist heute das, was Kolumbien in den 80er-Jahren war, beinahe ein Narco-Land!
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