Nach der Bluttat am Brunnenmarkt, bei der ein 21-Jähriger Anfang Mai eine Frau mit einer Eisenstange attackiert und tödlich verletzt hatte, ist von Justizminister Wolfgang Brandstetter eine Sonderkommission eingerichtet worden. "Nun gibt es erste Erkenntnisse", so Soko-Leiter Helfried Haas. Demnach war der Informationsfluss zwischen den Behörden mangelhaft.
Eingerichtet wurde die Soko, um allfälliges Behördenversagen im Vorfeld des Mordfalles klären, nachdem der psychisch auffällige Tatverdächtige ohne Aufenthaltstitel bereits seit Oktober 2010 mehrfach juristisch aufgefallen war. "Es hat viele Alarmsignale gegeben, die nicht ausreichend bewertet wurden", sagte der Soko-Leiter und Vizepräsidenten des Wiener Landesgerichts für Zivilrechtsachen.
Zurechnungsunfähig: Kein Mordprozess
Ein mittlerweile vorliegendes psychiatrisches Gutachten bescheinigt dem Kenianer Francis N. aufgrund von geistiger Abnormität Zurechnungsunfähigkeit, weshalb er mangels Schuldfähigkeit nicht wegen Mordes vor Gericht gestellt werden kann. In einem Prozess, für den es noch keinen Termin gibt, wird es um die Einweisung in eine Anstalt gehen. "Die Tat wäre vielleicht nicht passiert, wenn die Erkrankung behandelt worden wäre", konstatierte Haas. Jedenfalls hätte die "Wahrscheinlichkeit deutlich reduziert werden können".
"Notwendiges Gesamtbild nicht entstanden"
Außerdem habe es "eine Fülle von einzelnen Zeitpunkten gegeben, wo man hätte korrigierend eingreifen können". Denn bei zahlreichen öffentlichen Stellen und Behörden wurden im Laufe der Jahre Informationen über den Kenianer zusammengetragen, die Zusammenführung unterblieb jedoch. Damit gab es keine Institution, die über alle Informationen des jungen Obdachlosen verfügte. "Die Zahnräder haben nicht ineinandergegriffen, es ist nicht das notwendige Gesamtbild entstanden", so das erste Fazit des Soko-Leiters.
"Betreuung muss früher möglich sein"
Haas ortete auch eine "zu große Zurückhaltung bei der Polizei, eine Unterbringung zu veranlassen". Er forderte Schulungen der Beamten sowie Amtsärzte. Zudem müsse überlegt werden, eine ambulante Betreuung psychisch Kranker einzuführen. Eine solche gebe es derzeit - außerhalb der Krankenhäuser und Justizanstalten - nicht. "Eine Betreuung muss früher möglich sein", man dürfe nicht "so lange zuschauen bis etwas gravierendes passiert", forderte Haas.
Für die Mitglieder der Soko fand Haas lobende Worte: Die Zusammenarbeit "aller Mitglieder und Institutionen" sei demnach "sehr konstruktiv". "Ich habe den Eindruck, es wollen alle, dass etwas rauskommt", sagte Haas.
Kenianer war als Unruhestifter bekannt
Francis N. war - wie sich nach der Bluttat herausstellte - am Brunnenmarkt seit Längerem als Unruhestifter bekannt bzw. gefürchtet. Er lebte dort als Obdachloser und soll mit gewalttätigem Verhalten und als Cannabis-Straßenverkäufer eine Art "Stammkunde" der Polizeiinspektion Brunnengasse gewesen sein. Zweimal wurde er gerichtlich verurteilt - zuletzt hatte er 2013 acht Monate teilbedingt kassiert, wovon er zwei Monate absitzen musste. "Bewährungshilfe wurde nicht angeordnet. Doch das wäre eine Chance gewesen", kritisierte Haas. Hier hätte man "den Hintergrund genauer anschauen und vielleicht auch kritischer beurteilen müssen".
Der Mann hatte die Tat am 4. Mai verübt. Das spätere Opfer, die 54-jährige Maria E., befand sich mit einer Arbeitskollegin auf dem Weg zur Arbeit, als der 21-Jährige plötzlich zwischen zwei Marktständen auf sie losstürmte und auf sein Opfer einschlug.
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