Afrika-Flüchtling:

“Meine Freunde stellen sich EU als Paradies vor”

Ausland
20.09.2016 13:12

Rund 65 Millionen Menschen befinden sich weltweit auf der Flucht, etwa 19 Millionen von ihnen stammen allein aus Afrika. Dass uns Europäern die nächste große Flüchtlingswelle bevorsteht, darin waren sich die meisten Experten in der ARD-Sendung "Hart aber fair" am Montagabend einig. Unterstützt wurden ihre Sorgen durch eine Videozuspielung eines afrikanischen Flüchtlings aus Sierra Leone, der sagte: "Alle meine Freunde stellen sich Europa als ein Paradies vor, als einen Ort, an dem alles leicht ist."

"Wir träumen davon, dass in Europa alles besser wäre, man anständiges Essen bekommt, schöne Kleider und große Autos. So sehen wir Europa", so Bilal Kamara. Den Einwand des ARD-Interviewers, dass Europa von vielen als etwas ganz anderes als das Paradies gesehen werde, ließ er nicht gelten: "Europa kann nicht schwerer sein als Afrika."

(Bild: Screenshot7ARD)
Gestrandete Flüchtlinge in Libyen warten auf eine Überfahrt nach Europa. (Bild: AFP)
Gestrandete Flüchtlinge in Libyen warten auf eine Überfahrt nach Europa.

Ungarischer Botschafter: "Aus Europa eine Festung machen"
Peter Györkös, ungarischer Botschafter in Deutschland, nahm diese Aussagen zum Anlass und sprach sich klar für eine europaweite Abschottungspolitik aus. "Aus meiner Sicht gibt es gar keine Alternative dazu, aus Europa eine Festung zu machen. Nur so lässt sich die Bevölkerung des Kontinents überhaupt noch schützen", sagte er. Dass er mit dieser Position aneckt, sei ihm bewusst: "Harte Worte sind gefährlich. Aber Europa wird nicht in der Lage sein, alle Probleme Afrikas zu lösen." Er sagte aber auch, dass "Zäune Hilfe nicht ausschließen".

Peter Györkös, ungarischer Botschafter in Deutschland (Bild: Screenshot/ARD)
Peter Györkös, ungarischer Botschafter in Deutschland

Dem widersprach in der Sendung der deutsche Fußballprofi Neven Subotic, der in den 1990er-Jahren selbst als Flüchtling von Bosnien nach Deutschland gekommen war: "Wir fördern den Extremismus, indem wir Zäune aufstellen." Subotic zeigte Verständnis für die jungen Männer aus Afrika, die die gefährliche Flucht nach Europa wagen wollen: "Für meine Familie würde ich nichts anderes tun", sagte er - vor allem, weil sich mittlerweile herumgesprochen habe, dass es funktioniere. "Die Männer gehen nach Europa, finden Arbeit, können Geld an ihre Familien überweisen, die sich dadurch ein Überleben in der Heimat sichern können."

Auch ARD-Afrika-Korrespondentin Shafagh Laghai sieht eine massive Flüchtlingswelle aus Afrika auf Europa zurollen. "Wir hatten in der Vergangenheit Schwierigkeiten, bei den Menschen Interesse für Afrika zu wecken. Das ändert sich langsam, denn die Afrikaner sind die nächsten, die kommen werden." Allerdings schränkte die ARD-Frau ein: "Viele können sich eine Flucht nicht leisten."

Die ARD-Sendung "Hart aber fair" (Bild: Screenshot/ARD)
Die ARD-Sendung "Hart aber fair"

ARD-Korrespondentin: "Afrika braucht einen Wirtschaftsboom"
Die afrikanischen Staaten bräuchten dringend einen Wirtschaftsboom, um der wachsenden Bevölkerung eine lebenswerte Zukunft bieten zu können, so Laghai. Sie stellte sich daher auch gegen ein geplantes Freihandelsabkommen zwischen Europa und dem afrikanischen Kontinent. Solche Abkommen würden dafür sorgen, dass viele Produkte aus Europa schon bald zollfrei nach Afrika exportiert werden könnten. Das jedoch setze die dortigen Märkte weiter unter Druck, zerstöre Arbeitsplätze. "Wenn Billigprodukte aus Europa den afrikanischen Markt überschwemmen, dann verhindert das dort einen ökonomischen Aufstieg und schafft so wiederum neue Fluchtursachen." Worauf es vor allem ankomme, seien fairere Handelsbeziehungen zwischen den westlichen und den afrikanischen Staaten.

Laghai appellierte an die Moral der Europäer und forderte sie auf, mehr Verantwortung zu übernehmen. "Unser besseres Leben in Europa hat auch etwas mit dem schlechten Leben in Afrika zu tun, mit der Schokolade, die unsere Kinder essen, mit dem Handy, das wir benutzen", so die ARD-Korrespondentin. Den ungarischen Botschafter konnte sie damit nicht beeindrucken: "Es gibt kein Grundrecht auf ein besseres Leben", sagte Györkös.

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