Kein Scherz: Den Bewohnern des Wiener Bezirks Leopoldstadt könnte ein dritter Urnengang ins Haus stehen. Die NEOS denken nämlich offen über eine Anfechtung der am Sonntag erfolgten Wiederholung der Bezirksvertretungswahl nach. Grund sind die Probleme bei den Wahlkartenkuverts, sagte ein Parteisprecher am Mittwoch. Einige Personen könnten um ihr Wahlrecht gebracht worden sein. Die Stadt Wien weist jegliche Kritik von sich.
Was den NEOS sauer aufstößt: Von den 7422 ausgestellten Wahlkarten waren 3170 schadhaft (offizielle Zahlen der Wahlbehörde) und trafen so ungültig bei der Wahlbehörde ein. Die Wahlbehörde bot den Betroffenen daraufhin einen Tausch der Wahlkarte an. 2371 Wahlkarten wurden getauscht, allerdings gab es bei 799 angeschriebenen Bürgern keine Rückmeldung - diese Wahlkarten wurden nicht umgetauscht und als ungültige Stimmen gezählt. "799 Wähler haben alles richtig gemacht, richtig unterschrieben und die Wahlkarte zur Post gebracht - und hatten trotzdem keine Möglichkeit zu wählen", so die Wiener NEOS-Klubchefin Beate Meinl-Reisinger in der "Presse". Ihr zufolge wollte die Partei die Wahlwiederholung wegen der schadhaften Wahlkarten schon im Vorfeld verschieben.
Stadt Wien: "Viele wollten einfach nicht mehr wählen"
Die Stadt Wien lässt die erhobenen Vorwürfe von Meinl-Reisinger nicht gelten. "Wir haben alles versucht und alle 799 Wähler, die keine Wahlkarte angefordert haben, kontaktiert. Viele wollten aber einfach nicht mehr wählen", so ein Sprecher der Stadt gegenüber krone.at.
Die NEOS wollen dennoch politisch und rechtlich prüfen, "ob eine Anfechtung sinnvoll und möglich ist", bestätigte der Parteisprecher. Die NEOS belegte bei der Wahl mit 5,06 Prozent Platz fünf und zogen mit drei Mandaten in die Bezirksvertretung ein. Derzeit sammeln die Partei Hinweise von Bürgern, die eine defekte Wahlkarte bekommen haben, diese aber - etwa wegen eines Auslandaufenthalts - nicht mehr rechtzeitig gegen ein einwandfreies und somit gültiges Exemplar tauschen konnten.
"Was ist das für eine Schlamperei?"
Zu diesem Zweck haben die NEOS ein eigenes Sujet auf ihre Wahlplakatflächen, die noch einige Tage stehen bleiben, affichiert. Dort wird eine Hotline beworben, bei der betroffene Leopoldstädter aufgefordert werden, sich zu melden. "Wahlkarte defekt? Keine Möglichkeit für einen Umtausch? Melde dich bei uns!", heißt es auf dem Plakat, das mit "Was ist das für eine Schlamperei?" übertitelt ist.
Nach Bekanntwerden der Kleberprobleme bei den Wahlkarten hat sich Wien dafür entschieden, den Wahltermin - anders als bei der Bundespräsidentenstichwahl - nicht zu verschieben und stattdessen die schadhaften Exemplare zu tauschen. Das sei aber nicht allen Bürgern möglich gewesen, sagen die NEOS - etwa, weil sie zum Zeitpunkt der Verständigung durch die Behörde nicht in der Stadt bzw. im Land waren.
Entscheidung über Anfechtung Ende September
Außerdem berichten die NEOS von einem Fall, bei dem ein Wähler erst am Tag nach der Wahl die Benachrichtigung erhalten habe, dass seine Wahlkarte defekt beim Magistrat eingelangt sei und er sie tauschen könne. Dieser Wähler sei folglich um sein Wahlrecht gebracht worden. Laut Parteisprecher werden sich die NEOS noch einige Tage für die Entscheidung Zeit lassen und weiter Hinweise sammeln. Gegen Ende des Monats will man sich dann festlegen, ob man den Verfassungsgerichtshof erneut mit dem Leopoldstädter Urnengang befasst.
Die Wiederholung der Bezirkswahl vom Herbst 2015 war ebenfalls im Zusammenhang mit Wahlkarten nötig geworden. Damals ging es aber um Umstimmigkeiten bei der Auszählung und nicht um defekte Kuverts. Angefochten hatte den ersten Durchgang die FPÖ.
Grüne bei Wahlwiederholung klar auf Platz eins
Die Wahlwiederholung am Sonntag hatte einen überraschenden Machtwechsel gebracht: Die Grünen schafften klar den ersten Platz, die SPÖ unter ihrer Bezirksparteivorsitzenden Sonja Wehsely rutschte auf Platz zwei ab und muss den Bezirksvorsteher an die Grünen abgeben. Für die FPÖ reichte es wie schon beim ersten Urnengang im Oktober 2015 lediglich zu Platz drei.
Abgewählter SP-Bezirksvorsteher zurückgetreten
Das SPÖ-Debakel hat nun auch erste personelle Konsequenzen: Der überraschend von den Grünen geschlagene Bezirkschef Karlheinz Hora zieht sich zurück und wird somit nicht den vakanten Posten des roten Vorsteherstellvertreters einnehmen. Mit diesem Amt wird Astrid Rompolt (42) betraut - und zwar weiterhin, denn sie war schon bisher Vizevorsteherin. Diese Personalia hat die Bezirksfraktion am Dienstagabend einstimmig beschlossen, Hora wird sich gänzlich aus der Politik zurückziehen. Seine Ära in der Leopoldstadt dauerte lediglich dreieinhalb Jahre. Bürgermeister und Landesparteichef Michael Häupl bezeichnete die SPÖ-Verluste bei der Bezirkswahl als "katastrophal". Er räumte ein, dass das rote Stammklientel auf eine "Kerngröße" geschrumpft sei.
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