Die mit Hochspannung erwartete Entscheidung im Grazer Amok-Prozess gegen Alen R. ist gefallen: Der 27-Jährige wurde am Donnerstagabend im Straflandesgericht zu lebenslanger Haft verurteilt. Er wurde für schuldig befunden, bei seiner Amokfahrt durch Graz im Juni 2015 drei Menschen getötet und 108-fachen Mordversuch begangen zu haben. Die Geschworenen entschieden, dass er zum Tatzeitpunkt zurechnungsfähig war, obwohl zwei von drei Psychiatern anderer Meinung waren. Zusätzlich wurde eine Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher verfügt.
Acht Tage lang wurde im Gerichtssaal nochmals die Amokfahrt vom 20. Juni 2015 lebendig. Schon zu Beginn der Verhandlung wurde klar, dass die zentrale Frage die nach der Zurechnungsfähigkeit von Alen R. sein würde. Die Tat selbst stand außer Frage, der 27-Jährige war "mit bis zu 80 km/h" durch die Grazer Innenstadt gerast, so Staatsanwalt Rudolf Fauler. Dabei tötete er einen 28-jährigen Mann, einen vierjährigen Buben und eine 53-jährige Frau. Rund 50 Personen wurden teils schwer verletzt, zahlreiche weitere durch das Schockerlebnis geprägt.
Emotionale Zeugenaussagen prägten Prozess
Alen R. saß während der gesamten Verhandlung mehr oder weniger unbeteiligt in einem weißen Anzug da und wiederholte klischeehaft: "Es tut mir leid, ich kann mich nicht erinnern." Die Aussagen der Zeugen waren emotional und teilweise erschütternd. Ein Mann erzählte etwa weinend, wie der kleine Bub neben ihm getötet worden war, eine Zeugin war neben der Frau gestanden, die starb: "Die tote Frau hat mir das Leben gerettet, ich habe erst durch den Aufprall hingeschaut", schilderte sie unter Tränen.
Ein junges Mädchen war vom Geländewagen des 27-Jährigen erfasst worden und "hat nicht mehr ausgeschaut wie ein Mensch", beschrieb es eine geschockte Augenzeugin, die der Schwerstverletzten Erste Hilfe geleistet hatte. Alle Befragten sagten übereinstimmend, der Fahrer habe sie gezielt anvisiert. Viele hatten beinahe zu spät begriffen, dass das Auto tatsächlich auf sie zuhielt, und sich erst im letzten Moment retten können.
Uneinigkeit bis zuletzt über Geisteszustand des Täters
Drei psychiatrische Gutachter und eine Psychologin gaben Auskunft über die Zurechnungsfähigkeit von Alen R. - und hier schieden sich die Geister. Der Sachverständige Peter Hofmann bescheinigte dem 27-Jährigen "paranoide Schizophrenie" und stufte ihn aufgrund dieser schweren Geisteskrankheit als nicht zurechnungsfähig ein. Der gleichen Meinung war Gutachter Jürgen Müller, der von einem "akuten Wahn" sprach und erklärte, "bei einem geschlossenen Wahngebäude ist die Zurechnungsfähigkeit aufgehoben".
Der Grazer Psychiater Manfred Walzl kam dagegen zu der Ansicht, R. habe "den Wahn im Nachhinein als Rechtfertigung für die Tat angegeben", sei aber zum Tatzeitpunkt zurechnungsfähig gewesen. Ähnlich äußerte sich die Psychologin Anita Raiger, die eine "psychopathische Störung" feststellte und meinte: "Von der Persönlichkeit her ist er ein hochgefährlicher Mensch." Trotzdem habe R. genau gewusst, was er tat, und alles geplant, so die Gutachterin.
Geschworene entschieden einstimmig nach Bauchgefühl
In den Schlussplädoyers wurde seitens der beiden Staatsanwälte nochmals das Horror-Geschehen aufgerollt: "Er hat vielen Menschen großes Leid zugefügt", so Rudolf Fauler. Sein Kollege Hansjörg Bacher ging auf die Frage der Zurechnungsfähigkeit ein. "Sie können nicht falsch entscheiden, sie haben immer einen Professor hinter sich", betonte der Staatsanwalt. Zwei psychiatrische Sachverständige hatten R. für nicht zurechnungsfähig eingestuft, einer für zurechnungsfähig. "Sie dürfen nach Ihrem Bauchgefühl entscheiden", gab Bacher den Laienrichtern mit auf den Weg. Verteidigerin Liane Hirschbrich forderte die Geschworenen auf, ihren Mandanten für unzurechnungsfähig zu erklären.
Die Geschworenen entschieden einstimmig, dass Alen R. schuldig ist und zum Tatzeitpunkt zurechnungsfähig war. Dreifacher Mord und 108-facher Mordversuch lautete das Urteil. Als Strafe wurde lebenslange Haft und eine Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher verfügt. Die Staatsanwaltschaft gab keine Erklärung ab, die Verteidigerin kündigte Nichtigkeitsbeschwerde an. Das Urteil ist daher nicht rechtskräftig.
Richter Andreas Rom sagte zum Strafausmaß, es habe sich mildernd ausgewirkt, dass es in 108 Fällen beim Mordversuch geblieben sei. Erschwerend sei hingegen gewesen, "dass die Opfer keine Chance hatten, auszuweichen".
Knappe Worte des Verurteilten: "Habe aus Angst gehandelt"
Alen R. reagierte auf das Prozessende wortkarg: "Ich habe aus Angst gehandelt", ließ er die Anwesenden wissen und wurde danach abgeführt. Laut seiner Verteidigerin wolle R. unbedingt in der Grazer Justizanstalt Karlau bleiben. Ihr Mandant wolle nicht zurück ins Gefängnis im niederösterreichischen Göllersdorf, weil er in Graz seinen Eltern wesentlich näher wäre.
Schon unmittelbar nach der Urteilsverkündung gab es die ersten Reaktionen in den sozialen Netzwerken:
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