Referendum in Ungarn

Kurz: “Orbans Asylpolitik nicht verurteilen”

Österreich
02.10.2016 09:33

Die Ungarn stimmen am Sonntag in einem Referendum über die europäische Flüchtlingspolitik ab. 8,3 Millionen Wahlberechtigte sollen die Frage beantworten, ob sie eine "verpflichtende Ansiedlung von nicht-ungarischen Bürgern" auf Basis von EU-Beschlüssen befürworten. Während die meisten EU-Politiker die Abstimmung scharf kritisieren, warnt Österreichs Außenminister Sebastian Kurz davor, die Politik des ungarischen Premiers Viktor Orban zu verurteilen: "Es ist gefährlich, wenn einige Staaten in der EU den Eindruck erwecken, anderen Mitgliedsländern moralisch überlegen zu sein."

Die EU solle trotz bestehender Beschlüsse nicht länger an einer Umverteilung von Flüchtlingen auf alle Mitgliedsstaaten festhalten, so Kurz in der "Welt am Sonntag". Mitteleuropäische Staaten hätten in der Flüchtlingsfrage den Fehler gemacht, den anderen Staaten in der EU ihre Linie aufzwingen zu wollen, so Kurz gegenüber der deutschen Zeitung.

"Es ist gefährlich, wenn einige Staaten in der EU den Eindruck erwecken, anderen Mitgliedsländern moralisch überlegen zu sein", so Kurz. "Wäre unser oberstes Ziel von Anfang an nicht die Verteilung von Flüchtlingen, sondern der Schutz der Außengrenzen gewesen, dann hätte es dieses Referendum in Ungarn vermutlich niemals gegeben." Staaten wie Ungarn, Polen oder die Slowakei hätten die "Einladungspolitik von Beginn an nie unterstützt".

Sommer 2015: Flüchtlinge auf dem Weg nach Österreich (Bild: APA/HERBERT P. OCZERET)
Sommer 2015: Flüchtlinge auf dem Weg nach Österreich

Quoten-Debatte "gefährlicher Spaltpilz" für EU
"Wir sollten nicht den Eindruck erwecken, dass es in Europa zwei verschiedene Klassen von Mitgliedern gibt", sagte der Außenminister weiter. Die Quoten-Debatte könne den Zusammenhalt der EU gefährden: "Sie ist ein gefährlicher Spaltpilz, der für Unruhe, Missverständnisse und Anfeindungen sorgt." Die Umverteilung nach Quoten funktioniere nicht, weil viele Länder nicht bereit seien, eine hohe Zahl an Flüchtlingen aufzunehmen. "Ein weiterer Grund ist aber auch, dass viele Flüchtlinge sich weigern, in bestimmte EU-Länder zu gehen", so Kurz. Sollten die bislang zur Umverteilung vereinbarten 160.000 Flüchtlinge weiterhin in demselben Tempo wie bisher auf die EU-Länder aufgeteilt werden, dauere das 30 Jahre.

Der Außenminister ließ auch mit scharfen Worten gegenüber der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel aufhorchen. Merkel hatte angekündigt, dass Deutschland bald monatlich mehrere Hundert Flüchtlinge aus Griechenland und Italien aufnehmen wolle. "Diese Politik ist falsch", sagte Kurz der "Welt am Sonntag".

Grenzsperre an der kroatisch-serbischen Grenze (Bild: APA/AFP/LASZLO LAUFER)
Grenzsperre an der kroatisch-serbischen Grenze

Merkel-Politik "fördert Geschäft der Schlepper"
Ziel sei offenbar, die beiden Mittelmeerländer zu entlasten. Erreicht werde aber das Gegenteil - nämlich vermutlich noch mehr Flüchtlingsandrang nach Griechenland und Italien. Solange man Migranten das Gefühl gebe, dass es sich lohne, nach Italien oder Griechenland zu kommen, weil man am Ende in Deutschland lande, "fördert man das Geschäft der Schlepper und löst weitere Flüchtlingsströme aus", sagte Kurz.

Mehr als acht Millionen Ungarn sind aufgerufen, über die EU-Flüchtlingspolitik abzustimmen. Es wird mit einem deutlichen Nein zu Beschlüssen und Plänen der EU für die gleichmäßigere Verteilung von Asylwerbern auf die Mitgliedsländer gerechnet. Allerdings ist unsicher, ob die Abstimmung gültig sein wird. Dazu wäre nötig, dass mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten eine gültige Stimme abgibt. Mit dem Ergebnis wird am späten Abend gerechnet.

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