Bei Automatenrazzia

Polizei verletzte Menschenwürde einer Rumänin

Österreich
05.10.2016 14:23

Die Polizei ist wegen ihres besonders brutalen Vorgehens bei einer Automatenrazzia in Oberösterreich im Juni gerügt worden. Laut Landesverwaltungsgericht haben die Beamten die Menschenwürde der anwesenden Angestellten verletzt. Die Frau wurde lange in einem Raum festgehalten, durchsucht, musste sich ausziehen und nackt nach vorne beugen. Zu trinken bekam die Rumänin trotz Übelkeit nichts.

Auch sonst sind die Beamten von Finanzpolizei, Polizei und Cobra bei dem mehr als dreistündigen Einsatz am 22. Juni nicht zimperlich vorgegangen. Die Eingangstür des Lokals, in dem sie Glücksspielautomaten vermuteten, brachen sie mit Rammbock, Spaten und Winkelschleifer auf. Die Überwachungskameras versuchten sie gewaltsam außer Funktion zu setzen. In einem Zwischenraum wurden ein Stehtisch "achtlos beiseite gestoßen und Barhocker umgeworfen" - und das alles mit gezückten Pistolen.

Einsatz war gesetzlich nicht gedeckt
Allein schon, dass die Landespolizeidirektion Oberösterreich überhaupt eine Cobra-Einsatztruppe beigezogen hat, ist für das Landesverwaltungsgericht (LVwG) "überschießend", wie es in dem Urteil heißt. Dies umso mehr, als es sich nur um eine Kontrolle nach dem Glücksspielgesetz handelte und nicht der Verdacht einer strafbaren Handlung nach Strafgesetzbuch vorlag.

Aber selbst wenn eine strafbare Handlung vermutet worden wäre, wäre der Einsatz gesetzlich nicht gedeckt gewesen, weil die einschreitenden Organe weder eine Ermächtigung der Staatsanwaltschaft und schon gar keine richterliche Bewilligung der Razzia hatten, so das LVwG.

Angestellte mit Waffe bedroht
Haarsträubend liest sich auch, wie die anwesende Angestellte behandelt wurde. Die Rumänin wurde mit einer Waffe bedroht, in die Küche gezerrt und von Polizeibeamtinnen am ganzen Körper durchsucht. Die Ermittler dachten, dass die Frau eine Funkfernbedienung bei sich haben könnte, mittels der sie den Austritt von Reizgas aus den Spielautomaten auslösen könnte.

Für den LVwG-Richter passt das nicht zusammen: Die Cobra-Beamten waren zwar "überproportional" ausgerüstet, nämlich mit Schusswaffen, schusssicheren Westen und Spezialhelmen, trugen aber keine Gasmasken. Die Einsatzleitung habe also nicht mit einer "akuten Gefährdung" gerechnet.

Frau musste sich nackt nach vorne beugen
Die Angestellte, die zwar unkooperativ war, aber zu keinem Zeitpunkt gefährlich oder aggressiv, wurde etwa eine Stunde von Polizeibeamtinnen in einem Raum festgehalten. "Obwohl sie bloß mit einem eng anliegenden ärmellosen Top, Leggings, Unterwäsche und Schuhen bekleidet war", wurde ihr ganzer Körper abgetastet, um den bei ihr vermuteten Fernfunkauslöser zu finden.

"Unter derartigen Umständen" haben sie die Beamtinnen dann noch aufgefordert, "ihre Kleidung vollständig abzulegen, um eine Besichtigung ihres unbekleideten Körpers vornehmen zu können", was laut Gericht "mehr als seltsam" anmuten muss. "Völlig unverständlich" ist dann dem Erkenntnis zufolge "der von den Polizeibeamtinnen an sie zusätzlich ergangene Befehl, sich in nacktem Zustand nach vorne bücken zu müssen".

Sechs Zahnkronen ausgebissen
Die Beamtinnen haben der Angestellten zudem "trotz erkennbarer Übelkeit und mehrfachen entsprechenden Ersuchens die Einnahme von Wasser über einen langen Zeitraum hinweg verweigert", stellte das Gericht fest. Sie hat sich aufgrund der psychischen Belastung sechs Zahnkronen ausgebissen.

Der Linzer Landesverwaltungsrichter sieht die Frau klar in ihrem Grundrecht auf Menschenwürde und auf Nichtvornahme einer erniedrigenden Behandlung verletzt. Die Entscheidung des LVwG hat noch keine direkten Folgen, ist aber Grundlage für ein allfälliges Amtshaftungsverfahren vor einem Zivilgericht. Damit ein ordentliches Gericht überhaupt feststellen kann, ob sich zum Beispiel Polizisten schuldig gemacht haben, braucht es nämlich die Feststellung einer Rechtswidrigkeit. Und diese liegt jetzt mit dem LVwG-Erkenntnis vor.

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