Auf dem Innenski am Schuh ausgerutscht. Passiert den Besten der Welt oft - endet aber selten so bitter wie für Anna Veith an diesem 21. Oktober 2015: Kreuz- und Seitenband gerissen, Patellasehne ab. Eine Welt brach zusammen, eine völlig neue tat sich auf. Weshalb die Doppel-Olympiasiegerin den emotionalen Rückweg aus der erzwungenen Pause in ihrem Buch "Zwischenzeit" festhielt. Das große "Krone"-Interview. Im Video oben sehen Anna bei Ihren Comeback-Arbeiten vor etwa drei Monaten.
"Krone": Anna, das erhoffte Comeback in Sölden blieb zuletzt aus. Wie stark trifft Sie der Rückschlag?
Anna Veith: Ich sehe das nicht als Rückschlag, weil ich wusste, dass mit meiner schweren Verletzung der Start beim Weltcup-Auftakt ein hochgestecktes Ziel ist. Ich habe es probiert, aber es fehlt noch etwas, ich muss so cool bleiben. Wenn ich langfristig denken will, muss ich mir Zeit geben. Das tue ich - auch wenn es nicht leicht ist.
Wie geht es Ihnen eigentlich mit der von einer Tageszeitung angedichteten Schwangerschaft?
Was soll ich sagen, das hat mich einfach nur amüsiert. Kinder-Früchtemus gibt es bei mir wegen des empfindlichen Magens vorerst weiter nur zwischen den Durchgängen.
Sehen Sie Ihr Buch als Aufarbeitung des letzten Jahres, oder wollen Sie auch einmal die andere Seite der erfolgreichen Rennläuferin zeigen?
Es ist eine Mischung aus beidem. Ich hatte die Chance, alles aufzuarbeiten, indem ich diese Geschichte erzählen darf. Es ist in den letzten Jahren so viel passiert.
Sie nennen diese Zwangspause die prägendste Zeit Ihres Lebens - warum genau?
Vor der Verletzung ist alles in einem irren Tempo gegangen, dann von einem auf den anderen Moment auf einmal in Zeitlupe. Das hatte nichts mehr mit dem Leben zu tun, das ich davor hatte, man nimmt sich selbst anders wahr, fühlt sich sogar anders. Ich hatte auch die Zeit zu sehen, was ich davor geleistet habe, das geht durch die Schnelllebigkeit im Skizirkus auch leicht verloren.
Ihr damaliger Freund und jetziger Mann Manuel spielt eine absolute Schlüsselrolle. Hätten Sie alleine auch die Kraft für ein Comeback gehabt?
Ein Mensch an deiner Seite ist in der Reha, in der es genügend Tage gibt, an denen es nicht läuft, wie du es dir vorstellest, extrem wichtig. Manuel ist eine starke Stütze, ich bin ihm sehr dankbar und könnte mir das Leben nicht anders vorstellen. Er ist der einzige Mensch, bei dem ich wirklich immer ich selbst sein kann.
Erst waren Sie für vier Jahre eine Bräunlinger, nach der Hochzeit ihrer Eltern eine Feninger, jetzt eine Frau Veith. Noch ungewohnt?
Nein, außerdem wird mein Nachname immer kürze, ist leicht zu merken. Der Name Fenninger war mit den Erfolgen bisher verknüpft, der neue Name soll es mit den hoffentlich folgenden sein. Ich will eine neue Geschichte schreiben.
Das Positive an der Pause?
"Direkt nach dem Sturz ist im Krankenhaus viel Druck von mir abgefallen. Wenn du die Nummer eins bist, will dich jede immer schlagen, auch im Training. Ich wäre dann trotzdem lieber bei den Rennen dabei gewesen als daheim vor dem Fernseher, aber so hatte ich erstmals wieder so etwas wie eine innere Ruhe. Die findest du im Weltcup, wo man immer Leistung bringen muss und die Sommerpause kurz ist, schwer.
Welche Fehler haben Sie auf dem Weg zum Comeback gemacht?
Ich habe beim Knie zuerst auf Muskelwachstum gesetzt, bevor die volle Funktionsfähigkeit wieder hergestellt war. Ich habe oft gehört, ich solle mir Zeit lassen - und habe auch wirklich geglaubt, dass ich es tue. Aber wenn es heißt, dass ich die Krücken wohl nach sechs Wochen weglegen kann, wollte ich sie um keinen Preis einen Tag länger. Im Nachhinein wäre eine siebente Woche auch nicht schlimm gewesen. Ich bin von Natur aus ein eher ungeduldiger Mensch.
Der emotionalste Moment war eine kurze Fahrt auf Skiern, bei der Sie sogar von Touristen überholt wurden.
Der 11. März 2016 hat sich eingebrannt. Da bin ich erstmals wieder eine Anfängerpiste hinuntergerutscht, ohne echten Schwung, einfach nur so am Schnee dahin. Wenn du dazwischen so oft zweifelst, ist das unbeschreiblich. Die prägendste Episode meiner Rückkehr.
Sie schreiben, dass Sie nie wieder die sein wollen, die am meisten trainiert. Sondern die, die am besten auf ihren Körper hört …
Um das so zu sehen, hilft die Distanz. Wenn man im Rad drin ist, Rennen auf Rennen folgt, hat man zwar das Gefühl, es könnte zu viel sein, traut sich aber nicht, Konsequenzen folgen zu lassen. Diese Phasen sind schwierig. Aber du musst auf deinen Körper hören, der gibt das Tempp vor, steht über dem Trainingsplan! Das Übertraining an Kniebeugen, mit dem meine Schmerzen im linken Knie vor Jahren begannen, würde mir jetzt wohl nicht mehr passieren.
Zu Beginn Ihrer Karriere haben Sie im Weltcup auf vier Hochzeiten gleichzeitig getanzt …
Damals wollte man vom Start weg Allrounderinnen hervorbringen, die später um den Gesamtweltcup mitmischen. Es waren für mich lange Jahre des Misserfolgs. Das von Beginn weg so durchzuziehen, ist eine Belastung, die man niemandem zumuten kann. Leider bekam mein Wort erst Gewicht, als ich Erfolg hatte. Heute ist das bei den Jüngeren schon anders.
Was würden Sie beim Sommertheater mit dem ÖSV im Nachhinein anders machen?
Natürlich fragt man sich, was man hätte anders machen können. Dass mein E-Mail an den ÖSV-Verantwortlichen 2015 an die Öffentlichkeit gelangt, war nie geplant. Bis zur Verletzung dachte ich, dass mich nichts mehr Kraft kostet, als diese 27 Tage bis zur Einigung mit dem ÖSV. Man glaubt oft, es kann nichts mehr kommen, das einen so umwirft. Und dann kommt es doch. Ich habe gelernt, dass das einfach das Leben ist. Ich nehme diese Herausforderungen an - deshalb arbeite ich am Comeback.
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