Terrorvorwürfe
Türkei: Kurdische Spitzenpolitiker verhaftet
Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan erhöht den Druck auf Oppositionspolitiker weiter. Im Zuge mehrerer Razzien in der Nacht auf Freitag wurden die beiden Vorsitzenden der prokurdischen Partei HDP festgenommen. Selahattin Demirtas und Figen Yüksekdag seien im Rahmen einer "anti-terroristischen Operation" abgeführt worden, berichtete die Nachrichtenagentur Anadolu. In der Kurdenmetropole Diyarbakir im Südosten der Türkei detonierte am Freitag eine Autobombe vor einem Gebäude der Polizei.
Laut Regierungsangaben kamen mindestens acht Menschen ums Leben. Unter den Toten soll sich auch ein "Terrorist" der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK befinden. Mehr als 100 Menschen wurden verletzt.
Twitter und WhatsApp blockiert
Bei nächtlichen Razzien hatte die Polizei wenige Stunden zuvor neben Demirtas und Yüksekdag neun weitere prokurdische Abgeordnete festgenommen. Demirtas wurde einem Bericht von CNN Türk zufolge von Polizisten aus seinem Haus in Diyarbakir abgeführt. Kurz vor seiner Festnahme hatte er eine Erklärung über Twitter verbreitet: "Vor der Tür meines Hauses stehen Polizisten mit der Anweisung zur Vollstreckung eines Haftbefehls." Am Freitagnachmittag wurde verlautbart, dass gegen ihn und sein Kollegin Yüksekdag die Untersuchungshaft verhängt worden sei.
Der Zugang zu den sozialen Netzwerken Twitter und WhatsApp ist laut der Beobachtergruppe Turkey Blocks derzeit blockiert. Präsident Erdogan beschuldigt die Partei HDP, der verlängerte Arm der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK zu sein.
Auf Betreiben Erdogans war im Mai die Immunität von Demirtas und Yüksekdag aufgehoben worden. Das war eine der international als repressiv kritisierten Maßnahmen, mit denen die Führung um Erdogan auf den gescheiterten Militärputsch im Juli reagierte. Zuletzt waren die Behörden auch massiv gegen kritische Medien vorgegangen, etwa gegen die Zeitung "Cumhuriyet".
Kurdenpartei: "Politische Lynchjustiz"
Der Sprecher der HDP verurteilte am Freitag die Festnahme seiner Parteikollegen scharf. Ayhan Bilgen sprach von einer "politischen Lynchjustiz" und rief HDP-Anhänger zu Solidarität und Protesten auf. In Wien fand noch am Freitagabend eine Spontan-Demonstration vor dem Parlament statt.
Die EU-Kommission zeigte sich besorgt. EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini will sich mit den EU-Botschaftern in Ankara beraten. Die Beziehungen zur Türkei sind für die EU besonders wichtig, weil das Land bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise eine entscheidende Rolle spielt. Seit ein Abkommen mit der Regierung in Ankara geschlossen wurde, kommen kaum noch Migranten über den NATO-Staat nach Europa. Allerdings belastet das massive Vorgehen der türkischen Behörden gegen Oppositionelle und Medienvertreter nach dem Putschversuch vom Juli die Beziehungen.
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