Verhaftungswelle
Deutschland bietet verfolgten Türken Asyl an
Aufgrund der aktuellen Verhaftungswelle gegen Kritiker der Erdogan-Regierung in der Türkei hat Deutschland politisch verfolgten Türken Asyl in der Bundesrepublik angeboten. "Deutschland ist ein weltoffenes Land und steht allen politisch Verfolgten im Grundsatz offen", sagte Michael Roth, Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt, am Dienstag gegenüber der "Welt".
Das Recht auf Asyl gelte demnach nicht nur für Journalisten: "Alle kritischen Geister in der Türkei sollen wissen, dass die Bundesregierung ihnen solidarisch beisteht." Es gebe bereits verschiedene Programme, die auch türkischen Wissenschaftlern und Journalisten offenstehen, sagte der SPD-Politiker. Über die Aufnahme politisch Verfolgter würden die zuständigen Behörden entscheiden.
Roth übte auch scharfe Kritik am türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan: "Was derzeit in der Türkei geschieht, hat mit unserem Verständnis von europäischen Werten, Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Medienfreiheit nichts zu tun. Deshalb ist unsere Antwort gegenüber der türkischen Regierung auch glasklar: So nicht!"
35.000 Verhaftungen seit Putschversuch
Die Menschenrechtslage im NATO-Mitgliedsland Türkei sorgt seit Wochen für Kritik. So wurden in der vergangenen Woche die Chefs der prokurdischen Oppositionspartei HDP verhaftet. Seit dem gescheiterten Putsch vom 15. Juli haben die türkischen Behörden Repressionsmaßnahmen gegen weite Teile der Gesellschaft ergriffen, darunter das Bildungswesen, die Medien, die Streitkräfte und die Justiz. Rund 35.000 Menschen wurden festgenommen, Zehntausende weitere wurden aus dem Staatsdienst entlassen.
Platzt EU-Türkei-Flüchtlingsdeal?
Die jüngste Verhaftungswelle gegen kurdische Politiker hat in der EU große Besorgnis ausgelöst. Zahlreiche Spitzenpolitiker übten scharfe Kritik am Vorgehen der Regierung in Ankara gegen Oppositionelle - darunter auch Bundeskanzler Christian Kern und Außenminister Sebastian Kurz. Da es bereits seit geraumer Zeit eindeutige Signale aus der Türkei gebe, die auf ein Platzen des im März geschlossenen Flüchtlingsabkommens mit der EU hindeuteten, müsse sich Europa "auf die nächsten Schritte in der Politik gegenüber der Türkei vorbereiten", meinte der Kanzler am Wochenende gegenüber der "Krone".
Methoden in der Türkei "wie unter Nazi-Herrschaft"
Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn verglich die aktuellen Entwicklungen in der Türkei gar mit denen in der NS-Zeit. Zum Vorgehen gegen Regierungsgegner unter dem von Erdogan ausgerufenen Ausnahmezustand sagte Asselborn am Montag im Deutschlandfunk: "Das sind Methoden, das muss man unverblümt sagen, die während der Nazi-Herrschaft benutzt wurden."
Kurdenpartei: "Politische Lynchjustiz"
Auch der Sprecher der prokurdischen HDP verurteilte am vergangenen Freitag die Festnahme seiner Parteikollegen scharf. Ayhan Bilgen sprach von einer "politischen Lynchjustiz" und rief HDP-Anhänger zu Solidarität und Protesten auf. In Wien fand noch am Freitagabend eine Spontan-Demonstration vor dem Parlament statt.
HDP-Chef spricht von "Imperium der Angst"
Nach seiner Verhaftung hat HDP-Chef Selahattin Demirtas Europa um mehr Unterstützung gebeten. Seine Partei wünsche sich eine entschiedenere Haltung der europäischen Öffentlichkeit und Institutionen gegen "unrechtmäßige Akte der Unterdrückung" in der Türkei, ließ Demirtas am Dienstag über seinen Anwalt und seine Partei aus der Untersuchungshaft mitteilen. Der HDP-Chef sprach von einem "Imperium der Angst" in der Türkei, das es zu überwinden gelte.
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