Reine Tablets sind im Jahr 2016 out: Dem Marktforscher IDC zufolge ist die Nachfrage nach Tablets abgeflaut, Wachstum gibt es nur mehr bei Mischlingen aus Laptop und Tablet. Eine der spannendsten Neuheiten in diesem Bereich kommt von Lenovo. Mit dem Yoga Book hat der chinesische PC-Riese ein 360-Grad-Notebook mit Touch-Feld statt Tastatur und Stiftbedienung im Angebot. Wie sich das wahlweise mit Android oder Windows 10 erhältliche Multifunktions-Tablet im Alltag schlägt, hat krone.at getestet.
360-Grad-Notebooks, die sich durch ein Spezialscharnier in Tablets verwandeln, hat Lenovo seit Jahren im Sortiment. Einen Schönheitsfehler hatten die meisten Vertreter dieser Gattung aber: Auch, wenn sie im Tablet-Modus deaktiviert ist, stört doch die Tastatur an der Geräterückseite den haptischen Tablet-Gesamteindruck.
Dieses Problem will man beim Yoga Book nun gelöst haben: Statt einer Tastatur mit echten Tasten gibt's ein großes Touch-Feld, das wahlweise als Tastatur oder als Zeichen- und Schreibfeld dient. Wer mag, kann auf der Touch-Fläche sogar mit Stift und Papier schreiben und seine Kritzeleien in Echtzeit digitalisieren.
Was hardwareseitig in dem Gerät steckt, erfahren Sie hier:
Lenovo Yoga Book | |
CPU | Intel Atom x5-Z8550: 4 x 1,44 GHz |
RAM | 4 GB |
Diagonale | 10,1 Zoll |
Auflösung | 1920 x 1200 Pixel |
Interner Speicher | 64 GB |
microSD-Slot | bis 128 GB |
Anschlüsse | microUSB, microHDMI, 3,5-mm-Klinke |
Funkstandards | Gigabit-WLAN, Bluetooth 4.0, GPS, LTE (optional) |
Kameras | Hauptkamera: 8 Megapixel |
Akku | 8500 mAh |
Software | Android 6 oder Windows 10 |
Maße | 256,6 x 170,8 x 9,6 Millimeter; |
Extras | Metall-Chassis |
Straßenpreis | ab 475 Euro (Windows: ab 550 Euro) |
Leistung bietet das Yoga Book für den angepeilten Einsatzzweck genug. Der Intel-Chip reicht für Office-Arbeiten und Surfen sowie alle populären Android-Apps, mit vier Gigabyte RAM stellt Multi-Tasking unter Android kein Problem dar. Übertreibt man es nicht, kommt man damit wohl auch in der Windows-Version zurande.
Jagt man das Yoga Book durch Benchmarks, erzielt es im AnTuTu-Test rund 90.000 Punkte - am Niveau der Smartphone- und Tablet-Elite aus dem Vorjahr. Das reicht sogar für das eine oder andere Spielchen mit erhöhten Hardwareansprüchen, Gaming-Gerät ist das Yoga Book aber ohnehin nur Teilzeit.
Gutes Display, zweckmäßige Kameras
In erster Linie dürfte es als Lese- und Notizgerät, Mail-Maschine oder Surfbrett zum Einsatz kommen. Da spielt das Display eine wichtige Rolle: Dank Full-HD-Auflösung wird Text klar lesbar angezeigt, Fotos und Videos sind angenehm scharf. Über das 16:10-Bildformat könnte man streiten: Beim Filmschauen profitiert der Nutzer davon, dass es keine schwarzen Balken ober- und unterhalb des Videos gibt, beim Lesen und Notizen kritzeln könnte manch einer sich mehr Raum in der Breite wünschen. Von natürlicher bis warmer Farbdarstellung und guter seitlicher Ablesbarkeit profitieren Vertreter beider Vorlieben. Die maximale Helligkeit reicht für drinnen, draußen spiegelt der Touchscreen aber stark.
Die Kamera-Ausstattung reicht für Videotelefonie oder das Abfotografieren von Dokumenten, sehr viel mehr sollte man den Kameras aber vor allem im Zwielicht nicht zumuten: Hier kommt es schnell zu deutlichem Bildrauschen. Als Fotoapparat ist das Yoga Book aber auch nicht gedacht.
Cleveres Bedienkonzept mit Touch-Feld und Stift
Gedacht ist es als Tablet, das den Nutzer die Limitierungen der Bildschirmtastatur überwinden lässt. Und hier hat Lenovo einige interessante Ideen implementiert, allen voran das große Touch-Feld, das als Tastatur genutzt wird.
Es ist äußerst vielseitig einsetzbar: Als beleuchtete Tastatur ohne physische Tasten, bei der haptisches Feedback per Vibrationsmotor erzeugt wird. Als Zeichenfläche für den beiliegenden drucksensitiven Stylus. Und als Auflage für einen Block, auf dem - mit einer anderen Mine für den Stylus - in altmodischer Kuli-Manier Notizen verfasst werden, die das Yoga Book digitalisiert und in Tools wie Microsoft OneNote oder der proprietären Lenovo-Notiz-App abspeichert.
Exakte Stiftverfolgung, vor allem auf Papier
Die Erkennung klappt durch einen Zentimeter dicke Blöcke, beim Papier ist man nicht an Nachschub von Lenovo gebunden, sondern kann handelsübliches verwenden. Die Erkennung der Stiftbewegung klappt außerordentlich gut, sogar mit abgeschaltetem Display, wenn man zuvor die entsprechende kapazitive Taste drückt. Wer ein Gerät sucht, das seine handschriftlichen Notizen digitalisiert, könnte das zu schätzen wissen.
Lässt man das Papier weg und wechselt die Mine, kann man auf dem Touch-Feld schreiben und zeichnen. Grafiker werden bemängeln, dass das Display nicht farbneutral ist, für Skizzen klappt das aber ganz gut. Weil beim Schreiben das Papiergefühl wegfällt, agiert man gerade zu Beginn unbeholfener, prinzipiell sind aber auch hier nach einer Eingewöhnungszeit brauchbare Notizen machbar.
Wie gut sie später durchsuchbar sind, hängt - wie auch bei der Papier-Variante - von der OCR-Kompatibilität der eigenen Handschrift ab. Beim Tester war die nicht besonders hoch, wodurch die Notizen letztlich oft nicht mehr als Bilddateien sind. In jedem Fall ein Problem: Den Stylus verliert man leicht, für einen Stiftparkplatz war am ultradünnen Gehäuse des Yoga Book aber wohl schlicht kein Platz mehr. Überdies ist der Minen-Wechselmechanismus gewöhnungsbedürftig.
So schnell wie auf echten Tasten tippt man nicht
Als Tastatur hinterlässt das Touch-Feld einen suboptimalen Eindruck. Man mag damit zwar schneller sein als mit der Bildschirmtastatur und verdeckt nicht den halben Bildschirminhalt mit Tasten, so schnell wie auf echten Tasten wird man darauf aber auch mit der mitlernenden Wortvorhersage und der automatischen Tippfehler-Korrektur nicht tippen.
Dafür hält sich das Keyboard im Tablet-Modus aber auch unwahrnehmbar im Hintergrund. Das sieht bei anderen Geräten der Yoga-Reihe anders aus.
Alles in allem istank und leicht genug, damit man es auch einhändig als "Surfbrett" und zum Lesen nutzen kann. Es kann durch die Tastaturbasis aber auch als Standdisplay verwendet werden - etwa beim Videoschauen.
Hält man das Gerät wie ein Heft, ist es eine taugliche Notizmaschine - freilich mit den Limitierungen der Handschrifterkennung, Spiegelungen im Freien und ungewohntem Schreibgefühl. Dass man Papiernotizen beim Schreiben gleich digitalisieren kann, ist für manche User sicher ebenfalls ein Plus.
Saubere Verarbeitung, vernünftige Ausstattung
Die Verarbeitungsgerät des Yoga Book ist sehr gut. Das Gehäuse besteht aus Metall und weist eine hohe Steifigkeit auf, das 360-Grad-Scharnier macht einen langlebigen Eindruck. Die Touch-Fläche bietet Fingerabdrücken keine allzu gute Angriffsfläche, das Display dagegen schon. Im täglichen Handling macht sich das geringe Gewicht positiv bemerkbar, ein kleiner Makel ist, dass es keine Einkerbung oder Ähnliches gibt, um das Gerät im zugeklappten Zustand zu öffnen. Das zwingt zum Fingernageleinsatz.
Erwähnenswert: Für ein so kompaktes und dünnes Gerät klingt das Yoga Book sehr vernünftig. Treibende Bässe sollte man sich zwar nicht erwarten, für den einen oder anderen Film sind die verbauten Lautsprecher aber laut und klar genug.
Speicher- und Anschlussausstattung sind vernünftig: Mit 64 Gigabyte internem Speicher und microSD-Kartenunterstützung bis 128 Gigabyte sollte mehr als genug Platz für Notizen und ein paar andere Dateien bereitstehen. Der microHDMI-Port zur Bildausgabe ist ein Plus. Mit einem microUSB-Port ist das Gerät ansonsten aber kein Anschlusswunder.
Extrem lange Akkulaufzeit
Als phänomenal hat sich im Testbetrieb die Akkulaufzeit des Yoga Book herausgestellt. Der Hersteller verspricht für die Android-Version bis zu 15 Stunden Dauerbetrieb und Betriebszeiten deutlich jenseits der zehn Stunden sind auch mit höherer Displayhelligkeit drin. Damit kommt man selbst bei starker Beanspruchung durch den Tag, bei den meisten Nutzern dürfte Stromtanken nur alle paar Tage nötig sein. Klare Sache: In puncto Ausdauer macht dem Yoga Book niemand so schnell etwas vor.
Software mit Tücken
Dafür könnte es bei der Software Probleme bekommen. In der getesteten Android-Version kommt eine stark angepasste Variante des Google-Betriebssystems zum Einsatz. Sie bietet sinnvolle Extras wie Mehrfenster-Ansicht und eine Art Taskleiste, man merkt aber trotzdem dort und da, dass Android eigentlich vom Smartphone kommt. Apps, die keine Vollbild-Ansicht haben, werden als Fenster im Smartphone-Bildformat ausgeführt, das "Enter"-Kommando wird oft zugunsten der Schalter am Bildschirm ignoriert.
Bisweilen ist man zudem ob der hardwaregegebenen Möglichkeiten des Geräts enttäuscht von den Möglichkeiten einiger Apps. Während Microsoft OneNote sich gut mit dem Yoga Book verträgt, weiß der Konkurrenzdienst Evernote nichts mit dem großen Display und dem Touch-Feld anzufangen. Lenovos hauseigene Notiz-App verweigert derweil die Synchronisierung mit Evernote, auf der sicheren Seite sind damit vor allem Nutzer von Microsoft Office - in der Android- wie in der Windows-Version des Yoga Book.
Fazit: Mehrfach haben wir in diesem Test festgestellt, was das Yoga Book nicht ist: Kein Gaming-Gerät, kein Fotoapparat, kein vollwertiger Laptop, kein echtes Grafik-Tablet, kein Anschlusswunder. Das schränkt den Kreis der potenziellen Nutzer ein: Interessant ist das Yoga Tablet vor allem für Notiz-Junkies, die Handschrift und Skizzen mögen und Abstriche bei der Tastatur in Kauf nehmen, weil ihnen ein konventioneller Laptop zu unhandlich ist. Sie erfreuen sich an der großartigen Akkulaufzeit, der grundsoliden Performance als reines Tablet und den innovativen Nutzungsmodi des Yoga Book. Die meisten anderen Nutzer dürften beim Arbeiten aber mit einem vollwertigen Notebook glücklicher werden, während beim Surfen oft auch ein reines Tablet ausreichen wird.
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