Wäre "Civilization VI" der Trump unter den Spielen, dann wäre "Make your civilization great again!" wohl der aufgelegte Werbespruch. Weit von der Realität entfernt ist man damit mit Sicherheit nicht, denn der aktuelle Teil der Kult-Reihe ist in großen Teilen gut gelungen und wohl wirklich einer der besten bisher. Noch zu lösende Probleme gibt es lediglich mit der künstlichen Intelligenz, womit aber freilich keine Verbindung zum neuen US-Präsidenten hergestellt werden soll...
Der neueste Teil von "Civilization" baut auf den Stärken seiner Vorgänger auf und hat fast durchgängig an sinnvollen Stellen Ergänzungen vorgenommen. Eine der wichtigsten Änderungen beginnt bereits früh im Spiel zu greifen: Straßenverbindungen werden nun nicht mehr von Arbeitern angelegt, sondern können nur durch Händler erstellt werden. Um eine gute Vernetzung seines aufstrebenden Imperiums zu garantieren ist es daher teilweise notwendig, nicht nur auf die lukrativsten Handelswege zu setzen. Etwas später im Spiel können zusätzlich Militärpioniere Straßen auf strategisch wichtigen Feldern bauen.
Die Stadt wächst mit - die Macht der Bezirke
Weit mehr ins Gewicht fällt freilich eine der zentralen Änderungen bei "Civilization VI", nämlich die Stadtbezirke. Die Ansiedlungen breiten sich dadurch im Lauf des Spieles aus, gewisse Errungenschaften, wie etwa die Religion, können nur mit zumindest einem entsprechenden Spezialbezirk in der eigenen Zivilisation freigeschalten werden. Auch Wunder benötigen teilweise diese neuartigen Zentren oder müssen sich sogar in deren direkter Nachbarschaft befinden.
Freigeschalten werden die Bezirke mit dem Wachstum der Siedlung, nur in ihnen kann man dann auch die entsprechenden Gebäude errichten. Der Markt oder die Börse können so etwa nur im Handelszentrum, die Universität und das Forschungslabor nur im Bildungsbezirk und die Kaserne und die Waffenkammer nur im Militärdistrikt gebaut werden. Sorgsame Planung bei der Stadtentwicklung ist somit sehr früh nötig, falsche Entscheidungen können später gravierende Auswirkungen haben.
Korps und Armee ergänzen die militärischen Möglichkeiten
Gefeilt wurde auch beim Umgang mit Militäreinheiten. War es bereits im fünften Teil der Reihe nicht mehr möglich, mehrere Einheiten auf einem Feld zu platzieren, so kann man diesmal in höheren Zeitaltern bis zu drei gleiche Units zu Korps oder Armee zusammenfassen und dadurch ihre Schlagkraft erhöhen. Einerseits vermindert das etwas die Unübersichtlichkeit, zusätzlich ist es aber auch im Kampf gegen die Computergegner von zentraler Bedeutung. Ohne verstärkte Einheiten lässt sich gerade in höheren Zeitaltern nämlich kein Krieg mehr gewinnen.
Tag/Nacht-Modus und langsam wachsende Wunder
Ein sehr nett anzuschauendes neues Feature ist zudem der zuzuschaltende Tag/Nacht-Modus, der lediglich bei aufwendigen Kriegsaktionen etwas störend wirken kann. Angriffe zu dunkelster Stunde sorgen halt dann doch für etwas Verwirrung und Unübersichtlichkeit in den eigenen Reihen. Weitaus unkomplizierter für den Spieler sind hingegen die langsam aus der Erde wachsende Wunder, die für den einen oder anderen Hingucker sorgen.
Zu gefallen weiß außerdem auch die neuartige Aufmachung des "Nebels des Krieges" im Spiel. Noch nicht entdeckte Spielfelder werden im Stil alter, vergilbter Karten mit Seemonstern und Kompassnadeln dargestellt, bereits erkundete Gegenden, in deren Umgebung aber keine Militäreinheiten mehr platziert sind, fallen wieder in diesen neuartigen Status zurück - behalten aber etwa wichtige Informationen über Lage von feindlichen Städten und wertvoller Rohstoffe.
Diplomatie und das Problem mit der künstlichen Intelligenz
Vielschichtiger sind nun auch die diplomatischen Möglichkeiten, um entweder mit anderen Zivilisationen Handel zu treiben oder bis hin zu militärischen Allianzen starke Bündnisse einzugehen. Hier gibt es allerdings auch noch etwas Nachbesserungsbedarf: Die Entscheidungen der anderen Staatenführer sind nämlich nicht immer durchgängig nachvollziehbar. Tendenziell ist es hier weiterhin so, dass die eigene militärische Stärke den Ausschlag über die Durchsetzungsfähigkeit der Interessen gibt. Kulturelle oder Fähigkeiten auf dem Handelssektor treten meist zu sehr in den Hintergrund.
Der Umgang mit den Stadtstaaten hat zudem auch eine Änderung erfahren. Zu ihnen kann man nun nämlich mit Gesandten Beziehung aufbauen. Ergeben sich dadurch am Anfang in den Bereichen Kultur, Produktion, Wissenschaft oder Wirtschaft Vorteile für die eigene Zivilisation, so kann im weiteren Verlauf sogar für kurze Zeit die Kontrolle über die Militäreinheiten von befreundeten Stadtstaaten übernommen werden. Damit wird also das Söldnertum bei "Civilization VI" eingeführt.
Trifft der Steinzeitmensch auf die Panzerabwehr...
Gröbere Probleme ergab der ausgiebige Test auf drei verschiedenen Schwierigkeitsstufen allerdings bei der künstlichen Intelligenz der Computergegner. Sind sie im diplomatischen Modus teils zu kriegstreiberisch unterwegs, gehen sie also zu unüberlegt und vorauseilend Konflikte mit menschlichen Gegnern ein, so verhalten sie sich in diesen dann - vorsichtig und höflich formuliert - zu naiv. Durch geschickte Strategie war es so zum Beispiel möglich, die Hauptstadt einer anderen Nation einzunehmen, obwohl diese bereits zwei Zeitalter höher entwickelt war. Der Ritter schlug da also den Schützenpanzer. Ein doch etwas zweifelhaftes Szenario...
Fazit: Wie schon bei den Vorgängerversionen bzw. deren diversen AddOns fällt es beim Testen teils schon fast zu schwer, die Begeisterung über die Neuerungen, aber auch sinnvollen Ergänzungen in Zaum zu halten. Auch "Civilization VI" ist hier keine Ausnahme und lässt sich flüssig stunden- und tagelang spielen. Zu oft wird so aus einem "Eine Runde noch" um 22 Uhr des Vorabends ein nächster Tag mit vor Müdigkeit tränenden Spieleraugen. Nachholbedarf hat lediglich die künstliche Intelligenz der Computergegner, die es einem erfahrenen Spieler oft zu einfach macht.
Plattform: PC
Publisher: 2k
krone.at-Wertung: 9/10
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