Wasserspringen

Schräg! “Mister Bean” im Wiener Stadthallenbad

Sport
22.11.2016 07:07

Halsbrecherisch zwirbeln sie ihre schmächtigen Körper durch die Lüfte und tauchen sanft ins blitzblaue Wasser des Stadthallenbads ein. Chapeau! Die Kids des ASV Wasserspringen sind heute meine Lehrmeister. Sie, die besten Nachwuchs-Springer Österreichs, sollen mich in ihre Welt einweihen. Ich fühle mich bei meiner ersten Trainingseinheit aber weniger elegant und geschmeidig als viel mehr wie seinerzeit der britische Kult-Blödler Mister Bean ...

Damit meine Hendlbrust vor der Kamera ein bisserl aufgeplustert wirkt, "pumpe" ich mich vor Drehbeginn mit Liegestützen warm. Josefina, Lena und Paul beäugen mein skurriles Aufwärmprogramm kritisch. "Was soll das sein, das du da machst?", fragen mich die aufgeweckten Ausnahmekönner. Sie werden mich in Kürze unter ihre Fittiche nehmen und - hoffentlich - zu einem ausbaufähigen Wasserspringer-Talent formen. Allerdings: Sie legen mir die Latte höher, als mir lieb ist. "Kannst du nicht einmal einen Spagat?", raunt mir Josefina ungläubig zu, als ich beim Trockentraining mit Müh' und Not einen Bänderriss im Adduktoren-Bereich verhindern kann.

"Für einen Anfänger gar nicht schlecht"
Jetzt übernimmt Paul das Kommando. Er ist nicht nur der Hahn im Korb der Trainingsgruppe, sondern auch Wort- und Rädelsführer. Sprungübungen, Rollen vor- und rückwärts, Räder - der elfjährige Staatsmeister nimmt mich ganz schön ran. Immerhin attestiert er mir aber nach Ende des Aufwärmprogramms konziliant: "Für einen Anfänger hast du's bisher gar nicht schlecht gemacht." Na bitte!

Es geht ab ins Herzstück des Stadthallenbads. Es ist gut besucht. Im 50 Meter langen, acht Bahnen breiten Sportbecken toben sich Profis und Hobby-Schwimmer aus. Ein eigener Bereich ist für uns unterhalb der Sprung-Anlage freigehalten. Publikums- und Schulsport finden im Stadthallenbad ebenso satt wie nationale und internationale Wettkämpfe. Wie gut, dass der üppige Tribünen-Bereich heute leer ist und keine Zuschauer meine Sprungversuche beäugen. Es ist hell, sauber, fein - alles ist angerichtet für meinen buchstäblichen Sprung ins kalte Wasser.

Gehirnerschütterung?
Los geht's. Zuerst eine Kerze vom Ein-Meter-Brett. Paul ("Ich springe schon seit drei Jahren) zeigt vor, ich mache nach. "Nicht so weit nach vor, eher in die Höhe springen", sagt er, "und Hände beim Eintauchen anlegen, sonst tut's weh". Ach was! Eine Etage höher wird's richtig schmerzhaft. Bei meinem "Abfaller" vom Drei-Meter-Brett ziehe ich mir eine - zumindest gefühlte - Gehirnerschütterung zu. "Weil du die Hände nicht ordentlich durchgestreckt und die Ohren nicht ordnungsgemäß eingeklemmt hast", analysiert Anja Richter. Sie ist die Trainerin der Kids - und war selbst eine ganz große Nummer im Wasserspringen. Viermal war sie bei Olympischen Spielen am Start. "Vor allem die Plätze vier und sieben bei Olympia 2000 in Sydney sind für mich unvergesslich", schwelgt sie in glorreichen Erinnerungen: "Und der Vize-Europameistertitel vom Zehn-Meter-Turm war auch ein absolutes Highlight."

Neun Staatsmeistertitel
Derartige Erfolge können die von ihr trainierten Kinder - no na - noch nicht vorweisen. Womöglich ist der eine oder die andere aber am besten Weg dorthin. "Unsere Kids haben im Vorjahr insgesamt neun österreichische Meistertitel errungen. Vielleicht bringen wir ja ein paar gute Wasserspringer von internationalem Format heraus."

Mr.-Bean-Feeling
Für mich geht sich eine Karriere internationalen Zuschnitts wohl eher nicht mehr aus. Obwohl meine Kerze vom 5-Meter-Turm - zumindest meiner Eigeneinschätzung zufolge - an Ästhetik kaum zu überbieten ist. Aber urteilen Sie im Video oben selbst! Richtig der Reis geht mir aber, als Youngster Paul mich auf den 7,5-Meter-Turm "jagt". Die Muskeln werden zittriger, die Bewegungen unkoordinierter. Jetzt habe ich den "Mister-Bean-Modus" endgültig erreicht. Kollege Bean hatte damals in den 90er-Jahren auch beinahe der Umschlag getroffen, als er vom Turm runterspringen sollte. Wie er sich seine offensichtliche Angst vor dem Absprung nicht anmerken lassen wollte, dabei in lichter Höhe "geschmeidig" wie ein angefahrenes Reh wirkte - legendär!

Kllllllllllatsch
"Ganz nach vor", sagt Anja Richter zu mir, "weiter vor!" Leichter gesagt als getan. Von oben wirken die 7,5 Meter eher wie 75 Meter. Dazu werde ich von der Angst übermannt, Übergewicht zu bekommen und unkontrolliert ins Wasser zu plumpsen. Aber dann doch: Absprung! Und: Kllllllllllllatsch! Was für eine "Bombe"! Die Fußsohlen brennen nach dem Eintauchen ins saubere Stadthallenbad-Wasser ganz ordentlich. Ich bin kaum aus dem Becken heraußen, wage kaum aufzutreten - da kommt von meinem Kameramann (der sich an dieser Stelle gerügt fügen soll, weil er es nicht schaffte, meinen dezenten Bauchspeck zu kaschieren) die Anweisung: "Noch einmal. Für Zwischenschnitte!" Eh klar! Noch einmal rauf, noch einmal runter, die Fußsohlen brennen, als ich …. ach, Sie wissen ja.

Michael als Marion
Aber die Mühen machen sich bezahlt. Denn Anja Richter bietet mir - quasi als Gesellenstück - an, mit ihr einen Synchronsprung zu absolvieren. Ich mache ihr gewissermaßen die Marion. Mit Marion Reiff war Anja nämlich 2004 im Synchronspringen bei Olympia dabei. Wir sind bereit. Anja brieft mich: "Eins, zwei und ab", wird das Kommando lauten. Anja zählt ein: "Eins, zwei und ab" - ich zögere, warte, bis sie abspringt; und umgekehrt. Wir springen also nicht ganz synchron ab, tauchen interessanterweise, zumindest halbwegs, synchron ein. Ein Sprung, der beste Haltungsnoten verdient hätte, wie ich meine. Da hätte Mister Bean die Ohren angelegt …

von Michael Fally

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(Bild: KMM)



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