Wodka, Wein & Geld

Test Bentley Bentayga: Das 300-km/h-SUV

Motor
24.11.2016 12:00

Ob sich der Name "Bentayga" an die Taiga Sibiriens anlehnt, sei dahingestellt; russischen Oligarchen, die in vorderster Front zur Zielgruppe des mächtigen britischen Edel-SUVs gehören, wird die Bezeichnung jedenfalls vertraut vorkommen. Aber wie man sieht, macht sich der Bentley auch dort gut, wo man eher Wein als Wodka trinkt. Fehlt nur noch ein Achterl auf dem gemütlichen Aussichtsplatz…

Wobei - das Stockerl ist sicher der unbequemste Platz, den der Bentley Bentayga zu bieten hat. Sogar bei groß Gewachsenen baumeln die Beine in der Luft und in eingefahrenem Zustand wirkt diese Gerätschaft im Kofferraum eher wie ein Treppenlift, der im Weg herumliegt. Die Gattin wird keine Freude haben, wenn sie auf dem Hocker beim Picknick den Five-o'Clock-Tea nehmen soll.

Aber wir wollen nicht ungerecht sein: Im Innenraum herrscht Luxus auf allen Plätzen und Eleganz, so weit das Auge reicht. Dieses wird durch edle Details verwöhnt, die Hände durch weiches Leder und das Gemüt durch die Lichtflut, die durch das riesige Glasdach hereinströmt.

Das kontrastfarbige Leder ist handvernäht, in den Armaturenbrett-Blenden in "Dark Fiddleback Eucalyptus" spiegelt sich das Herbstlaub und wer trotz allgegenwärtiger Markenlogos noch immer nicht gecheckt hat, dass dieses Schiff ein Bentley ist, ist spätestens bei den schlanken, ventilartigen Lüftungshebeln sicher. Bzw. fast sicher, denn bei Rolls-Royce stellt sich das ähnlich dar.

Das Navitainment samt der Bedienung ist auf neuestem Stand und damit den anderen Bentleys weit überlegen. Das wird dadurch möglich, dass der Bentayga nicht auf dem VW Phaeton, nicht auf einer eralteten Plattform basiert, sondern sich an den Errungenschaften des VW-Konzerns bedienen kann. Den Hinweis darauf hat man immer im Blick, denn die Bedienelemente am Lenkrad finden sich so auch im Audi Q7, der bekanntlich das Alter Ego des Bentayga ist. Fast schon dekadent, aber angenehm klassisch ist, dass Bentley im Bentayga zwar ein digitales Cockpit verbaut, aber analoge Zifferblätter für Tempo und Drehzahlmesser draufsetzt.

Und dann drückt man den Startknopf. Und ist verzückt vom seidigen Klang des überarbeiteten Zwölfzylindermotors. Das ist kein Brüllen wie in einem Ferrari, sondern ein Rauschen, ein Säuseln. Dreht man den W12 aus, klingt er ein wenig angestrengt, aber er verliert nie die Contenance. Klar ist aber auch, dass der Brite kein Racer ist.

Das Triebwerk ist ein fettes Gerät, das 254 kg auf die Waage bringt (30 kg weniger als der Vorgängermotor). Aus 5950 ccm Hubraum schöpft es mithilfe zweier Turbolader 608 PS, als maximales Drehmoment werden 900 Nm von 1250 bis 4500/min. angegeben. Klingt nach einem unschlagbaren Antrieb, der Löcher in den Boden, was heißt, in Raum und Zeit reißt. Doch weit gefehlt. Beim Anfahren ist erst einmal Zögern angesagt: Es fühlt sich an wie in einem Linienbus, bei dem automatisch das Anfahrdrehmoment begrenzt wird. Einundzwanzig, zweiundzwanzig. Hat man eher wenig Gas gegeben, setzt sich der Bentayga dann in Bewegung. Tritt man eher mehr auf das Pedal, reißt es einen unvermittelt in den Sitz. Da freut sich der kleine Mann - ja, auch ein Superluxusauto mit einem brandaktuellen Zwölfzylinder, das 330.000 Euro auf dem Preisblatt stehen hat, ist nicht perfekt.

Dringend überarbeiten sollten sie in Crewe den Wählhebel der Achtstufenautomatik. Es sei denn, sie haben Spaß daran, dass Bentayga-Fahrer regelmäßig auf "Parken" schalten, wenn sie den Rückwärtsgang einlegen wollen, weil der Parkknopf genau da sitzt, wo die rechte Hand des Fahrers den Hebel nach vorn drückt.

Die Werte des Bentley bestätigen natürlich die Urgewalt des W12. In 4,1 Sekunden stehen 100 km/h auf der Uhr des 2,5-Tonners, mit ein wenig Anlauf sind knapp über 300 km/h drin. 301 km/h, um genau zu sein. Damit ist der Bentley Bentayga das schnellste SUV der Welt. Um den Spritverbrauch einigermaßen im Rahmen der Zeit zu halten, arbeitet der Motor mit Zylinderabschaltung, d.h. in den Gängen drei bis acht läuft er als Sechszylinder, wenn unter 3000/min. weniger als 300 Nm abgerufen werden. 13,1 l/100 km gibt Bentley an, tatsächlich kann man der Tanknadel aber beim Sinken zuschauen, wenn man ein bissl lustig ist.

Klar, die Leistung will man ja auch mal abrufen, und erst einmal in Fahrt, hält die Kutsche auch nichts mehr auf. Die Urgewalt lässt einen dann gerne das Fahrzeuggewicht vergessen, jedenfalls bis man es vor einer Kurve zusammenbremsen muss. In der Kurve stemmt sich die Luftfederung des Bentley 48-V-elektrisch unterstützt gegen das Wanken und bleibt relativ stabil. Im Vergleich zu einem großen Range Rover fährt er sich präziser, auch wenn die Lenkung ein bisschen mehr Direktheit und Feeling vertragen könnte.

Zum Abschluss parkt er sich selbst ein, der große Brite. Das ist gut so, denn die ebenso elegante wie mächtige Karosserie ist alles andere als übersichtlich, vor allem enge Durchfahrten erfordern viel Erfahrung bezüglich der Abmessungen. Aber wenn das ein Faktor ist, muss man sich ein kleineres Fahrzeug zulegen.

Wenn überhaupt irgendwas ein Faktor ist, braucht man über den Bentley Bentley aber ohnehin nicht nachdenken.

Unterm Strich
Dass der Bentley Bentayga vom Audi Q7 abstammt, versucht er erfolgreich vergessen zu machen, an den Plastikknöpfen rund um das Display kommt man aber nicht vorbei. Und dass man die Kopfstützen per Hand verstellen muss, grenzt beinahe an einen Affront. Aber nehmen wir es als Anerkennung für die Bentley-Crew in Crewe, die den Wagen in liebevoller, 130-stündiger Handarbeit entstehen lässt.

Bei 270.000 Euro beginnt der Aufstieg in das schnellste, teuerste und edelste SUV der Welt. Dafür erreicht man mit seinem Bentley endlich auch die entlegensten Ecken seiner Latifundien und Herr Scheich kann auch in die Wüste fahren und Dünen erklimmen. Wegen der schönen Aussicht.

Warum?

  • Herrlich seidiger Zwölfzylinder
  • Erster Bentley mit aktuellen Systemen

Warum nicht?

  • Im schweren Gelände kommt man mit einem Range Rover weiter

Oder vielleicht …

… Range Rover Autobiography oder das kommende Rolls-Royce-SUV. Oder die Diesel-Version, die 2017 auf den Markt kommt.

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(Bild: KMM)



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