Bundeskanzler Christian Kern warnt in der "Bild am Sonntag" vor der Ausgrenzung von rechtspopulistischen Parteien wie der FPÖ oder der AfD. Es sei keine Erfolgsstrategie, solche Parteien zu tabuisieren oder deren Wähler zu ächten. Es brauche vielmehr eine inhaltliche Auseinandersetzung. "Dann zeigt sich ziemlich schnell, wie wenig Substanz da ist", so Kern.
"Wir haben die FPÖ und das, wofür sie steht, zu Recht immer abgelehnt. Vom Versuch, sie auszugrenzen, hat die Partei allerdings profitiert. Sie konnte beleidigt in eine Ecke flüchten und sich als Opfer darstellen. Das hat sie unnötig mystifiziert und zum vermeintlichen Rächer der Enterbten gemacht", erklärte der Bundeskanzler der größten deutschen Tageszeitung.
"Aufstieg der AfD könnte erst beginnen"
Der deutschen Politik rät Kern, das Phänomen AfD ernst zu nehmen. Inhaltlich gebe es zwischen FPÖ und AfD viele Übereinstimmungen. "Verglichen mit der FPÖ ist die AfD aber noch relativ unprofessionell, heillos zerstritten und kaum kampagnenfähig. Das war in den frühen Phasen der FPÖ sehr ähnlich. Meine Befürchtung ist deshalb, dass der Aufstieg der AfD erst beginnt."
Er verstehe, dass "man der AfD nicht nahe kommen will", aber es sei "vermutlich keine Erfolgsstrategie, die AfD zu tabuisieren und ihre Wähler zu ächten". Man müsse solche Parteien "inhaltlichen Auseinandersetzungen stellen. Dann zeigt sich ziemlich schnell, wie wenig Substanz da ist."
"Es fehlt in der EU an Führung und klarer Kante"
Man dürfe aber nicht übersehen, "dass die Kräfte, die Rechtsdemagogen derzeit so stark machen, weiter walten. Europa steht vor großen Herausforderungen, das spüren die Menschen. Aber es fehlt in der EU an Führung und an klarer Kante."
"Ohne Merkel hätte Österreich ein großes Problem"
Die Kritik an Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel wegen ihrer Flüchtlingspolitik habe Kern nie geteilt, sagt er. Merkel "hat große Verdienste an dem Türkei-Abkommen, ohne das wir in Österreich ein massives Problem hätten, was den Flüchtlingszuzug betrifft. Im Gegenzug hat Deutschland von dem entschlossenen Schließen der Balkanroute profitiert."
Von den Grenzkontrollen, die ab kommender Woche rund um die Uhr in Passau, Salzburg und Kufstein passieren werden, hält Kern angesichts der "deutlichen Reduzierung der Zuwanderung in Mitteleuropa" nicht viel: "Zu Beginn der Wintersaison behindert diese Entscheidung Wirtschaft und Tourismus und stößt bei uns zu Recht auf Kritik - auch weil sie einen Domino-Effekt in Richtung Süden auslösen wird." Vor allem sollten nicht der Brenner oder der Walserberg geschützt werden, "sondern die Außengrenzen der EU in Italien oder Griechenland".
"Österreich erreicht Obergrenze heuer wohl gar nicht"
Was eine Obergrenze von Flüchtlingen angeht, meint Kern in den Interview: Sie sei ein sinnvolles politisches Instrument, das juristisch aber eine Gratwanderung sei. Aber es sei ein Zeichen an die Bevölkerung, dass alles darangesetzt werde, die Zuwanderung zu begrenzen. Die Obergrenze von 37.500 Flüchtlingen werde in Österreich heuer aber "wohl gar nicht" erreicht.
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