Verdächtiger frei

Berlin-Täter “noch auf der Flucht und bewaffnet”

Ausland
20.12.2016 19:10

Der nach dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt festgenommene 23-jährige Flüchtling aus Pakistan ist offenbar nicht der Täter. Die deutsche Bundesanwaltschaft teilte am Dienstagabend mit, gegen den Mann sei kein Haftbefehl beantragt worden. Er sei auf freien Fuß gesetzt worden. Bereits am Nachmittag waren Zweifel an der Täterschaft des Flüchtlings laut geworden. Der wahre Todesfahrer ist also weiter frei - und höchst wahrscheinlich bewaffnet.

Der 23 Jahre alte Mann, der aus Pakistan stammt, war nach der Bluttat festgenommen worden, stritt die Tat aber vehement ab. Die Angaben des Verdächtigen seien überprüft und als korrekt erachtet worden. Der Flüchtling wurde mittlerweile wieder freigelassen, bestätigte der Generalbundesanwalt am Dienstagabend.

"Wir haben den falschen Mann", hatte die "Welt" bereits am Nachmittag unter Berufung auf Polizei-Quellen über Zweifel bei den Ermittlern berichtet. "Und damit eine neue Lage. Denn der wahre Täter ist noch bewaffnet auf freiem Fuß und kann neuen Schaden anrichten." Die Bereitschaftspolizei der Hauptstadt und die Spezialkräfte seien informiert.

Verstärkte Polizeipräsenz auf dem Weihnachtsmarkt in München (Bild: APA/AFP/dpa/FEDERICO GAMBARINI)
Verstärkte Polizeipräsenz auf dem Weihnachtsmarkt in München

"Der Fahrer ist flüchtig"
"Es ist nach meinem Stand unsicher, ob der Festgenommene wirklich der Fahrer war", hatte der Berliner Generalstaatsanwalt Ralf Rother vor Journalisten Zweifel bestätigt. Der Südwestrundfunk zitierte zudem Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl mit den Worten: "Der Fahrer des Lkws ist nach meinen aktuellen Informationen flüchtig."

Man müsse sich mit dem Gedanken vertraut machen, dass der festgenommene Mann aus Pakistan nicht der Täter sei, hatte auch Generalbundesanwalt Peter Frank erklärt. Man wisse nicht, ob es einen oder mehrere Täter gebe, fügte er hinzu. Die Berliner Polizei rief per Twitter zur Wachsamkeit auf und warnte: "Gehen Sie verdächtigen Beobachtungen zu Ihrer eigenen Sicherheit bitte nicht selbst nach - dafür sind wir da."

Zeugenbeschreibung führte zur Festnahme
Augenzeugen hätten den Lastwagenfahrer nach dem Anschlag nicht lückenlos verfolgt, so die Bundesanwaltschaft. Hinweise, die zur Festnahme des 23-Jährigen geführt hatten, waren auf einen Zeugen zurückgegangen. Dieser hatte den Todesfahrer aussteigen gesehen und ihn kurz verfolgt, ihn dann aber aus den Augen verloren. Der jetzt wieder freigelassene Flüchtling war dann auf Grundlage der Beschreibung des Zeugen an der Berliner Siegessäule aufgegriffen worden.

Kein Blut an der Kleidung gefunden
Die kriminaltechnischen Untersuchungen hätten außerdem keinen Beleg erbracht, dass der Mann im Führerhaus des Lastwagens gewesen sei, so die Bundesanwaltschaft weiter. Im Führerhaus des Lkw wurde laut Sicherheitskreisen blutverschmierte Kleidung gefunden - bei dem später in einiger Entfernung vom Tatort festgenommenen Verdächtigen dagegen nicht.

Das zerstörte Führerhaus des Berliner Terror-Lkws (Bild: APA/AFP/TOBIAS SCHWARZ)
Das zerstörte Führerhaus des Berliner Terror-Lkws

Eine Reporterin des ZDF sprach eigenen Angaben zufolge mit einem Zeugen, der zur Tatzeit mit dem vorübergehend verdächtigen 23-Jährigen zusammen gewesen sein will. Der Mann sei angeblich der Cousin des Mannes und während des Anschlags "mit ihm fern des Breitscheidplatzes gewesen", so die Journalistin bei Twitter.

Blutbad auf dem Weihnachtsmarkt
Am Montagabend war der Täter mit einem Lkw auf einem Weihnachtsmarkt in die Menge gerast. Zwölf Menschen wurden getötet, 48 weitere teils schwer verletzt.

Hier eine Karte des Tatortes:

(Bild: krone.at)

Ein Fahrer der polnischen Spedition, der der Laster gehört, wurde tot in der Fahrerkabine entdeckt. Er dürfte aktuellen Erkenntnissen zufolge vom Täter entführt und mit einem Kopfschuss getötet worden sein. Kurze Zeit später wurde der vorübergehend verdächtige Pakistani unweit des Tatortes festgenommen.

Video: Hier wird der Terror-Lkw abgeschleppt

IS gab Anweisungen für Lkw-Attentate
Zwar liegt bis jetzt noch keine tatsächliche Verbindung vor, doch die Terrormiliz Islamischer Staat hat in ihrer Propaganda auch Anleitungen für Angriffe mit Lastwagen auf Zivilisten gegeben. So veröffentlichten die Dschihadisten im November in ihrem Magazin "Rumiyah" einen dreiseitigen Artikel mit genauen Anweisungen, wie Einzeltäter ein solches Attentat verüben sollen. Dabei priesen sie den Angriff mit einem Lastwagen in Nizza als Vorbild, bei dem am französischen Nationalfeiertag am 14. Juli bei einer ähnlichen Attacke 86 Menschen getötet worden waren.

In seinem Propagandamagazin "Rumiyah" rief der IS zu Anschlägen mit Lkws auf. (Bild: memri.org)
In seinem Propagandamagazin "Rumiyah" rief der IS zu Anschlägen mit Lkws auf.

Ein Fahrzeug sei für einen Angriff gut geeignet, weil es einfach zu beschaffen, aber nicht verdächtig sei. "Es ist eine der sichersten und einfachsten Waffen, die man gegen die Kuffar (Ungläubigen) einsetzen kann", heißt es in dem Artikel. Wichtig sei es, große und schwere Fahrzeuge mit ausreichender Geschwindigkeit auszuwählen.

Auch für potenzielle Ziele gibt das Magazin Anweisungen: Geeignet seien Märkte, Festivals, Paraden oder politische Versammlungen. Die Angreifer sollten zudem sicherstellen, dass ihre Verbindung zum IS deutlich werde. Sie könnten etwa Zettel bei sich haben, auf denen "Ich bin ein Soldat des Islamischen Staates" stehe.

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