An kaum einem Ort ist die Dichte von Millionären und Großverdienern höher als im Silicon Valley, der Hightech-Hochburg an der Bucht von San Francisco. Aber was bedeutet der Zuzug hochbezahlter Facebook-, Google- oder Yahoo-Programmierer für jene, die keinen Uni-Abschluss als Ingenieur oder Informatiker haben? Explodierende Mieten, notdürftige Unterkünfte und immer häufiger sogar Obdachlosigkeit - selbst unter Kindern.
Das berichtet die britische Zeitung "The Guardian" aus East Palo Alto, einem Schulbezirk gleich neben der über 170 Millionen US-Dollar teuren Facebook-Zentrale. Dort gilt mittlerweile jedes dritte Kind als obdachlos - auch, wenn man das nicht sofort sieht. Viele Familien teilen sich Häuser mit anderen Familien, manche sind in Garagen untergekommen, wieder andere leben in Wohnmobilen.
Fünfköpfige Familie haust im 1000-Dollar-Wohnmobil
Insgesamt fast 1150 Kinder in East Palo Alto gelten als obdachlos. Insbesondere die Kinder von Geringverdienern - der Bezirk beherbergt viele Afroamerikaner und Hispanics - haben Probleme. So auch die drei Töchter von Omar und Adriana Chavez. Sie hausen in einem heruntergekommenen 1000-Dollar-Wohnmobil, seit der Vater wegen einer Verletzung nicht mehr arbeiten kann und das Einkommen der Mutter nicht für eine Wohnung reicht.
Angebot ist auf reiche IT-Spezialisten ausgerichtet
Leistbares Wohnen ist im Silicon Valley mittlerweile alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Der stete Zuzug hochbezahlter IT-Spezialisten hat die Mieten explodieren lassen, die Immobilienpreise sind ebenfalls exorbitant hoch.
Eine kleine Wohnung mit einem Schlafzimmer kostet in der Region mittlerweile über 2200 US-Dollar pro Monat. "Häuser kosteten früher kaum mehr als 500.000 Dollar. Heute finden Sie fast nichts unter 750.000 Dollar", erzählt ein örtlicher Priester, der die Sorgen und Nöte der Bewohner von East Palo Alto kennt.
Kein Wunder, wenn man die Dichte an IT-Firmen in der Region und den daraus resultierenden Platzbedarf der Unternehmen und ihrer Mitarbeiter betrachtet:
Es sind Miet- und Immobilienpreise, die für hochbezahlte IT-Spezialisten durchaus zu stemmen sind. Für jene Menschen, die im Schatten des IT-Goldrauschs im Handel, als Handwerker, in Restaurants oder in der Verwaltung arbeiten, ist es allerdings ein Vermögen.
In Gegenden mit günstigeren Preisen wie das nahe Central Valley ziehen? Darüber denken viele nach, doch dort fehlt es außerhalb der Landwirtschaft an Arbeit. Und so verlangt der neue Reichtum im Silicon Valley jenen, die schon Jahrzehnte dort wohnen, immer mehr Kompromisse ab. Und zwar nicht nur Geringstverdienern.
Schuldirektorin wohnt mit drei Lehrern in einer WG
Amanda Kemp ist Schuldirektorin - und wohnt in einer WG mit drei anderen Lehrern. Anders könnten sie es sich nicht leisten, in der Gegend zu wohnen. Kemp: "Ich hatte mit Mitbewohnern eigentlich auf der Uni abgeschlossen. Ich hätte nie gedacht, dass ich wieder mit anderen leben muss - außer meinem Partner."
Die Alternative: Etliche andere Lehrer pendeln täglich zwei Stunden und mehr nach East Palo Alto, um den Miet- und Immobilienpreisen zu entrinnen.
Ganze Familien teilen sich ein Zimmer
Dabei verdienen Lehrer noch vergleichsweise gut. Viele Schlechtverdiener müssen noch mehr Kompromisse eingehen, um Wohnraum zu haben. Häuser, die sich mehrere Familien teilen, wobei bis zu fünfköpfige Sippen in einzelnen Räumen hausen, sind in East Palo Alto heute nichts Besonderes mehr. Wohnmobil-Nomaden wie Familie Chavez ebenfalls nicht.
Tatsächlich sind sie bereits so zahlreich, dass sich die örtliche Schulverwaltung dazu entschlossen hat, Schulparkplätze für sie zu öffnen - damit sie zumindest einen ruhigen Stellplatz für die Nacht haben. Auch über das Aufstellen von Waschmaschinen in den Schulen denkt die Schulverwaltung nach.
Zuckerberg spendet Millionen für leistbares Wohnen
Von all diesen Problemen wissen natürlich auch die Nachbarn aus der IT-Branche. Facebook-Boss Mark Zuckerberg und seine Frau Priscilla Chan haben erst kürzlich angekündigt, 18,5 Millionen US-Dollar für die Schaffung bezahlbaren Wohnraums in der Region zur Verfügung stellen zu wollen.
Doch ob diese Hilfen greifen, kann noch niemand abschätzen. Dass Abhilfe geschaffen wird, dürfte letztlich aber auch im Interesse der IT-Industrie sein. Am Ende des Tages sind auch ihre Mitarbeiter auf Geringverdiener angewiesen, die ihre Kinder unterrichten, ihre Pakete ausliefern, Läden betreiben oder Mahlzeiten kochen.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.