Vor Amtsübergabe
Obama rät Trump: “Nicht alleine regieren”
Am Freitag um 12 Uhr Ortszeit ist Barack Obamas Amtszeit als US-Präsident zu Ende. Bei seiner letzten Pressekonferenz als Staatschef im Weißen Haus verteidigte ein ungewohnt melancholischer Obama am Mittwoch die US-Sanktionen gegen Russland und die Begnadigung der US-Whistleblowerin Chelsea Manning. Was den Nahostkonflikt betrifft, zeichnete der scheidende Präsident ein düsteres Bild. Seinem Nachfolger Donald Trump gab er den wichtigen Rat mit auf den Weg, nicht zu versuchen, alleine zu regieren: "Man braucht ein Team."
Um 20.25 Uhr trat Obama am drittletzten Tag seiner Amtszeit vor die Kameras. Gut gelaunt scherzte der US-Präsident bei seiner letzten Pressekonferenz im Weißen Haus mit den anwesenden Journalisten zunächst etwa über die Beschwerden, wenn er in der Vergangenheit zu ausführliche Antworten gegeben habe. "Sie sollten Skeptiker sein. Sie sollten harte Fragen stellen", betonte er - wohl mit Blick auf die dünne Haut seines Nachfolgers in Bezug auf kritische Fragen. Ausdrücklich würdigte Obama die Pressefreiheit, an die Journalisten gerichtet sagte er: "Unsere Demokratie braucht Sie."
Ernst und nachdenklich bei letzter Pressekonferenz
Ernster und nachdenklicher als sonst ging Obama dann allerdings zum letzten Mal auf die Fragen der Journalisten ein. Er verteidigte die Begnadigung der Wikileaks-Informantin Chelsea Manning. Das ursprüngliche Strafmaß von 35 Jahren Haft sei im Vergleich zu anderen Urteilen gegen Whistleblower nicht verhältnismäßig gewesen. "Ich bin guten Mutes, dass der Gerechtigkeit genüge getan ist und trotzdem ein Zeichen gesetzt wurde", sagte Obama. Niemand solle glauben, dass der Verrat von Details über die Nationale Sicherheit der Vereinigten Staaten ungesühnt bleibe.
Auf die Zukunft von WikiLeaks-Gründer Julian Assange, der über seine Rückkehr in die USA öffentlich nachgedacht hatte, wollte Obama nicht näher eingehen. "Ich zolle den Tweets von Herrn Assange nicht allzu viel Aufmerksamkeit", sagte der scheidende US-Präsident. Grundsätzlich müsse aber im Online-Zeitalter eine vernünftige Balance zwischen Informationsfreiheit und dem Schutz sensibler Daten gefunden werden.
Obama verteidigt Sanktionen gegen Russland
Die nächste Frage an den Staatschef galt der umstrittenen Ankündigung von Trump, Sanktionen gegen Russland lockern zu wollen. Dafür sehe er die Bedingungen etwa in der Ukraine nicht erfüllt, sprach sich Obama gegen eine Aufhebung der Sanktionen aus. Der einzige Grund für die Sanktionen sei die Verletzung der territorialen Integrität und Souveränität der Ukraine gewesen.
Mit der Rückkehr Wladimir Putins ins Amt des russischen Präsidenten sei eine auch rhetorische Eskalation im gegenseitigen Verhältnis verbunden gewesen. Eine konstruktive Zusammenarbeit mit Russland liege gleichwohl im Interesse der Vereinigten Staaten und der internationalen Gemeinschaft, betonte er. Obama mahnte zudem, die USA müssten ihre Vorbildfunktion in Sachen Demokratie und Menschenrechte fortsetzen. Sie seien hier sicher nicht perfekt, aber meistens auf der richtigen Seite gewesen.
Trump "bestmöglichen Rat" angeboten
In Bezug auf Trump sagte Obama, er habe ihm seinen bestmöglichen Rat angeboten. Er habe seinem designierten Nachfolger empfohlen, nicht alleine regieren zu wollen. "Dieser Job hat eine solches Ausmaß, den kann man nicht alleine machen", sagte er. "Man braucht auf jeden Fall ein Team." Die Kunst sei es, die richtigen Leute zusammenstellen, die einem die besten Informationen weiterreichen. Problematisch sei es, wenn der Zeitpunkt komme, an dem man sich isoliert fühle oder die Mitarbeiter nur noch das weitergeben, was man hören wolle. "Dann beginnt man, Fehler zu machen", so Obama über den Job als mächtigster Mann der Welt.
Obama "möchte eine Zeit lang ruhig sein"
Er selbst wolle jetzt die acht Jahre Präsidentschaft zunächst einmal verarbeiten. "Ich will schreiben", sagte Obama. "Ich möchte eine Zeit lang ruhig sein, mich nicht dauernd selbst reden hören müssen", scherzte er. Außerdem wolle er Zeit mit seinen Töchtern verbringen. Einmischen in die aktuelle Politik werde er sich nur, wenn er den Eindruck gewinne, dass "fundamentale Werte der Vereinigten Staaten" verletzt würden.
Dies wäre beispielsweise der Fall, wenn in irgendeiner Form die "systematische Diskriminierung" sanktioniert würde, sagte Obama. Als weitere Beispiele nannte er die organisierte Behinderung von Bürgern an der Ausübung ihres Wahlrechts und "institutionelle Anstrengungen, Dissens oder die Presse zum Schweigen zu bringen". Obama kündigte auch an, gegebenenfalls öffentlich das Wort gegen die Ausweisung von in den USA aufgewachsenen Kindern mit ausländischem Hintergrund ergreifen zu wollen.
Nahostkonflikt: Düsteres Bild gezeichnet
Düster waren indes Obamas letzte Einschätzungen zu einer Friedenslösung im Nahostkonflikt zwischen Israel und Palästinensern. Er fürchte, dass der richtige Moment für eine Zwei-Staaten-Lösung vorbeigehen könne. Man könne ermutigen und vermitteln, doch könne man die beiden Konfliktparteien nicht zum Frieden zwingen, so der scheidenden US-Präsident.
Obama überzeugt: "Menschen sind mehr gut als böse"
"Ich glaube daran, dass Menschen mehr gut sind als böse. Ich glaube, dass das Böse in der Welt existiert. Aber wenn wir hart arbeiten, können wir sie ein Stück verbessern. Darum ging es in dieser Präsidentschaft."
Um 15.22 Uhr Ortszeit pochte Obama zweimal auf das Pult und verließ ein letztes Mal den Briefingraum des Weißen Hauses. Sein Nachfolger Donald Trump wird am Freitag als 45. US-Präsident vereidigt.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.