62.000 Unbegleitete

Junge Migranten kosten Deutsche heuer 4 Milliarden

Ausland
22.02.2017 08:01

Vier Milliarden Euro: Diese Summe wird Deutschland heuer die Aufnahme unbegleiteter minderjähriger Ausländer kosten. Anfang 2017 lebten laut dem Bundesfamilienministerium bereits knapp 62.000 solcher Migranten in der Kinder- und Jugendhilfe, berichtete die "Welt" am Mittwoch. Abgeschoben wurde 2016 - trotz der vergleichsweise hohen Straffälligkeit - kein Unbegleiteter, wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linkspartei hervorgeht. Aus der CDU kommt nun die Forderung, per Handy die Eltern zu finden.

Laut Statistischem Bundesamt sind die Inobhutnahmen von unbegleitet eingereisten jungen Ausländern seit 2005 kontinuierlich von 602 auf 42.309 im Jahr 2015 angestiegen. Zum Stichtag 9. Februar belief sich die Zahl bereits auf 61.893. Als durchschnittlichen Tagessatz zur Betreuung errechnete das Bundesverwaltungsamt 175 Euro, also 5250 Euro monatlich. Dieser Durchschnittssatz enthalte dem "Welt"-Bericht zufolge sowohl die Inobhutnahmen als auch anschließende Hilfen zur Erziehung. Stagniere die Zahl der Unbegleiteten auf dem aktuellen Niveau, ergebe sich deshalb ein Betrag von etwa 3,95 Milliarden Euro für das laufende Jahr.

(Bild: APA/AFP/Christof Stache)

CDU-Politiker: "Hohe Kosten nicht länger zu vermitteln"
Aus der CDU werden nun Rufe laut, Abschiebungen minderjähriger Migranten zu forcieren. "Die Behörden sollten auch mithilfe der Mobilfunkdaten versuchen, die Eltern ausfindig zu machen, um wenigstens einige Unbegleitete abschieben zu können. Der faktische Abschiebestopp für unbegleitete Minderjährige ist auch angesichts der hohen Kosten nicht länger zu vermitteln", sagte Michael Kretschmer, Fraktionsvize der Union im Bundestag.

(Bild: APA/AFP/CHRISTOF STACHE)

Die "Welt" zitiert dazu aus dem Aufenthaltsgesetz: "Vor der Abschiebung eines unbegleiteten minderjährigen Ausländers hat sich die Behörde zu vergewissern, dass dieser im Rückkehrstaat einem Mitglied seiner Familie, einer zur Personensorge berechtigten Person oder einer geeigneten Aufnahmeeinrichtung übergeben wird." Dies gelang jedoch weder 2016 noch im Jahr zuvor. Allerdings wurden im vergangenen Jahr 649 Unbegleitete an den Grenzen zurückgewiesen oder innerhalb Europas zurückgeschoben. Dies ist etwa möglich, wenn der Migrant bereits in einem anderen europäischen Staat registriert wurde, aber nach Deutschland weiterreist.

Zahl der "unbegleiteten Einreisen" seit 2005 kontinuierlich gestiegen
Seit 2005 sind die Inobhutnahmen von unbegleitet eingereisten jungen Ausländern kontinuierlich von 602 auf 42.309 im Jahr 2015 angestiegen, wie das Statistische Bundesamt auflistet. Durch den Anstieg in den vergangenen Jahren ist die "unbegleitete Einreise" mittlerweile der häufigste Grund für die Inobhutnahme - vor etwa Überforderung der Eltern, Drogensucht oder sexuellem Missbrauch.

Ein Flüchtling in einer deutschen Erstaufnahmestelle (Bild: APA/dpa-Zentralbild/arifoto UG)
Ein Flüchtling in einer deutschen Erstaufnahmestelle

Problematisch sei laut "Welt", dass nicht alle der zu 90 Prozent männlichen Unbegleiteten einen Asylantrag stellen würden. Laut Bundesamt für Migration stellten 2015 etwa 22.300 einen Asylantrag, 2016 waren es 36.000. Davon stammten etwa 7500 Anträge von Unbegleiteten, die bereits 2015 eingereist waren und demnach "erst 2016 ins System aufgenommen" wurden, heißt es in dem Zeitungsbericht.

Deutschlands Innenminister Thomas de Maiziere und die neue Chefin des Bundesamtes für Migration (Bild: AFP)
Deutschlands Innenminister Thomas de Maiziere und die neue Chefin des Bundesamtes für Migration

Besonders Jugendliche aus Herkunftsländern mit geringer Anerkennungsquote, etwa aus Nordafrika, stellen häufig keine Asylanträge. Unter den unbegleiteten Asylantragstellern waren 2016 rund 42 Prozent Afghanen, wie die Bundesregierung auf Anfrage der Grünen berichtete. Die Schutzquote (Flüchtlingsschutz inklusive Asyl, Subsidiär- und Abschiebeschutz) lag bei 71 Prozent. Insgesamt lag sie demnach unter allen 9300 Entscheidungen bei 89 Prozent. Der Antwort zufolge waren zum Jahreswechsel knapp 35.000 Asylverfahren von Unbegleiteten anhängig, berichtete die "Welt" weiter.

Viele Unbegleitete sind gar nicht minderjährig
Ein weiteres Problem ist, dass viele der unbegleiteten Minderjährigen nicht minderjährig sind. Laut Familienministerium gibt es 16.664 junge Volljährige, die über das 18. Lebensjahr hinaus in der Jugendhilfe bleiben - weil Sozialarbeiter und Jugendämter einen besonderen Bedarf feststellen.

Deutschunterricht in einem Integrationskurs in Deutschland (Bild: APA/dpa/Julian Stratenschulte)
Deutschunterricht in einem Integrationskurs in Deutschland

Darüber hinaus gelingt es vielen jungen Migranten, ihr wahres Alter zu verschleiern. Laut den offiziellen Angaben sind rund 70 Prozent mindestens 16 Jahre alt, doch all diese Altersangaben sind unsicher. Zum einen fehlen bei den meisten Neuankömmlingen unbedenkliche Dokumente zur Überprüfung der Identitäts- und Altersbehauptung, zum anderen wird das Alter meist nur durch die sogenannte Inaugenscheinnahme durch die Jugendämter festgestellt.

Methoden der Altersfeststellung selten angewendet
Verlässliche Methoden der Altersfeststellung, wie die ärztliche Begutachtung der körperlichen Reife oder radiologische Untersuchungen, würden laut dem Bericht selten angewendet. Dabei habe die Arbeitsgemeinschaft für Forensische Altersdiagnostik, die zur Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin gehört, einen international anerkannten Diagnosestandard entwickelt.

(Bild: APA/ERWIN SCHERIAU (Symbolbild))

Dieser erlaubt zwar nicht die zweifelsfreie Altersfeststellung, aber doch die eines Mindestalters. Allerdings werden dabei umstrittene Methoden genutzt. Zur Begutachtung der sexuellen Reifung müssten sich die Untersuchten ausziehen, Kritiker halten das für belastend. Und zur Einschätzung der Zahn- und Knochenreifung müsste geröntgt werden: die Handwurzel und - falls noch immer Zweifel bestehen - auch das Schlüsselbein. Dieses reift nämlich zuletzt aus.

Während diese Untersuchungen etwa in Österreich vorgenommen werden, nutzen in Deutschland aus ethischen und gesundheitlichen Gründen nur wenige der rund 600 Jugendämter diese Möglichkeit, so das Fazit.

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