Der Gang zum Briefkasten hat für eine 84 Jahre alte Pensionistin aus Niederösterreich kürzlich mit einem Schock geendet: Anna Wachter, Mindestsicherungsbezieherin, mehrfach operiert, auf einen Rollator zu Fortbewegung und eine Heimhilfe angewiesen, erhielt seitens der Gemeinde Horn einen Brief, in dem die betagte Frau zu "gemeinnützigen Hilfstätigkeiten", wie etwa zum Straßenkehren, aufgefordert wurde. "Das ist sofort abzustellen. Dieser Systemfehler ist umgehend zu korrigieren", zeigt sich AK-Niederösterreich-Präsident und ÖGB-NÖ-Vorsitzender Markus Wieser erbost.
Die 84-Jährige sei nicht die Einzige gewesen, die einen solchen Brief erhalten habe, heißt es seitens der niederösterreichischen Arbeiterkammer. So sollen auch andere Pensionisten mit geringer Pension, aber auch chronisch Kranke derartige Arbeitsaufforderungen erhalten haben. In dem Schreiben, unterschrieben vom Bürgermeister, heißt es: "In unserer Gemeinde besteht ein Bedarf an der Erbringung gemeinnütziger Hilfstätigkeiten. Sobald wir eine konkrete Tätigkeit für Sie haben, werden wir uns mit Ihnen in Verbindung setzen." Beigelegt ist zudem ein Merkblatt, auf dem die bei Arbeitsablehnung drohenden Sanktionen aufgelistet sind - also Kürzungen der Mindestsicherung bis zu 100 Prozent.
"Auf Rollator und Heimhilfe angewiesen"
Für die 84 Jahre alte Anna Wachter war der Erhalt des Schreibens naturgemäß ein Riesenschock. Die gebrechliche Frau hatte bereits mehrmals Operationen am Stütz- und Bewegungsapparat über sich ergehen lassen müssen, sei zudem "auf einen Rollator sowie eine Heimhilfe angewiesen", so die AK. Die Pensionistin hat kein eigenes Einkommen, erhält von ihrem Ex-Mann Unterhalt in der Höhe von 480 Euro. "Weil dieser Betrag so gering ist und zum Leben nicht ausreicht, muss sie die Differenz durch die Mindestsicherung auf 890 Euro aufstocken, sie bezieht also 410 Euro an Mindestsicherung", heißt es.
Seitens der Gemeinde spricht man von einem Irrtum, wie Stadtamtsdirektor Matthias Pithan - er äußerte sich vertretend für Horns Bürgermeister Jürgen Maier in der Causa - gegenüber dem "Kurier" sagte. Das Schreiben sollte lediglich der Information rund um die Gesetzesänderungen für Mindestsicherungsbezieher dienen. Dabei habe man "bei zwei Pensionistinnen das Geburtsdatum übersehen", wird Pithan zitiert. "Es wird jedenfalls keiner verpflichtet", erklärt der Beamte. Falls doch, werde der Fall individuell geprüft, heißt es weiter.
"Vernunft gefragt, damit so etwas nicht mehr vorkommt"
Der Passus rund um gemeinnützige Hilfstätigkeiten von Mindestsicherungsbeziehern ist im Gesetzestext generell unscharf formuliert. Konkrete Einschränkungen, wer zu Gratis-Arbeiten verpflichtet werden kann - etwa eine Altersgrenze -, gibt es nicht. Nach dem Vorfall steht für den AK-NÖ-Präsidenten jedenfalls fest: "Jetzt ist Vernunft gefragt, damit so etwas in Zukunft nicht mehr vorkommt."
"Ich möchte nicht, dass eine alleinerziehende Mutter, die Teilzeit arbeiten muss und so wenig verdient, dass sie aufstocken muss, dann auch noch in ihrer ohnehin kargen Freizeit zum Gratis-Arbeiten herangezogen wird", so Wieser.
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