Einmalige Naturschauspiele, farbenprächtige Tierwelt und Millionenstädte. Brasilien ist in vielerlei Hinsicht gigantisch.
Ich bin die Copacabana entlanggejoggt. Ich bin mit einem Hubschrauber über die größten Wasserfälle der Welt geflogen. Und irgendwann hat mir jemand ein kleines Krokodil in die Hand gedrückt, das er davor aus dem pechschwarzen Wasser eines Dschungelflusses gezogen hat. Ja, ich war in Brasilien. Das fünftgrößte Land der Welt, über das vor allem Klischees von Fußball und Karneval, Kriminalität und Korruption kursieren, ist ein touristisches Gesamtpaket, ein gigantisches Wunderland der 1000 Kontraste, eine ums ganz geschwollen zu sagen Hymne auf das Leben. Egal, wie schief sie manchmal klingt, egal, wie schwer es für seine Bewohner häufig ist.
Zuckerhut und Christusstatue
Nach den Top-Ereignissen Fußballweltmeisterschaft und Olympische Spiele kehrt wieder Normalität ein - falls es die in diesem Land je gegeben hat. Die Preise sinken, was Brasilien für Touristen wieder attraktiver macht. In Rio sollen ja irgendwo die Sportstätten und ein olympisches Dorf vor sich hinrotten, als Besucher bekommt man davon freilich nichts mit.
Das Leben auf der Copacabana, auf Ipanema, Leblon und den anderen Stränden Rios ist so buntscheckig wie eh und je. Jeden Tag strömen die Einheimischen ans Meer, pflegen ihren Körperkult, machen Sport und genehmigen sich ein Bier oder einen Caipirinha. Kaum eine Metropole der Welt ist so schön gelegen wie das sich zwischen Stränden und Hügeln ausbreitende Rio. Zum Pflichtprogramm gehören die Fahrt auf den Zuckerhut und auf den Corcovado mit der berühmten Christusstatue, von denen aus man die besten Ausblicke auf die Millionenstadt und ihre Buchten hat.
Weit weniger Touristen verschlägt es schon in die berüchtigten Favelas. Die illegalen Armensiedlungen, die auf den Hügeln sprießen, sind nicht so gefährlich wie befürchtet. Zumindest einige von ihnen. Wie die riesige Favela Rocinha im Süden der Stadt. Wer sich nicht besonders blöd anstellt und protzig Goldschmuck und iPhone zur Schau stellt, bleibt im Normalfall unbehelligt. Zahlreiche Veranstalter bieten übrigens mittlerweile Favela-Führungen an.
Spektakuläre Naturschauspiele
Wir führen unsere Reise zu den Höhepunkten Brasiliens aber tief im Landesinneren weiter. Beim Dreiländereck Brasilien/Argentinien/Paraguay wartet eines der spektakulärsten Naturschauspiele der Welt auf uns. 1541 war es der spanische Abenteurer mit dem klingenden Namen Álvar Núñez Cabeza de Vaca, der als erster Europäer das Wunder am Iguaçu zu sehen bekam. Der aus dem Westen mächtig heranfließende Strom fällt dort über eine Kante von drei Kilometer Länge mehr als 60 Meter in die Tiefe. Die Wassermassen entwickeln eine Energie, gegen die die Niagarafälle wie ein müdes Gepritschel wirken. Auf den überall gut ausgebauten Holzstegen kann man sich sogar dem wildesten Fall am Iguaçu, dem Teufelsschlund, nähern.
Es ist der Blick in eine weiße Hölle, ohrenbetäubend, einschüchternd. Wasserscheu sollte man dabei lieber nicht sein. Auch die kleinste Windböe erzeugt eine Gischt, die die Besucher bald in eine feuchte Wolke hüllen. Das Gerangel um die besten Aussichtsplätze unter den waschelnassen Touristen ist beträchtlich. Ruhiger geht es bei den anderen Fällen zu, die man sowohl von Brasilien als auch Argentinien aus erkunden kann. Wem das auch nicht genug ist, kann sich den Fällen auch per Helikopter oder mit einem Boot nähern. Der Helikopterflug dauert zwar nur ein paar Minuten, und ob die ständig kreisenden Maschinen mit ihrem Geratter die Tierwelt am Fluss nicht belästigen, sei einmal dahingestellt die Aussicht ist jedoch einfach unschlagbar. Am eigenen Leib erfährt man die Wucht des Wassers aber nur per Boot. Die Bootsführer lenken die leistungsstarken Gefährte bis knapp zum herabstürzenden Wasser. Dusche braucht man danach keine mehr.
"Treffen der Wasser"
Die dritte Etappe unserer brasilianischen Erkundung führt uns immerhin 2500 Kilometer nördlich, an den Amazonas. In der Nähe der Millionenstadt Manaus fließen der Rio Negro und der Solimões zusammen, erst ab diesem "Treffen der Wasser" nennen die Brasilianer den gewaltigen Strom Amazonas. Der Zusammenfluss ist aber aus anderen Gründen eine Attraktion. Über mindestens sechs Kilometer vermengt sich das schwarze, humushältige Wasser des Rio Negro nicht mit dem viel schneller fließenden, von Tonerde und Sedimenten braun gefärbten Solimões: Der wunderliche, zweifärbige Fluss bietet ein faszinierendes Schauspiel.
Müßiggang zwischen dominanter Natur
Die diversen Dschungellodges in der Nähe von Manaus haben sich vor allem an den Seitenarmen des Rio Negro angesiedelt. Der niedrige ph-Wert des schwarzen Wassers ist nicht gut für die Moskitos. Und die sandige Erde bietet auch Vogelspinnen keine Lebensbedingungen. Umso besser für den Besucher, der hier im Wald auf Entdeckung geht. Man sollte das auf jeden Fall mit einem kundigen Guide machen, der sich bei den Pflanzen auskennt, weiß, welche Heil- und Giftmittel in ihnen schlummern. Am Wasser stehen hin und wieder die ärmlichen Hütten der Cablocos, der Nachfahren von europäischen Einwanderern und Indios. Dass der Bundesstaat Amazonas über riesige Industrie verfügt das träge Leben entlang des Flusses verrät es nicht. In der schwülen Hitze regiert der Müßiggang zwischen einer dominanten Natur. Papageien, Wollaffen, Gürteltiere der Dschungel lebt. Und im Wasser gibt’s nicht nur köstliche Piranhas und gigantische, zwei Meter lange Pirarucus, sondern auch Kaimane, die natürlich keine kleinen Krokodile sind, sondern eine Alligatoren-Spezies, die sich am Amazonas sichtlich wohlfühlt.
Kronen Zeitung, Martin Gasser, 26.2.2017
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