Zu viel Stress, zu viel Angst, zu viel Gewicht: Die Fastenzeit ist die Zeit, loszulassen. Wie es gelingen kann und was es bringt, darauf gibt Kräuterpfarrer Benedikt im Interview mit Conny Bischofberger Antworten.
Erster Fastensonntag: Von seinem Zimmer im Kloster der Prämonstratenser im niederösterreichischen Waldviertel blickt Kräuterpfarrer Benedikt auf einen großen Ahornbaum. "Er gibt mir Halt", sagt der Mann, für den die Natur, oder wie er es nennt "die Schöpfung Gottes" das Schönste ist. Über Bäume, Pflanzen und Heilkräuter weiß der 51-Jährige einfach alles. Dass sie auch beim Fasten - "so wie bei jedem Neubeginn im Leben" - eine wesentliche Rolle spielen, sei vielleicht zu wenig bekannt.
In Geras lebt der Mönch mit sechs Mitbrüdern, die sich dreimal am Tag zum gesungenen Chorgebet treffen. "Das ist wunderschön", lächelt der Kräuterpfarrer, dessen Markenzeichen ein weißer Habit mit Gürtel ist, zu dem er einen Strohhut trägt. Mit seiner täglichen "Krone"-Kolumne erreicht der Geistliche, der auch eine Pfarre mit 350 "Schäfchen" betreut, dem "Verein der Freunde der Heilkräuter" in Karlstein an der Thaya vorsteht und bei der Freiwilligen Feuerwehr ist, ein Millionenpublikum.
"Krone": Herr Kräuterpfarrer, wie viele Kilos bringen Sie auf die Waage?
Kräuterpfarrer Benedikt: Das weiß ich nicht. Ich habe keine Waage. Wenn ich zu viel gegessen habe, dann spüre ich das. Genauso, wenn ich Fieber habe. Da brauche ich auch kein Thermometer.
Also kein Grund zum Fasten?
Doch! Ich reduziere in der Fastenzeit den Alkohol und ich esse wenig Fleisch. Auf Genüsse zu verzichten, tut dem Körper gut. Und es gibt der Seele Raum. Aber Fasten ist viel mehr als Abnehmen. Fasten heißt, sich zu besinnen, den Blick nach innen zu richten. Deshalb gehört zum Fasten im christlichen Sinn auch Beten und Almosen geben. Die Frage: Wo stehe ich und was bewirke ich mit dem, was ich tue?
Warum beten?
Weil Beten meditativen Charakter hat. Beten heißt im Wesentlichen, dankbar zu sein. Allein schon den Fuß aus dem Bett zu setzen und aufstehen zu können, ist eine Gnade. Dankbar sollte ich aber gerade auch in Situationen sein, wo ich mir schwer tue, wo ich vielleicht zornig oder beleidigt bin. Da tue ich mir etwas Gutes, wenn ich einen Segen ausspreche. Ganz einfach: "Du tust mir weh" oder "Du nervst!", aber Gott möge dich segnen.
Und warum sind Almosen wichtig?
Weil man sein Leben teilen, für andere da sein soll. Jenen weiterhelfen, die selber nicht vorankommen. Nicht nur finanziell. Man kann auch Zeit schenken. Oder Geduld. Das ändert so vieles von Grund auf! So gesehen ist Fasten immer ein Neubeginn.
Viele Menschen verzichten in der Fastenzeit nicht nur auf Fleisch, Süßigkeiten oder Alkohol, sondern auch auf Handy und Internet. Ist das in Ihren Augen eine zeitgemäße Form des Fastens?
Durchaus. Weil es bedeutet, bewusst zu verzichten. Heute sagt man ja "Digital Detox" dazu. Wenn Menschen zu uns ins Kloster kommen und eine Zeit lang hier bleiben, um zur Ruhe zu kommen und sich wieder neu einzupendeln, dann raten wir ihnen auch, das Handy abzuschalten. Jede Form des Verzichtes verändert etwas.
Was verändert sich beim Fasten genau?
Ich lass los. Indem ich Prioritäten setze, befreie ich mich von vielem, das mich belastet. Es wird ein Raum frei, über den ich wieder neu verfügen kann. Das ist eine ganz wichtige Erfahrung. Es nimmt uns ja so vieles gefangen. Ich bin jetzt noch nicht so alt, dass ich ganz wunschlos wäre. Aber es ist eine Vision. So wie die Heilige Teresa von Avilla gesagt hat: "Solo Dios Basta", Gott allein genügt. Mit den Jahren bildet sich eine gewisse Erhabenheit, die aber nichts mit Stolz zu tun hat. Man steht vielmehr über den Dingen. Man kann sie genießen, aber man braucht sie nicht mehr. Das ist vor allem wichtig im Hinblick auf den Tod.
Fasten als immer wiederkehrender kleiner Abschied?
Genau. Weil wir ja bei unserem christlichen Fasten hinschauen auf das Leiden und Sterben Jesu Christi und sein Auferstehen. Die Asche, die wir am Aschermittwoch aufs Haupt bekommen, ist ein Zeichen, dass wir aus Staub sind und zu Staub zurückkehren. Aber aus der Asche steigt auch der Phönix auf. So läuft Fasten immer auf ein Fest hin, auf das Fest der Auferstehung. 40 Tage fasten und dann am himmlischen Mahl teilnehmen, was für ein schönes Bild.
Welche Rolle spielen Kräuter beim Fasten?
So wie bei allen Krankheiten unterstützen Kräuter den Körper auch beim Entschlacken und Loslassen. Die Topinamburknolle zum Beispiel, die das Gewicht reduziert. Bitterkräuter wie das Gänseblümchen und der Löwenzahn, die Zellen aktivieren. Oder die Schafgarbe, die das feine Sensorium des Körpers anspricht. Jedes Kraut hat eine heilende Wirkung. Für Leib und Seele. Quendeltee bei Fieber, Königskerze bei Erschöpfung, Melisse bei Depressionen, Spitzwegerich bei Kränkungen. Für jede Situation im Leben gibt es ein individuelles Kraut. Für mich sind Kräuter Lebewesen wie Tiere. Der Mensch wurde von Gott in diese Schöpfung hineingestellt, und wenn er sich daraus isoliert, dann geht er zugrunde.
Was ist die beste Medizin?
Da zu sein für den kranken Menschen in dem Maß, in dem es sich dieser Mensch wünscht. Das ist letzten Endes auch die einzige Medizin.
Sie sind der Nachfolger des legendären Kräuterpfarrers Hermann Josef Weidinger. Was hat er Ihnen mitgegeben?
Er hat immer gesagt: Bitte zählt mein Leben nicht in Jahren! Er ist am 31.447. Tag seines Lebens gestorben. Das ist es, was er mich gelehrt hat. Ich zähle mein Leben in Tagen und bringe dadurch meine Dankbarkeit zum Ausdruck. Jeder Tag, den ich erleben darf, ist wertvoll. Deshalb ist es wichtig, ihn ganz bewusst zu leben.
Ist es indiskret, Sie zu fragen, welche Beziehung Sie zu Gott haben?
Es ist eine sehr intime Frage. Aber ich beantworte sie gerne, und zwar mit einem Bild. Ich kann eigentlich nur helfen oder für andere da sein, indem ich eine Hand Gott gebe und die andere Hand dem Menschen in einer schwierigen Situation. Wenn ich ihm beide Hände reichen müsste, würde ich mitgerissen, aber mithilfe Gottes kann ich stark sein.
Seine Geschichte
Geboren als Reinhold Felsinger am 23. Juni 1965 in Horn, aufgewachsen in Drosendorf, NÖ. Der Vater ist Hauptschullehrer, die Mutter Hausfrau, es gibt drei ältere Brüder. 1984 Eintritt ins Kloster Geras. Felsinger bekommt den Ordensnamen "Benedikt". 1993 wird er zum Priester geweiht. Als Kräuterpfarrer Hermann-Josef Weidinger 2004 stirbt, übernimmt er die Agenden. 2011 ernennt ihn der Abt von Geras, Michael Prohazka, auch offiziell zu dessen Nachfolger. Seit damals schreibt Kräuterpfarrer Benedikt die Kolumne "Hing'schaut und g'sund g'lebt" täglich in der "Krone".
Conny Bischofberger, Kronen Zeitung
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.