Meine Geschichte

Leben im Kloster: “Einen Mangel spüre ich nicht”

Meine Geschichte
08.03.2017 17:00

Worum geht es im Leben? Diese Frage hat Katharina Franz schon als Mädchen beschäftigt. Die Antwort hat sie im Kloster gefunden. Lesen Sie ihr Protokoll.

Angefangen hat es in der Pubertät. Da war diese tiefe Sehnsucht nach Antworten. Ich habe mich gefragt, was der Sinn von allem ist, worum es im Leben geht und wo mein Platz auf der Welt ist. Meine Schulfreunde haben damals begonnen, in die Disco zu gehen und Schauspieler zu verehren. Ich habe mitgemacht. Damit ich keine Außenseiterin bin. Aber es hat nichts zu meinem Glück beigetragen. Stattdessen habe ich insgeheim Mutter Teresa angehimmelt und jeden Zeitungsartikel ausgeschnitten, der etwas mit Ordensschwestern zu tun hatte.

Schwester Katharina sammelte als Kind jeden Artikel, der etwas mit Nonnen zu tun hatte. (Bild: Markus Wenzel)
Schwester Katharina sammelte als Kind jeden Artikel, der etwas mit Nonnen zu tun hatte.

In diese Richtung gedrängt hat mich niemand. Freilich. Meine Eltern waren praktizierende Christen. Ich bin in den 70er-Jahren im Innviertel aufgewachsen. Da ist man am Sonntag in die Kirche gegangen und hat vor dem Einschlafen gebetet. Aber für eine Frau wie mich war für alle nur ein Weg denkbar: heiraten und Kinder kriegen.

Als ich dann verkündet habe, dass ich stattdessen ins Kloster gehe, wollte mich eine gute Bekannte sogar zum Psychiater schicken. Männer? Die waren nie ganz tabu. Gelegentlich denke ich auch heute, wenn ich einen sympathisch finde: Ja, der hätte es vielleicht geschafft. Aber ich habe nie bewusst eine Beziehung zu einem Mann gesucht. Ich habe mich zu einem anderen Weg berufen gefühlt.

Meine Vorstellung von Gott hat sich weiterentwickelt
2002 habe ich die Gelübde der Armut, der Ehelosigkeit und des Gehorsams auf Lebenszeit im Orden der Franziskanerinnen von Vöcklabruck abgelegt. Alles Materielle zurückzulassen, das war schon schwer. Besonders meine CDs. Es hat auch Zweifel gegeben. In puncto Glaubensfragen.

Haben Sie auch ein Schicksal gemeistert und können damit anderen Mut machen? Dann schreiben Sie bitte an: brigitte.quint@kronenzeitung.at

Die 47-Jährige im Gespräch mit "Krone"-Redakteurin Brigitte Quint bei den Franziskanerinnen (Bild: Markus Wenzel)
Die 47-Jährige im Gespräch mit "Krone"-Redakteurin Brigitte Quint bei den Franziskanerinnen

Meine Vorstellung von Gott hat sich weiterentwickelt. Stichwort Leid und Elend auf der Welt. Das ist nicht von Gott gewollt. Er hat den Menschen erschaffen, nicht seine Taten. Seine Antwort sind die Menschen, die helfen. Natürlich habe ich trotz dieser Einstellung noch offene Fragen. Ich lasse sie stehen. Ich denke, dass wir die Antworten später kriegen.

Ich arbeite und lebe als Seelsorgerin und Migrationsbeauftragte im Krankenhaus in Braunau. In der Früh um 6.05 beginnen wir in der Spitals-Kapelle mit dem Stundengebet, kurz vor sechs am Abend ist Rosenkranz und Vesper. Dazwischen macht jede der Ordensfrauen ihren Job.

Schwester Katharina im Krankenhaus St. Josef in Braunau (Bild: Markus Wenzel)
Schwester Katharina im Krankenhaus St. Josef in Braunau

Ich bin Facebook-Mitglied und habe fast 300 Freunde
Wir gehen auch mal ins Kino oder trinken einen Schnaps zusammen. Niemand lebt hier wie im Mittelalter. Ich bin Mitglied bei Facebook und habe fast 300 Freunde. Ein Smartphone besitze ich aber nicht. Auch in der Welt herumreisen würde dem einfachen Lebensstil widersprechen. Wir haben drei Wochen Erholungsurlaub, den verbringe ich bei meinen Eltern. Eine Ordensschwester besitzt kein eigenes Konto. Wir kriegen 25 Euro im Monat ausbezahlt, für alles Weitere ist gesorgt. Einen Mangel spüre ich nicht. Ich bin glücklich, fühle mich bereichert durch jede Begegnung.

Abends postet die 47-Jährige regelmäßig Fotos auf Facebook. (Bild: Markus Wenzel)
Abends postet die 47-Jährige regelmäßig Fotos auf Facebook.

Da war dieses Erlebnis im Zug. Ein paar Mädchen haben über meine Ordenstracht geredet und darüber spekuliert, ob ich noch Jungfrau bin. Ich bin hingegangen und habe gesagt: "Wenn ihr Fragen zum Ordensleben habt, neben mir ist noch ein Platz frei." Tatsächlich ist dann eine von ihnen zu mir gekommen. Wir haben lange geredet. Am Schluss hat sie sich bedankt. Sie hatte diese tiefe Sehnsucht nach Antworten. Wie ich damals. Ich hoffe, dass auch sie ihren Platz finden wird.

TIPPS UND INFOS:

  • In Österreich gibt es 105 Frauenorden und 85 Männerorden.
  • Von insgesamt 3483 Ordensfrauen sind 114 unter 40 Jahre alt.
  • 2016 haben fünf Schwestern die ewige Profess (Gelübde auf Lebenszeit) abgelegt.
  • Derzeit bemühen sich 16 Frauen in Österreich aktiv darum, in ein Kloster aufgenommen zu werden.
  • Indes registrierten die Frauenorden 136 Todesfälle für 2016.
  • Kriterien für Novizinnen: Sie müssen über 18 Jahre alt sein, die Matura oder eine abgeschlossene Lehre haben sowie gesund sein. Weitere Infos rund ums Klosterleben unter www.ordensgemeinschaften.at

Brigitte Quint, Kronen Zeitung

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