Viele Tricksereien

Doppeltes Spiel mit türkischen Pässen

Österreich
08.03.2017 16:50

Tausende Bürger besitzen illegal zwei Staatsbürgerschaften: Wer erwischt wird, verliert den österreichischen Pass. Meist fliegt die Trickserei nur durch Zufall auf.

Mit Spannung blickt Europa auf das Verfassungsreferendum des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan am 16. April - eine Abstimmung, die Türken in der Türkei genauso entzweit wie die 300.000 Menschen mit türkischen Wurzeln bei uns. Die Propagandamaschinerie von Erdogans Regierungspartei AKP läuft auf Hochtouren.

Erdogan lässt die Türken auch im Ausland nicht in Ruhe. Er wirbt fleißig für die Verfassungsreform. (Bild: APA/EPA/HANS PUNZ)
Erdogan lässt die Türken auch im Ausland nicht in Ruhe. Er wirbt fleißig für die Verfassungsreform.

Laut Statistik leben 116.026 türkische Staatsbürger in Österreich. Darüber hinaus sollen sich rund 10.000 "Ex-Türken" nach Rückgabe des türkischen Passes und nach Annahme der österreichischen Staatsbürgerschaft die türkische wieder geholt haben.

Keine Doppelstaatsbürgerschaften erlaubt
Doppelstaatsbürgerschaften sind zwar in vielen Ländern erlaubt, in Österreich jedoch nicht. In bestimmten Fällen entscheidet ein eigenes Verwaltungsverfahren darüber. Seitens der türkischen Behörden erfolgt diesbezüglich auch keine Information an die österreichischen Behörden. Das heißt im Klartext: Freiwillig wird sich keiner melden.

Illegale Doppelstaatsbürgerschaften fliegen meist zufällig auf, etwa bei Familienzusammenführungen. Besteht ein Verdacht, kommt es zu sogenannten Feststellungsverfahren. So haben etwa in Niederösterreich 40 Türken seit Jänner 2016 sofort die österreichische Staatsbürgerschaft verloren. In Tirol sind zehn Verfahren offen. In Kärnten gab es keine einzige Ermittlung, genauso wie im Burgenland und in Vorarlberg. In Salzburg sind es jedes Jahr zwischen zehn und 15 Staatsbürgerschaftsentziehungen, allerdings beschränkt.

Ausreiseverbot bleibt aufrecht
Derzeit wird auch fünf Männern die Ausreise aus der Türkei verwehrt. Die diplomatischen Bemühungen laufen auf Hochtouren. Dem Vernehmen nach soll es sich um österreichische Doppelstaatsbürger handelt. Der Hintergrund sei jedenfalls politisch.

Birol Kilic, Obmann der Türkischen Kulturgemeinde (Bild: Birol Kilic)
Birol Kilic, Obmann der Türkischen Kulturgemeinde

Interview mit Birol Kilic, Obmann der Türkischen Kulturgemeinde:
"Das Interesse zu wählen ist gering"

Krone: Herr Kilic, welche Rechte hat ein früherer Türke, der mittlerweile die österreichische Staatsbürgerschaft hat, in der Türkei?
Birol Kilic: Eine Besonderheit des türkischen Staatsangehörigkeitsrechts ist, dass ausgebürgerte ehemalige türkische Staatsbürger eine "blaue Karte" beantragen können, wodurch ihnen wesentliche Staatsbürgerrechte wie Erbrecht erhalten bleiben. Das Wahlrecht bleibt ihnen verwehrt.

Wie groß ist das Interesse der Austro-Türken vor dem Verfassungsreferendum?
An den Wahlen in der Türkei haben die Türken hier wenig Interesse. Bei den Präsidentschaftswahlen 2014 gingen von 85.000 Wahlberechtigten in Österreich 9,5 Prozent zur Wahl. Bei den Parlamentswahlen 2015 lag die Beteiligung bei 37 Prozent.

Was könnte man bei der Integration besser machen?
Man muss die Austro-Türken direkt ansprechen und versuchen, sie für sich zu gewinnen, bevor es zu spät ist. Man muss mit den liberalen Personen und Vereinen kooperieren. Nicht mit Einrichtungen, die Politik aus der Türkei, egal, welcher Richtung, nach Österreich importieren.

Weiter Wirbel um AKP-Auftritt in Wien
Wahlkampfauftritte von AKP-nahen Politikern wie zuletzt am Sonntag in Wien-Ottakring (wir berichteten) entzweien hier lebende Austro-Türken. Der umstrittene Ex-Politiker und Milli-Görüs-Mann Sevki Ylmaz forderte, beim Verfassungsreferendum mit Ja zu stimmen. Dabei kam es zum Eklat, weil eine ORF-Journalistin ausgesperrt wurde. In der Zwischenzeit sprechen sich heimische Politiker für ein Wahlkampfverbot für ausländische Politiker auf heimischem Boden aus.

Martina Münzer, Kronen Zeitung

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